BGH zum Neutralitätsgebot in Konzessionierungsverfahren

BGH zum Neutralitätsgebot in Konzessionierungsverfahren

BGH zum Neutralitätsgebot in Konzessionierungsverfahren 150 150 Christian Below (kbk Rechtsanwälte)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 28.01.2020 zum sog. Neutralitätsgebot in Konzessionierungsverfahren entschieden (Az: EnZR 99/18). Die Urteilsgründe wurden nunmehr veröffentlicht.

Das Neutralitätsgebot ist besonders zu beachten, wenn eine Kommune, die ein Konzessionsverfahren nach § 46ff. EnWG durchführt, gleichzeitig an einem Bewerber gesellschaftsrechtlich beteiligt ist. Im entschiedenen Fall war die Stadt Leipzig mittelbare Eigentümerin der Stadtwerke Leipzig GmbH. Die Stadt hatte zehn Mitglieder des Stadtrates in den Aufsichtsrat der Stadtwerke Leipzig entsandt. Im April 2015 beschloss der Stadtrat einstimmig, den neuen Wegenutzungsvertrag mit der Stadtwerke Leipzig GmbH zu schließen.

Im Rahmen einer gerichtlichen Streitigkeit um die Netzübernahme hatte der bisherige Netzeigentümer eingewandt, dass der abgeschlossene Gas-Konzessionsvertrag wegen Verstoßes gegen das Neutralitätsgebot nichtig sei. Dies hatte der Netzeigentümer mit einer sog. Zwischenfeststellungsklage geltend gemacht. Zu Unrecht, so der BGH: Die Zwischenfeststellungsklage sei nämlich  unzulässig, weil die zu klärenden Rechtsbeziehungen bereits durch die Entscheidung in der Hauptsache erschöpfend geregelt würden.

Praxisrelevanter sind jedoch die Ausführungen des BGH zum Neutralitätsgebot:

  • Dass die Ratsmitglieder, die gleichzeitig Aufsichtsratsmitglieder der Stadtwerke Leipzig GmbH waren, bei der Zuschlagsentscheidung des Stadtrates mitgewirkt hatten, führe allein noch nicht zur Nichtigkeit des Gas-Konzessionsvertrages.
  • Das kommunalrechtliche Mitwirkungsverbot aus § 20 Abs. 1 Nr. 7 SächsGemO sei durch die Mitwirkung nicht verletzt worden, wie bereits das Berufungsgericht festgestellt habe. Danach ist eine Mitwirkung von Ratsmitgliedern, die als Vertreter der Gemeinde oder auf deren Vorschlag hin in einem Aufsichtsrat oder vergleichbarem Organ tätig sind, ausdrücklich erlaubt.
  • Ein Mitwirkungsverbot ergebe sich allerdings aus den vom BGH entwickelten Grundsätzen für Konzessionierungsverfahren, zu denen auch das Diskriminierungsverbot gehört. Diese Vorgaben müsse die konzessionsgebende Gemeinde zusätzlich zu den kommunalrechtlichen Bestimmungen beachten.
  • Aus dem Diskriminierungsverbot folge das Gebot der organisatorischen und personellen Trennung von Vergabestelle und Bewerber.
  • Die Gemeinde genüge der Pflicht zur personellen und organisatorischen Trennung, wenn sie die Vergabestelle einer personell und organisatorisch vollständig getrennten Einheit der Gemeindeverwaltung zuweist. Es müsse der Gefahr Rechnung getragen werden, dass die Eigengesellschaft der Gemeinde einen Informationsvorsprung erhält oder ihre Interessen in einer besonderen Weise in die Entscheidungsfindung der Gemeinde einfließen lassen kann.
  • Hat die Gemeinde personell und organisatorisch zwischen Vergabestelle und kommunalem Bewerber getrennt, folgt allein aus der Teilnahme eines vom Mitwirkungsverbot betroffenen Gemeinderats an dem abschließenden Beschluss des Gemeinderats keine unbillige Behinderung eines unterlegenen Bewerbers, so dass der Wegenutzungsvertrag trotzdem wirksam ist.
  • Nicht jeder Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot führe automatisch zur Nichtigkeit des Konzessionsvertrages. Die dazu erforderliche unbillige Behinderung von Mitbewerbern könne nicht angenommen werden, wenn ein Einfluss des Fehlers auf die Entscheidung fernliegend erscheine.
  • Steht zweifelsfrei fest, dass sich die Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens nicht auf dessen Ergebnis ausgewirkt haben kann, liege keine unbillige Behinderung vor. Dies sei z.B. der Fall, wenn ein Gemeinderat, der gleichzeitig für die Gemeinde entsandtes Aufsichtsratsmitglied eines Bewerbers ist, nur bei der abschließenden Beschlussfassung mitwirkt.
  • Anders aber, wenn ein vom Mitwirkungsverbot betroffener Gemeinderat schon vorher, d.h. insbesondere bei der Bestimmung und Ausgestaltung der Vergabekriterien tätig geworden ist.
  • Es könne schon genügen, dass die von der Gemeinde vorgenommene Ausgestaltung der verfahrensbezogenen oder materiellen Anforderungen an die Auswahlentscheidung eine Einflussnahme eines Gemeinderats im Vorfeld der abschließenden Entscheidung des Gemeinderats eröffnet hat. Ebenso können hierzu konkrete Handlungen des einzelnen Gemeinderats im Vorfeld der Beschlussfassung zählen, die eine Einflussnahme möglich erscheinen lassen. Dies müsse grundsätzlich der Bewerber darlegen und beweisen, der sich diskriminiert fühlt.
  • Liegt ein Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot vor, so muss die Gemeinde darlegen, dass tatsächlich kein Interessenkonflikt bestand oder sich die konkrete Tätigkeit nicht auf die Entscheidung ausgewirkt hat. Hierzu könne etwa vorgetragen werden, dass der Gemeinderat, der im Interesse der Gemeinde als Mitglied des Aufsichtsrats tätig ist, seine Tätigkeit ruhen ließ.
  • Eine unbillige Behinderung liege nicht vor, wenn der Rat auch ohne Beteiligung der Aufsichtsräte mit ausreichender Mehrheit beschlossen hätte. Hierfür sprachen die Umstände im entschiedenen Fall alle Umstände, da die Entscheidung einstimmig getroffen wurde.

Wenngleich das Urteil noch zum alten Recht vor der EnWG-Novelle ergangen ist, dürfte die BGH-Spruchpraxis Auswirkungen auf viele Konzessionierungsverfahren haben. Im Ergebnis ist Kommunen, die gesellschaftsrechtlich an einem Bewerber beteiligt sind, zu empfehlen, dass Ratsmitglieder, die gleichzeitig entsandte Organmitglieder des Bewerbers sind, keinen Einfluss auf das Konzessionsverfahren nehmen. Dies gilt insbesondere bei verfahrensvorbereitenden Entscheidungen wie z.B. der Festlegung der Wertungskriterien.

Die Entscheidung im Volltext können Sie hier nachlesen.

 

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