Nach zwei BGH-Entscheidungen im Januar 2020 (Stromnetz Steinbach und Gasnetz Leipzig) ist die Entscheidung „Strom- und Gasnetz Stuttgart“ vom 07.04.2020 (EnZR 75/18) bereits das dritte BGH-Urteil zu Konzessionierungsverfahren nach §§ 46 ff. EnWG in diesem Jahr.
Diesmal ging es um Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Netzherausgabe. Klägerin war die Neukonzessionärin, die von der beklagten Bestandsanbieterin die Übereignung von Hochdruck- bzw. Hochspannungsanlagen verlangte.
Inhaltlich knüpft die Entscheidung an das BGH-Urteil „Stromnetz Homberg“ (BGH, Beschluss vom 03. Juni 2014 – EnVR 10/13 –) an und präzisiert die dort bereits aufgestellten Grundsätze. Dass es zu weiteren Details des Übereignungsanspruchs einer erneuten Entscheidung des BGHs bedurfte, ist wenig verwunderlich, da die gesetzliche Regelung in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG sehr rudimentär gefasst ist:
„Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert, so ist der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen.“
Darüber, welche Verteilungsanlagen im Einzelnen notwendig für den Betrieb sind, kommt immer wieder Streit auf.
In der Entscheidung „Stromnetz Homberg“ hatte der BGH bereits klargestellt, dass
„der Übereignungsanspruch nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF […] gemischt genutzte Mittelspannungsleitungen jedenfalls dann [umfasst], wenn an diese (Groß-)Kunden als Letztverbraucher angeschlossen sind.“
Diese Aussage präzisierte der BGH nun. Eine Anlage ist demnach unter zwei Voraussetzungen an den Neukonzessionär zu übertragen:
- Die Anlage kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der neue Konzessionsnehmer seine Versorgungsaufgaben nicht mehr wie der frühere Netzbetreiber erfüllen kann.
- Die Anlage hat eine mehr als nur unwesentliche Funktion bei der örtlichen Versorgung. Dafür ist es nicht zwingend ausschlaggebend, ob an der Leitungsanlage Letztverbraucher angeschlossen sind. Falls ein Letztverbraucher angeschlossen ist, ist dies jedoch ein starkes Indiz für eine mehr als nur unwesentliche Funktion für die örtliche Versorgung.
Nicht entschieden hat der BGH leider, ob diese Ausführungen analog auf den Auskunftsanspruch aus § 46a EnWG übertragen werden können. Dies liegt aber nahe, da ein Bieter sein Angebot nur kalkulieren und abgeben kann, wenn ihm die wesentlichen Informationen über alle zu übertragenden Leitungen vorliegen. Daher wäre es nach wie vor wünschenswert, wenn die Bundesnetzagentur im Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt gem. § 46a S. 3 EnWG eine Entscheidung über den Umfang und das Format der zur Verfügung zu stellenden Daten festlegen würde.
Das Urteil ist hier frei abrufbar.