Das Kabinett der Bundesregierung hat am 03.02.2016 den Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung“ beschlossen. Ziel der Bundesregierung ist es, mit dem Gesetzentwurf die Rechtssicherheit bei der Neuvergabe von Strom- und Gaskonzessionsverträgen zu verbessern.
Durch den Gesetzentwurf werden die bisherigen Regelungen in § 46 und § 48 EnWG um folgende neue Regelungen ergänzt:
- Unter § 46 Abs. 4 EnWG-Entwurf wir klar gestellt, dass die Gemeinden bei der Auswahl des zukünftigen Konzessionärs auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtgen dürfen. Weiterhin darf eine Gemeinde bei der Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien den Anforderungen des jeweiligen Netzgebietes Rechnung tragen.
- Die Gemeinden haben die Pflicht Unternehmen, deren Angebote sie nicht angenommen hat, über die Gründe der Ablehnung und den frühesten Zeitpunkt des beabsichtigten Vertragsschlusses zu informieren (§ 46 Abs. 5 EnWG-Entwurf). Eine solche Information war nach den beiden BGH Entscheidungen vom 17.12.2013 (Heiligenhafen und Berkenthin) bereits üblich, um die vom BGH ausgeurteile Präklusionswirkung zu erreichen.
- Der Umfang der vom Bestandsanbieter heraus zu gebenden Netzdaten wird in einem neuen § 46a EnWG-Enwturf konkretisiert. Dabei übernimmt der Kabinettsentwurf den vom BGH mit Urteil vom 14.04.2015 ausgeurteilten Datenumfang.
- In einem neuen § 47 EnWG-Entwurf wird eine Rügepflicht mit Präklusionswirkung und ein Recht auf Akteneinsicht aufgenommen. Die Regelungen greifen die bestehende Rechtsprechung des BGH auf, gehen aber über diese hinaus.
- Die bisher auf ein Jahr nach Vertragsende beschränkte Pflicht zur Fortzahlung von Konzessionsabgaben nach § 48 Abs. 4 EnWG wird in eine unbeschränkte Pflicht zur Fortzahlung modifiziert. Voraussetzung ist allerdings, dass die Gemeinde ein Konzessionierungsverfahren durchgeführt hat.
Das Ziel des Gesetzgebers ist zu begrüßen, da derzeit ein überaus hohe Rechtsunsicherheit bei der Vergabe von Strom- und Gaskonzessionsverträge herrscht. Der Kabinettsentwurf setzt im wesentlichen die derzeitige Rechtsprechung des BGH um. An einigen Stellen, insbesondere bei der Rügepflicht und Präklusion geht er darüber hinaus.
Leider enthält der Entwurf im Detail zahlreiche unscharfe Formulierungen und Regelungslücken:
- Der Entwurf lässt offen, in welchem Umfang die § 1 EnWG Ziele und in welchem Umfang die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in den Wertungskriterien berücksichtigt werden müssen bzw. dürfen.
- Hinsichtlich der Pflicht zur Fortzahlung der Konzessionsabgabe ist unklar, ob diese erst besteht, wenn das Konzessionierungsverfahren abgeschlossen ist.
- Nicht geklärt ist, ob die Regelungen auch auf laufende Verfahren Anwendung finden oder nur auf Verfahren, die nach Inkrafttreten der Novellierung begonnen werden. Im letzteren Fall ist offen, ob ein Konzessionierungsverfahren mit der Veröffentlichung nach § 46 Abs. 3 EnWG-Entwurf beginnt oder erst mit der Übersendung der Wertungskriterien an die Interessenten gemäß § 46 Abs. 4 EnWG-Entwurf.
- Zahlreiche weitere Punkte ließen sich hier aufführen.
Auch die beiden in der Praxis derzeit brisantesten Streitpunkte werden nicht aufgegriffen: In welchem Umfang ist eine Gemeinde verpflichtet Unter- und Unterunterkriterien zu bilden? Ist neben der absoluten auch die relative Bewertung zulässig und welche Anforderungen werden an die Wertungsverfahren gestellt?
Bei dem derzeitigen Kabinettsentwurf besteht die Gefahr, dass er mehr Rechtsunsicherheit schafft, als er Rechtssicherheit bringt. Es bleibt zu hoffen, dass zumindest die größten Defizite im weiteren Gesetzgebungsprozess behoben werden.
Der Kabinettsentwurf steht auf der Web-Site des BMWi zum Download zu Verfügung.