OLG Dresden zu Konzessionsverfahren: Hauptsache nach einstweiligem Rechtsschutz doch noch möglich?

OLG Dresden zu Konzessionsverfahren: Hauptsache nach einstweiligem Rechtsschutz doch noch möglich?

OLG Dresden zu Konzessionsverfahren: Hauptsache nach einstweiligem Rechtsschutz doch noch möglich? 150 150 Elias Könsgen (kbk Rechtsanwälte)

Urteilsbesprechung OLG Dresden, Urt. v. 11.05.2022, U 30/21 Kart

Bereits mit Urteil vom 27.01.2021 hatte das OLG Dresden (Az. U 6/20 Kart) in einem einstweiligen Verfügungsverfahren gem. § 47 Abs. 5 EnWG unter anderem entschieden, dass § 130 BGB auf Rügen gem. § 47 Abs. 2 EnWG anwendbar sei. Welche praktischen Auswirkungen dies hat, wurde bereits in diesem Blog dargestellt. An diesen Feststellungen hat der Senat im Wesentlichen festgehalten.

Das OLG Dresden hatte sich nun abermals mit demselben Sachverhalt auseinanderzusetzen, und zwar im Rahmen des sog. Hauptsacheverfahrens. Ob ein solches Hauptsacheverfahren nach Abschluss eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gem. § 47 Abs. 5 EnWG prozessual überhaupt noch möglich ist, ist seit Jahren in der Fachliteratur und Rechtsprechung umstritten (vgl. KG, Urteil vom 25.10.2018, 2 U 18/18 EnWG, Rn. 56, openjur; Rn. 52, juris).

Der BGH hatte diese Frage bisher zur aktuellen Rechtslage offen gelassen (BGH, Urteil vom 12.10.2021, EnZR 43/20, Rn. 36, openjur).

Die Sichtweise des OLG Dresden lässt sich mit dem folgenden Zitat aus den Urteilsgründen (U 30/21 Kart) zusammenfassen:

„Aus Sicht des Senats ist die Beschränkung des Rechtsschutzes auf die Überprüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes de lege ferenda sinnvoll, de lege lata aber nicht gegeben.“ (Rn. 28, juris)

Im Klartext heißt dies: Der zuständige Senat des OLG Dresden hält nach der derzeit geltenden Rechtslage ein späteres Hauptsacheverfahren für möglich und liest also keine Ausschluss- oder Sperrwirkung hierfür aus § 47 EnWG heraus. Allerdings ließe sich aus der Bemerkung, dass dies „de lege ferenda sinnvoll“ sei herauslesen, dass der Senat eine entsprechende Änderung durch den Gesetzgeber begrüßen würde. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den rechtlichen Argumenten in der vom Senat zitierten Fachliteratur und Rechtsprechung erfolgt nicht.

Der Senat stützt sich auf eine knappe Auslegung des Wortlauts. Zudem argumentiert er mit den Gesetzgebungsmaterialien:

„Aus Wortlaut und Gesetzgebungsgeschichte von § 47 EnWG ergibt sich zweifelsfrei, dass Einwände gegen das Verfahren und das Ergebnis des Auswahlverfahrens in den Fristen des § 47 Abs. 2 und Abs. 5 S. 1 EnWG erhoben werden sollen und im Falle der Versäumung der dort vorgesehenen Fristen abgeschnitten sind. Dass darüber hinaus auch der rechtzeitig Rügende – abweichend von den allgemeinen Regeln (vgl. BGH a.a.O. Rn. 27) – nur einstweiligen Rechtsschutz erlangen kann, lässt sich indes weder dem Text noch der Begründung von § 47 EnWG (BT-Drs. 18/8184) mit der notwendigen Klarheit entnehmen.“ (Rn. 28, juris)

Bemerkenswert: Der Senat lässt die Revision zum BGH nicht zu, obwohl dies gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO in der Hauptsache möglich gewesen wäre. Denn die Frage der Zulässigkeit des späteren Hauptsacheverfahrens ist zwischen verschiedenen Oberlandesgerichten (vgl. etwa KG, Urteil vom 25.10.2018, 2 U 18/18 EnWG sowie OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.02.2018, 11 W 2/18 Kart ) umstritten. Möglicherweise wollte der Senat hier bewusst keine Entscheidung des BGH herbeiführen.

Um die Revision nicht zuzulassen, musste der Senat über sämtliche inhaltliche Rügen entscheiden. Nur auf diese Weise konnte er seine Entscheidung auf die Unbegründetheit der Rügen stützen, sodass die Rechtsfrage nach dem Ausschluss eines späteren Hauptsacheverfahrens in diesem Fall für den Senat letztlich nicht entscheidungserheblich war. Dazu führt der Senat aus:

„Die Zurückweisung der Berufung erfolgt jedenfalls aus dem selbständig tragenden Grund, dass die Rügen der Klägerin die Annahme einer fehlerhaften Auswahl nicht begründen.“ (Rn. 128, juris)

Aus praktischer Sicht ist es bedauerlich, dass die Revision zum BGH hinsichtlich dieser seit Jahren hoch umstrittenen Rechtsfrage nicht zugelassen wurde. Die betroffenen Kommunen und Energieversorger müssen sich weiterhin mit einer gewissen Rechtsunsicherheit bzw. Zersplitterung der Rechtsprechung je nach Bundesland zufrieden geben. Eine spätere Hauptsache kann zu erheblichen Verzögerungen von Netzübernahmen führen. Es bleibt zu hoffen, dass dem BGH in naher Zukunft Gelegenheit gegeben wird, hier für Rechtssicherheit zu sorgen.

Das Urteil ist bisher (Stand 25.10.2022) nicht frei zugänglich online verfügbar, kann jedoch bei juris mit einem entsprechenden Zugang abgerufen werden. Weitere Fundstelle: IR 2022, 248-249.