OLG Frankfurt zur Gestaltung des Kriterienkatalogs (§§ 46 ff. EnWG)

OLG Frankfurt zur Gestaltung des Kriterienkatalogs (§§ 46 ff. EnWG)

OLG Frankfurt zur Gestaltung des Kriterienkatalogs (§§ 46 ff. EnWG) 150 150 Elias Könsgen (kbk Rechtsanwälte)

Das OLG Frankfurt hatte im Dezember 2020 über ein Konzessionierungsverfahren Gas nach §§ 46 ff. EnWG zu entscheiden, OLG Frankfurt, Urt. v. 10.12.2019 – 11 U 118/19 (Kart). Auf das Verfahren war noch die Rechtslage vor der Gesetzesnovelle aus dem Jahr 2017 anwendbar. Gleichwohl dürfte das Urteil auch für künftige Konzessionierungsverfahren einige wichtige Aussagen enthalten:

  1. Niedrige Anforderungen an die Plausibilitätsprüfung der prognostizierten Netznutzungsentgelte (Rn. 93)

Laut OLG Frankfurt reicht es bei der Plausibilitätsprüfung der Netznutzungsentgelte (NNE) durch die Gemeinde aus, zu prüfen, ob sich die Prognose nicht in einem „von vornherein unrealistischen Rahmen“ hält. Diese Formulierung lässt freilich einigen Raum für Interpretationen. Feststeht jedoch, dass im Falle einer Offenlegung des Berechnungsmodells des Bieters recht geringe Anforderungen an die Überprüfung der Prognose gestellt werden.

  1. Ein Bieter kann keine Akteneinsicht „ins Blaue“ beantragen. Es müssen konkrete Anhaltspunkte für einen Verfahrensfehler vorliegen, damit er Akteneinsicht beantragen kann (Rn. 97)

Der klagende Bieter hatte die Intransparenz der Auswahlentscheidung gerügt. Das OLG Frankfurt vertritt hier eine recht kommunalfreundliche Haltung. Während andere Obergerichte inzwischen hohe Anforderungen an die Transparenz der Auswahlentscheidung stellen, hält das OLG Frankfurt an seiner eigenen Rechtsprechung fest (OLG Frankfurt, Urteil vom 3.11.2017 – 11 U 51/17). Danach ist eine tiefergehende Akteneinsicht „ins Blaue hinein“ nicht möglich. Es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte für einen Wertungsfehler innerhalb der für den Bieter nicht sichtbaren Passagen vorliegen. Dies bestätigt das Vorgehen derjenigen Kommunen, die  die Schutzwürdigkeit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (§ 47 Abs. 3 Satz 3 EnWG) als hoch einstufen.

  1. Die Ziele der „Effizienz“ und der „Verbraucherfreundlichkeit“ sind nicht zwingend als eigenständige (Ober-)Kriterien auszugestalten (Rn. 102 ff.)

Überraschend sind die Aussagen des OLG Frankfurt zur Abbildung der § 1 EnWG Ziele im Kriterienkatalog. Ein Bieter hatte gerügt, dass die Gemeinde weder die Effizienz, noch die Verbraucherfreundlichkeit hinreichend im Kriterienkatalog berücksichtigt habe. Dazu führt das OLG aus, dass das Gesetz keine Vorgabe enthalte, wie diese § 1 EnWG Ziele im Rahmen der Ausschreibung berücksichtigt werde müssen. Es reiche demnach aus, dass die Effizienz im Rahmen anderer Kriterien (hier etwa „Netzzuverlässigkeit“, „Netzleistungsfähigkeit“ sowie „Niedriges Netznutzungsentgelt“) mitabgefragt wird. Zudem verweist das OLG darauf, dass der Musterkriterienkatalog des Umweltministeriums Baden-Württemberg die „Effizienz“ ebenfalls nicht gesondert berücksichtige.

Ähnlich argumentiert das OLG hinsichtlich eines als fehlend gerügten Oberkriteriums “Verbraucherfreundlichkeit”. So sei etwa das Kriterium der Preisgünstigkeit (auch) Ausdruck der Verbraucherfreundlichkeit.

Mit dieser Argumentation betont das OLG, wie bereits zuletzt andere Obergerichte, den weiten Spielraum der Gemeinden bei der Erstellung der Kriterienkataloge und der Ausgestaltung des Wettbewerbsverfahrens. Das OLG tritt damit der in der Rechtsprechung zum Teil erkennbaren Tendenz entgegen, dass der vielbetonte Spielraum der Gemeinden zu einer bloßen Floskel verkommt.

  1. Über eine Rüge muss das Gericht nur dann entscheiden, wenn sich der vermeintliche Verfahrensfehler im Ergebnis auf die Auswahlentscheidung auswirken würde (Rn. 122ff.)

Das OLG Frankfurt betont hier einen Punkt, den der BGH bereits recht früh („Stromnetz Berkenthin“) festgestellt hatte: Ein Verfahrensfehler muss kausal für die Auswahlentscheidung sein, um eine unbillige Behinderung eines Bieters darzustellen. Vorliegend hatten alle Bieter in dem Kriterium „Wirtschaftliche Teilhabe am Netzbetrieb“ die volle Punktzahl erhalten, sodass das Gericht die weitere Prüfung des Kriteriums offenließ. Es könne sich „zweifelsfrei auf das Ergebnis des Auswahlverfahrens nicht auswirken, ob dieses Kriterium gewertet wird oder nicht“.

In der Regel wird sich diese rechtliche Frage nach der neuen Rechtslage wohl nicht mehr stellen. Der Einwand, dass das Kriterium als solches unzulässig ist, wäre nämlich im Verfahrensstadium nach der Angebotsauswertung ohnehin gem. § 47 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG präkludiert. Gleichwohl ist die Betonung der erforderlichen Kausalität durch das OLG hilfreich für andere Konstellationen.

Fazit:

Insgesamt handelt es sich um ein recht kommunalfreundliches Urteil. Allerdings werden viele der kommunalfreundlichen Aussagen von anderen Obergerichten anders gesehen, sodass es bei einem „Flickenteppich“ der Rechtsprechung in verschiedenen OLG-Bezirken bleiben dürfte. Ohne ein Machtwort des BGH wird sich daran in absehbarer Zeit wohl auch nichts ändern.

Das Urteil ist abrufbar beim Bürgerservice Hessenrecht

OLG Frankfurt, Urteil vom 10.12.2019 – 11 U 118/19 (Kart) – (rechtskräftig)

Vorinstanz: LG Wiesbaden, Urteil vom 10.07.2019 – 12 O 18/19 –

(Alle Randnummern zitiert nach Juris.)

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