BKartA, Beschluss vom 21.11.2011, Az. B 10 – 17/11
Beschluss
In dem Verwaltungsverfahren
gegen die
Stadt Markkleeberg
– Beteiligte –
beigeladen:
Stadtwerke Leipzig GmbH
– Beigeladene –
wegen des Verdachts auf Verstoß gegen §§ 1, 19 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB hat die 8. Beschlussabteilung am 21. November 2011 beschlossen:
1. Die von der Beteiligten mit Schreiben an die Beschlussabteilung vom 17. November 2011 angebotene Verpflichtungszusage ist bindend. Das vorgenannte Schreiben ist Bestandteil dieses Beschlusses.
2. Das Verfahren wird nach Maßgabe des § 32 b Absatz 1 Satz 2 GWB eingestellt.
3. Die Gebühr für das Verfahren einschließlich der Entscheidung beträgt […] Euro.
4. Der Widerruf dieser Verfügung bleibt vorbehalten.
Gründe
I.
1. Die Beteiligte ist eine im Freistaat Sachsen gelegene Stadt mit ca. 24.500 Einwohnern. Die Beteiligte vermarktet unter anderem die Wegerechte an ihren kommunalen Grundstücken zur Verlegung und zum Betrieb von Energieversorgungsnetzen. Zudem bietet sie über mehrere stadteigene Unternehmen wirtschaftliche Leistungen an, darunter die Fernwärmeversorgung durch die Wärmeversorgung Wachau GmbH.
2. Die Beigeladene ist schwerpunktmäßig im Bereich der Erzeugung und des Vertriebs von Strom, Erdgas und Fernwärme tätig. Sie bietet darüber hinaus über eine Tochtergesellschaft Netzdienstleistungen auf der Ebene der Strom- und Gasverteilernetze sowie im Bereich der Fernwärme an. Vor diesem Hintergrund hatte sich die Beigeladene um die Übernahme der Wegenutzungsrechte für Erdgas im Stadtgebiet der Beteiligten beworben, um dort als Netzbetreiber zukünftig ebenfalls entsprechende Netzdienstleistungen anbieten zu können. Die Beteiligte hat den Wegenutzungsvertrag nach dem Abschluss ihres Interessenbekundungsverfahrens letztlich nicht mit der Beigeladenen abgeschlossen, sondern mit dem Altkonzessionär MITGAS Mitteldeutsche Gasversorgung GmbH (im Folgenden „MITGAS“).
3. Aufgrund eines Schreibens der Beigeladenen vom 11. März 2011, bei der 10. Beschlussabteilung eingegangen am 15. März 2011, leitete die 10. Beschlussabteilung am 21. April 2011 von Amts wegen ein Verwaltungsverfahren gegen die Beteiligte wegen des Verdachts auf Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung sowie einer verbotenen wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung ein. Das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr als Landeskartellbehörde hatte die Sache zuvor mit Schreiben vom 18. April 2011 auf Antrag des Bundeskartellamts hin gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 GWB vorsorglich an das Bundeskartellamt abgegeben.
4. Aufgrund des plausiblen Vortrags der Beigeladenen bestand der Anfangsverdacht, dass die Beteiligte ihre marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für die Vergabe örtlicher Wegenutzungsrechte dadurch missbraucht haben könnte, dass sie im Rahmen der Durchführung ihres o.g. Interessenbekundungsverfahrens mutmaßlich gegen die aus den europäischen Grundfreiheiten abgeleiteten Vergabeprinzipien und dabei insbesondere gegen das Transparenzgebot sowie das Diskriminierungsverbot verstieß. Von der Beigeladenen wurde insbesondere gerügt, dass ihr Bewerbungs- und Interessenbekundungsschreiben an die Beteiligte vom 24. Februar 2010 – von einer Eingangsbestätigung und einer Zwischennachricht auf ihre gesonderte Nachfrage hin abgesehen – im Folgenden ohne jegliche inhaltliche Resonanz blieb und dass sie erst durch einen Pressebericht vom Beschluss des Stadtrats der Beteiligten Kenntnis erlangte, die Gaskonzession für Markkleeberg an MITGAS zu vergeben. Gemäß dem Pressebericht seien hierfür langjährige Erfahrungen mit MITGAS, deren Ortskenntnis in Sachen Technik sowie deren Preisgestaltung ausschlaggebend gewesen.
5. Am 13. Mai 2011 wurde die Beigeladene auf ihren Antrag hin zum Verfahren beigeladen.
6. Mit Schreiben vom 14. Juni 2011 teilte die 10. Beschlussabteilung der Beteiligten die Ergebnisse ihrer bisherigen Ermittlungen mit. Der Beigeladenen wurde am 15. Juni 2011 eine Kopie dieses Schreibens übermittelt.
7. Mit Schreiben vom 15. Juni 2011 informierte die 10. Beschlussabteilung die MITGAS von der Verfahrenseinleitung und den bisherigen Ermittlungsergebnissen. Zugleich wies die 10. Beschlussabteilung MITGAS darauf hin, dass sie angesichts der offensichtlichen erheblichen Berührung ihrer Interessen durch das Verfahren und eine mögliche Entscheidung gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB die Beiladung zum Verfahren beantragen könne. MITGAS hat von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht.
8. Am 15. Juli 2011 wechselte die Zuständigkeit für die Verfahrensführung aufgrund einer internen Umstrukturierung von der 10. zur 8. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts.
9. Im Rahmen eines persönlichen Gesprächs im Bundeskartellamt am 16. August 2011 erläuterte die Beschlussabteilung der Beteiligten ihre wettbewerblichen Bedenken. Im Nachgang zu diesem Gespräch übermittelten die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten mit Schreiben vom 16. September 2011 den Entwurf einer Verpflichtungszusage der Beteiligten, den sie danach auf Grundlage der Anmerkungen der Beschlussabteilung sowie einer Stellungnahme der Beigeladenen, die von der Beschlussabteilung hierzu mit Schreiben vom 23. September 2011 sowie vom 21. Oktober 2011 befragt wurde, noch modifizierten.
10. Demnach verpflichtet sich die Beteiligte dazu, das mit der Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger vom 4. Dezember 2009 eingeleitete Verfahren zum Abschluss eines Konzessionsvertrages Gas für die Stadt Markkleeberg (einschließlich der Ortsteile Gaschwitz und Wachau) entsprechend ihrer Zusage im Stadium des Eingangs der Interessenbekundungen fortzusetzen. Sie wird dazu unmittelbar nach Erlass der Zusagenentscheidung auf die Aufhebung des dem Konzessionsvertrag Gas zwischen der Beteiligten und der MITGAS vom 18. Februar 2011 nebst Zusatzvereinbarung vom gleichen Tage zugrunde liegenden Beschlusses des Stadtrates der Stadt Markkleeberg vom 15. Dezember 2010 durch den Stadtrat hinwirken und das von MITGAS im Hinblick auf das anhängige Verfahren erklärte Angebot zur Aufhebung des am 18. Februar 2011 geschlossenen Konzessionsvertrages annehmen. Die Beteiligte wird der Beigeladenen und MITGAS, die gegenüber der Beteiligten jeweils ihr Interesse an der Übernahme der Wegenutzungsrechte für Gas bekundet hatten, unverzüglich nach Verbindlicherklärung der Zusage die Auswahlkriterien und ihre Gewichtung sowie die notwendigen Informationen zum Netz übermitteln. Schließlich verpflichtet sich die Beteiligte dazu, in einem am Ende des fortgesetzten Verfahrens einzugehenden Konzessionsvertrag Gas bestimmte Regelungen, die die Beschlussabteilung als kartellrechtlich problematisch einstuft, nicht mehr aufzunehmen. Die Einzelheiten zur angebotenen Verpflichtungszusage können dem als Anlage beigefügten Schreiben der Beteiligten vom 17. November 2011 entnommen werden, das Bestandteil dieses Beschlusses ist.
11. Die Beteiligte, die Beigeladene, die Landeskartellbehörde des Freistaates Sachsen und die Bundesnetzagentur haben mit Schreiben vom 14. November 2011 jeweils Gelegenheit erhalten, zum Beschlussentwurf Stellung zu nehmen.
II.
12. Die angebotene Verpflichtungszusage ist geeignet, die bestehenden vorläufigen Bedenken der Beschlussabteilung im Hinblick auf das beanstandete wettbewerbliche Verhalten der Beteiligten auszuräumen. Daher erklärt die Beschlussabteilung im Rahmen ihres Ermessens die Verpflichtungszusage für bindend und stellt das Verfahren vorbehaltlich ihrer in § 32 b Abs. 2 GWB enthaltenen Möglichkeiten ein.
13. Die vorläufige rechtliche Würdigung der Beschlussabteilung beruht auf den nachfolgend unter III. und IV. dargestellten Überlegungen.
III.
14. Die Zuständigkeit der Kartellbehörden für die Durchsetzung von Ansprüchen mit konzessionsrechtlichem Hintergrund richtet sich nach der Reichweite der kartellrechtlichen Tatbestände. Im Kontext der Neuvergabe von Konzessionsverträgen sind dies insbesondere die §§ 1, 19, 20 Abs. 1, 21 Abs. 2 GWB sowie Art. 101 und 102 AEUV. In diesem Rahmen können auch vertragliche (Neben-) Ansprüche eine Rolle spielen. Die Zuständigkeit der Kartellbehörden betrifft insbesondere die diskriminierungsfreie und wettbewerbliche Vergabe der Konzession durch die insoweit marktbeherrschende Gemeinde. (Vgl. Gemeinsamer Leitfaden von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt zur Vergabe von Stromund Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 15.12.2010, Rn. 8-13.)
15. Das Bundeskartellamt ist – unabhängig von der Frage, ob das Bundeskartellamt originär nach § 48 Abs. 2 GWB zuständig ist (Vgl. Gemeinsamer Leitfaden von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt zur Vergabe von Stromund Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 15.12.2010, Rn. 18.) – schon deshalb für das Verfahren zuständig, da die Landeskartellbehörde des Freistaates Sachsen auf vorsorglichen Antrag des Bundeskartellamts hin die Sache am 18. April 2011 nach § 49 Abs. 3 Satz 1 GWB abgegeben hat.
IV.
16. Gemeinden sind bei der Vergabe von Konzessionen für Gas- und Stromverteilernetze unternehmerisch tätig, da es sich um die entgeltliche Vergabe von Wegerechten handelt.(BGH, Urteil vom 11.11.2008, KZR 43/07, WuW/E DE-R 2581 – Neue Trift.) Die Beteiligte ist damit Unternehmen i.S.d. GWB. Aus dem weiten Unternehmensbegriff des § 130 Abs. 1 GWB folgt, dass die öffentliche Hand grundsätzlich überall dort als Unternehmen i.S.d. GWB anzusehen ist, wo sie sich durch das Angebot von wirtschaftlichen Leistungen oder durch die Nachfrage nach solchen Leistungen wirtschaftlich betätigt (vgl. Stadler in Langen/Bunte, GWB, 10. Aufl., § 130 Rz. 12 m.w.N.). Das deutsche und europäische Wettbewerbsrecht ist daher anwendbar.
17. Die Disposition über die Neuvergabe der Konzessionen steht nach § 46 EnWG allein der jeweiligen Gemeinde zu. Sie ist folglich in Bezug auf die örtlichen Konzessionen marktbeherrschend und damit Normadressatin der §§ 19 und 20 GWB und im Einzelfall unter Umständen auch des Art. 102 AEUV.(Vgl. zur Marktabgrenzung und Marktmacht den Gemeinsamen Leitfaden von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 15.12.2010, Rn. 16-20.) Dies gilt vorliegend uneingeschränkt ebenso für die Beteiligte.
18. Bei der Auswahl des Konzessionärs trägt die Gemeinde im Sinne des Allgemeinwohls und der Ziele des § 1 EnWG – einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltfreundlichen Energieversorgung – eine besondere Verantwortung für den Wettbewerb um die Konzession, aber auch für den Wettbewerb auf den Endkundenmärkten. Dies ist jetzt in § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG in der neuen seit dem 4. August 2011 geltenden Fassung ausdrücklich geregelt worden: „Bei der Auswahl des Unternehmens ist die Gemeinden den Zielen des § 1 verpflichtet.“
19. Der Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Gemeinde bei der Vergabe örtlicher Wegerechte i.S.d. §§ 19, 20 GWB und ggf. Art. 102 AEUV ist nach Auffassung des Bundeskartellamtes und der Bundesnetzagentur unter anderem insbesondere dann gegeben, wenn sie
- ihre Auswahlkriterien und deren Gewichtung gegenüber den Bietern nicht klar benennt und/oder
- einzelne Bieter ohne sachlichen Grund bevorzugt und/oder
- im Rahmen der Konzessionsvergabe Gegenleistungen fordert oder sich zusagen lässt, die im Widerspruch zur KAV stehen.
Abhängig von der jeweiligen Verhaltensweise kann auch ein Verstoß gegen § 1 GWB bzw. Art. 101 AEUV in Betracht kommen.(Durch den Abschluss eines solchen Konzessionsvertrages kann im Einzelfall der regulatorisch vorgegebene Wettbewerb um die Konzession durch Abschluss eines rechtswidrigen Vertrages beschränkt werden. Nach der Rechtsprechung des 2. Kartellsenats des OLG Düsseldorf sind die wettbewerbsfördernden Zielsetzungen anderer Gesetze auch im Rahmen von § 1 GWB heranzuziehen (OLG Düsseldorf, U.v. 12.3.2008 – VI-2 U (Kart) 8/07 – Verlängerung ohne Bekanntmachung, Rn. 43 Juris.). Zustimmend Rosin/Semmler/Hermeier, ET 2010, 88, 91.)
20. Vorliegend hat die Beteiligte das Auslaufen der Wegenutzungsverträge mit der MITGAS für die Gasversorgungsnetze in den Ortsteilen Markkleeberg und Gaschwitz (jeweils zum 30. April 2012) sowie Wachau (zum 31. Mai 2012) durch Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger vom 4. Dezember 2009 gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG bekannt gemacht. Zugleich bat die Beteiligte „qualifizierte“ Gasversorgungsunternehmen, die Interesse am Abschluss eines neuen Gas-Wegenutzungsvertrages über das gesamt Stadtgebiet mit einer 20-jährigen Laufzeit hatten, um entsprechende schriftliche Mitteilung. Daraufhin gingen bei der Beteiligten fristgerecht schriftliche Interessenbekundungen der MITGAS (am 10. Dezember 2009) sowie der Beigeladenen (am 24. Februar 2010) ein. Im Laufe ihres Interessenbekundungsverfahrens hat sich die Beteiligte gegenüber den tatsächlichen und potentiellen Bewerbern um die Konzession nicht zu den genauen Kriterien hinsichtlich der Auswahl des Konzessionsnehmers geäußert. Auch die Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger enthielt insoweit keine weiterführenden Informationen. Anders als bei vergleichbaren Verfahren anderer Kommunen folgte auf die Bekanntmachung weder ein konkretisierender Verfahrensbrief als notwendige Grundlage für ein konkretes Angebot der Bewerber, in dem die Entscheidungskriterien dargelegt worden wären, noch erhielten die Bewerber später Gelegenheit zu einer mündlichen Präsentation ihrer Bewerbung vor den städtischen Gremien. Auch ist die Beteiligte später nach Abschluss des Interessenbekundungsverfahrens nicht ihrer sich aus § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG ergebenden Verpflichtung nachgekommen, bei einer Bewerbung mehrerer Unternehmen ihre Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Gründe öffentlich bekannt zu machen. Die angeblich maßgeblichen Gründe ergaben sich für die Beigeladene lediglich im Nachhinein aus einem Pressebericht über den Beschluss des Stadtrates der Beteiligten, die Gaskonzession an MITGAS zu vergeben. Auf eine an sie gerichtete schriftliche Beschwerde der Beigeladenen vom 11. Januar 2011 hin führte die Beteiligte in ihrem Schreiben an die Beigeladene vom 3. Februar 2011 aus, dass der Stadtrat bei seiner Entscheidung davon ausgegangen sei, dass die Beigeladene grundsätzlich gleichermaßen die Voraussetzungen zum Abschluss des Gaskonzessionsvertrages erfüllt habe wie MITGAS. […] Vergleichbare Bedenken hätten im Hinblick auf MITGAS nicht bestanden.
21. Indem die Beteiligte im Interessenbekundungsverfahren keine Transparenz hinsichtlich ihrer Entscheidungskriterien herstellte, verstieß sie nach vorläufiger Auffassung der Beschlussabteilung gegen § 19 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 GWB. Durch ihr missbräuchliches Verhalten wurde zumindest die Beigeladene – sowie gegebenenfalls weitere potentielle Interessenten – im Wettbewerb um die Gaskonzession in Markkleeberg behindert. Eine zielgerichtete, d.h. nicht auf allgemeine Aussagen zur eigenen „Qualifizierung“ als Konzessionsnehmer und Netzbetreiber beschränkte Bewerbung um die Konzession war unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Insbesondere war es der Beigeladenen nicht möglich, gezielt zur Frage ihrer eigenen finanziellen Stabilität und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vorzutragen.
22. Hinzu kommt, dass die von der Beteiligten nicht nach außen kommunizierten und nur intern angewandten Entscheidungskriterien nach vorläufiger Auffassung der Beschlussabteilung jedenfalls zum Teil keinen Zusammenhang mit dem Netzbetrieb oder den Zielen des § 1 EnWG aufwiesen. So fällte die Beteiligte ihre Entscheidung über die Vergabe der Wegenutzungsrechte unter anderem anhand eines Vergleichs der Versorgungstarife der Bewerber im Gasvertrieb sowie in Ansehung der bisherigen Erfahrungen der Beteiligten mit dem Bewerber als Konzessionsnehmer und Netzbetreiber in Markkleeberg. Gerade Letzteres führte nach vorläufiger Auffassung der Beschlussabteilung dazu, dass einzelne Bieter (hier insbesondere die Beigeladene) gegenüber anderen Bietern (hier der Altkonzessionär MITGAS) ohne sachlich gerechtfertigten Grund behindert und diskriminiert wurden. Die Beschlussabteilung geht daher vorläufig davon aus, dass die Beteiligte in dieser Hinsicht gegen §§ 19 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB verstoßen hat. Im Übrigen hatte die Analyse der von der Beteiligten vorgelegten Unterlagen durch die Beschlussabteilung zum vorläufigen Ergebnis, dass die Beteiligte die MITGAS nicht nur während des laufenden Interessenbekundungsverfahrens, sondern bereits in der Konzeptionsphase gegenüber anderen Bietern oder potentiellen Interessenten bevorzugt behandelt und ihr Gelegenheit gegeben hat, ihre wirtschaftlichen Interessen einzubringen.
23. Im Ergebnis hat die Beteiligte am 18. Februar 2011 einen Konzessionsvertrag Gas mit der MITGAS abgeschlossen, der eine Laufzeit vom 1. Mai 2012 bis zum 30. April 2032 aufweist. Diese Vereinbarung verstößt nach vorläufiger Auffassung der Beschlussabteilung gegen das Verbot des § 1 GWB, da der gesetzlich intendierte Wettbewerb um die Wegenutzungsrechte für Gas in Markkleeberg beschränkt wurde. Die Beschlussabteilung geht vorläufig nicht davon aus, dass diesbezüglich die Freistellungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 GWB vorliegen.
24. Darüber hinaus enthält der Konzessionsvertrag Gas vom 18. Februar 2011 für sich betrachtet einige kartellrechtlich problematische Regelungen, die nach vorläufiger Auffassung der Beschlussabteilung bereits ein separates Aufgreifen rechtfertigten. Dies betrifft erstens eine Regelung, mit der sich die Beteiligte vom Konzessionär Leistungen im Zusammenhang mit dem Bau und dem Betrieb von Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung zusagen lässt und die nach vorläufiger Einschätzung der Beschlussabteilung gegen das Nebenleistungsverbot des § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV verstößt. Hierdurch hat die Beteiligte ihre marktbeherrschende Stellung auf dem relevanten Markt für die entgeltliche Vergabe von Wegenutzungsrechten für Gas im Stadtgebiet Markkleeberg missbraucht und dabei andere Unternehmen behindert und diskriminiert (Verstoß gegen §§ 19, 20 GWB). Zugleich liegt eine Wettbewerbsbeschränkung vor, die nach vorläufiger Auffassung der Beschlussabteilung nicht nach § 2 GWB vom Verbot des § 1 GWB freigestellt ist. Zweitens enthält die Zusatzvereinbarung zum Konzessionsvertrag Gas eine Zusatzklausel zum Fernwärmevorranggebiet Wachau- Nord mit einem Wettbewerbsverbot, das nach vorläufiger Auffassung der Beschlussabteilung eine nach § 1 GWB verbotene Wettbewerbsbeschränkung bezweckt und nicht nach § 2 GWB freigestellt ist. Drittens enthält der Konzessionsvertrag vom 18. Februar 2011 eine Regelung, nach der der Konzessionär dazu verpflichtet ist, seinen über die Kann-Vorschrift des § 2 Abs. 6 Satz 2 KAV eröffneten Handlungsspielraum hinsichtlich der Hinzurechnung der Konzessionsabgaben zum Durchleitungsentgelt in jedem Fall positiv auszuüben. Die Beschlussabteilung hält diese Regelung vorläufig für einen missbräuchlichen Eingriff des Konzessionsgebers in die Entscheidungsautonomie des Konzessionsnehmers sowie für eine Wettbewerbsbeschränkung.
25. Durch die angebotene und oben unter Rz. 10 näher dargestellte Zusage ist gewährleistet, dass das Verfahren zur Neuvergabe der Wegenutzungsrechte Gas in Markkleeberg zeitnah unter modifizierten, unter allen relevanten Gesichtspunkten kartellrechtskonformen Rahmenbedingungen fortgesetzt wird. Die Wettbewerbsbeschränkung wird hierdurch beseitigt. Da nunmehr Transparenz hinsichtlich der Entscheidungskriterien der Beteiligten herrscht, können die Bieter hierzu in ihren Bewerbungen gezielt vortragen und das Gespräch mit der Beteiligten suchen. Schließlich stellt die Zusage sicher, dass die von der Beschlussabteilung beanstandeten vertraglichen Regelungen im zukünftig neu abzuschließenden Konzessionsvertrag Gas nicht mehr enthalten sein werden.
26. Der in Verfügungsziffer 4. aufgenommene Widerrufsvorbehalt dient als Möglichkeit zur Aufhebung der Verbindlichkeitserklärung in solchen Fällen, die durch § 32 b Abs. 2 GWB möglicherweise nicht abgedeckt sind.
V.
[Gebühren]
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich binnen einer mit Zustellung des Beschlusses beginnenden Frist von einem Monat beim Bundeskartellamt, Kaiser- Friedrich-Straße 16, 53113 Bonn, einzureichen. Es genügt jedoch, wenn sie innerhalb dieser Frist bei dem Beschwerdegericht, dem Oberlandesgericht Düsseldorf, eingeht.
Die Beschwerde ist durch einen beim Bundeskartellamt oder beim Beschwerdegericht einzureichenden Schriftsatz zu begründen. Die Frist für die Beschwerdebegründung beträgt zwei Monate. Sie beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf Antrag vom Vorsitzenden des Beschwerdegerichts verlängert werden. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit der Beschluss angefochten und seine Abänderung oder Aufhebung beantragt wird, und die – gegebenenfalls auch neuen – Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.
Die Beschwerdeschrift und Beschwerdebegründung müssen durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Auf Antrag kann das Beschwerdegericht die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ganz oder teilweise anordnen.