EuGH: u.a. zur Frage wann bei Änderung eines Dienstleistungskonzessionsvertrages erneut ein Verfahren zur Vergabe des Vertrages durchgeführt werden muss.

EuGH: u.a. zur Frage wann bei Änderung eines Dienstleistungskonzessionsvertrages erneut ein Verfahren zur Vergabe des Vertrages durchgeführt werden muss.

EuGH: u.a. zur Frage wann bei Änderung eines Dienstleistungskonzessionsvertrages erneut ein Verfahren zur Vergabe des Vertrages durchgeführt werden muss. 150 150 Torsten Hopp (kbk Rechtsanwälte)

EuGH Urteil vom 13.04.2010, Az. C-91/08

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

13. April 2010(*)

„Dienstleistungskonzessionen – Vergabeverfahren – Transparenzgebot – Späterer Austausch eines Nachunternehmers“

In der Rechtssache C-91/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Landgericht Frankfurt am Main (Deutschland) mit Entscheidung vom 28. Januar 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Februar 2008, in dem Verfahren

Wall AG

gegen

Stadt Frankfurt am Main,

Frankfurter Entsorgungs- und Service (FES) GmbH,

Beteiligte:

Deutsche Städte Medien (DSM) GmbH,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), K. Lenaerts, J.-C. Bonichot, der Kammerpräsidentinnen R. Silva de Lapuerta und C. Toader sowie der Richter C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Schiemann, J. Malenovský, A. Arabadjiev und J.-J. Kasel,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Wall AG, vertreten durch Rechtsanwalt H.-J. Otto sowie durch Justiziare C. Friese und R. von zur Mühlen,

–        der Stadt Frankfurt am Main, vertreten durch Rechtsanwälte L. Horn und J. Sommer sowie Justiziar B. Weiß,

–        der Frankfurter Entsorgungs- und Service (FES) GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt H. Höfler,

–        der Deutsche Städte Medien (DSM) GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt F. Hausmann und Rechtsanwältin A. Mutschler-Siebert,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte,

–        der dänischen Regierung, vertreten durch B. Weis Fogh als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und Y. de Vries als Bevollmächtigte,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ossowski als Bevollmächtigten im Beistand von J. Coppel, Barrister,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Kukovec, B. Schima und C. Zadra als Bevollmächtigte,

–        der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch N. Fenger, B. Alterskjær und L. Armati als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Oktober 2009

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 12 EG, 43 EG und 49 EG, des Grundsatzes der Gleichbehandlung, des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und der daraus fließenden Transparenzpflicht im Zusammenhang mit der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Wall AG (im Folgenden: Wall) und der Stadt Frankfurt am Main (im Folgenden: Stadt Frankfurt) über die Vergabe einer Dienstleistungskonzession zum Betrieb und zur Instandhaltung bestimmter öffentlicher Toilettenanlagen im Gebiet dieser Stadt.

Rechtlicher Rahmen

3 Art. 2 der Richtlinie 80/723/EWG der Kommission vom 25. Juni 1980 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen (ABl. L 195, S. 35) in der durch die Richtlinie 2000/52/EG der Kommission vom 26. Juli 2000 (ABl. L 193, S. 75) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 80/723) bestimmt:

„(1) Im Sinne dieser Richtlinie sind:

b)      ‚öffentliches Unternehmen‘: jedes Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann;

(2)      Es wird vermutet, dass ein beherrschender Einfluss ausgeübt wird, wenn die öffentliche Hand unmittelbar oder mittelbar:

a)      die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt oder

b)      über die Mehrheit der mit den Anteilen des Unternehmens verbundenen Stimmrechte verfügt oder

c)      mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leistungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann.“

4 Nach Art. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) in der durch die Richtlinie 2001/78/EG der Kommission vom 13. September 2001 (ABl. L 285, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 92/50)

„b)      gelten als ‚öffentliche Auftraggeber‘ … der Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen bestehen.

Als ‚Einrichtung des öffentlichen Rechts‘ gilt jede Einrichtung,

–        die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, die nicht gewerblicher Art sind, und

–        die Rechtspersönlichkeit besitzt und

–        die überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird oder die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch letztere unterliegt oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind.

…“

5 Art. 17 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) sieht vor:

„Unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 3 gilt diese Richtlinie nicht für Dienstleistungskonzessionen gemäß Artikel 1 Absatz 4.“

6 Art. 80 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/18 lautet:

„Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens am 31. Januar 2006 nachzukommen. Sie unterrichten die Kommission unverzüglich davon.“

7 Art. 82 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18 bestimmt:

„Die Richtlinie 92/50/EWG, mit Ausnahme ihres Artikels 41, und die Richtlinien 93/36/EWG und 93/37/EWG werden unbeschadet der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Umsetzungs- und Anwendungsfristen in Anhang XI mit Wirkung ab dem in Artikel 80 genannten Datum aufgehoben.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

8 Wall bewirtschaftet Plakatflächen auf öffentlichen Straßen und Plätzen und unternimmt hierfür u. a. die Herstellung, Montage, Wartung und Reinigung von öffentlichen Toilettenanlagen.

9 Die Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (im Folgenden: FES) ist als Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine juristische Person des Privatrechts, deren satzungsgemäßer Gegenstand in der Abfallentsorgung, Abfallwirtschaft und Stadtreinigung sowie der Verkehrssicherung im öffentlichen und privaten Auftrag besteht. Die Stadt Frankfurt hält 51 % der Anteile an FES, die übrigen 49 % werden von einem privaten Unternehmen gehalten. Beschlüsse von FES werden durch deren Gesellschafterversammlung erlassen und bedürfen einer Stimmenmehrheit von drei Vierteln. Die Hälfte der 16 Aufsichtsratsmitglieder von FES wird von den Gesellschaftern benannt. Die Arbeitnehmer benennen acht und die beiden Gesellschafter jeweils vier Mitglieder. Die Stadt Frankfurt hat das Vorschlagsrecht für den Aufsichtsratsvorsitzenden, dessen Stimme bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt. FES beschäftigt rund 1 400 Mitarbeiter, von denen etwa 800 für die Stadt Frankfurt betreffende Tätigkeiten eingesetzt werden.

10 FES erzielt mit der Stadt Frankfurt einen Nettoumsatz in Höhe von 92 Mio. Euro und mit anderen Personen des Privat- und des öffentlichen Rechts in Höhe von 52 Mio. Euro. Von dem Nettoumsatz, den FES im Jahr 2005 mit der Stadt Frankfurt erwirtschaftete, entfielen 51,3 Mio. Euro auf die Abfallentsorgung und 36,2 Mio. Euro auf die Stadtreinigung.

11 Am 18. Dezember 2002 forderte die Stadt Frankfurt in ihrem Amtsblatt mit einer „freiwilligen EU-weiten Bekanntmachung“ zur Bewerbung um die Teilnahme an einem Wettbewerb für den Abschluss eines Dienstleistungskonzessionsvertrags zum Betrieb, zur Instandhaltung, zur Wartung und zur Reinigung von elf städtischen Toilettenanlagen für die Dauer von 16 Jahren auf. Von diesen elf Toilettenanlagen sollten zwei – Bahnhof Rödelheim und Galluswarte – neu errichtet werden. Die Gegenleistung für diese Leistungen sollte nur in der Berechtigung bestehen, eine Benutzungsgebühr zu erheben und während der Vertragslaufzeit Werbeflächen in und an den Toilettenanlagen sowie an anderen öffentlichen Flächen im Stadtgebiet von Frankfurt zu nutzen.

12 Am 4. Juli 2003 forderte die Stadt Frankfurt die interessierten Unternehmen zur Abgabe eines Angebots auf. Dieser Aufforderung zur Abgabe eines Angebots war der Entwurf eines Dienstleistungskonzessionsvertrags beigefügt, der in den §§ 18 Abs. 2 und 30 Abs. 4 vorsah, dass der Wechsel eines Nachunternehmers nur mit Zustimmung der Stadt Frankfurt gestattet sei.

13 Wall, FES und drei weitere ebenfalls in Deutschland ansässige Unternehmen gaben Angebote ab.

14 Der Vorlageentscheidung zufolge machte FES im Konzept zu ihrem Angebot folgende Angaben: „Vorwort[:] … Mit der Ausschreibung der Stadt Frankfurt besteht für die FES … die Möglichkeit, mit einem leistungsstarken und erfahrenen Partner, wie es [Wall] ist, sowohl die Substanz und das Versorgungsnetz der WC-Anlagen zu erneuern, als auch eine vor den Mitarbeitern verantwortungsbewusste realistische Refinanzierung darzustellen. … Galluswarte[:] … In Absprache mit den Behörden wird unter der S-Bahn-Brücke ein vollautomatisches City-WC [von Wall] integriert. … Bahnhof Rödelheim[:] Da die Toilette am Bahnhof Rödelheim im Zuge der Platzgestaltung abgerissen wird, wird entsprechend der vorgesehenen Planung ein vollautomatisches City-WC [von Wall] integriert. … Sicherheitskonzept[:] … [D]ie City-WC verfügen über eine vollautomatische Selbstreinigung. Konzepte zur Werbung[:] … Die Vermarktung der Werbeflächen erfolgt durch den Partner der FES, [Wall], als erfahrener und weltweit agierender Werbespezialist … Eingesetzte Werbeträger[:] Eingesetzt werden die ästhetisch modernen Produkte [von Wall]. …“

15 Wall ist Inhaberin verschiedener Patente auf die Funktionsweise der „City-WCs“.

16 Am 18. März 2004 wurde Wall vom Vergabeverfahren ausgeschlossen und ihr Angebot abgelehnt.

17 Am 9. Juni 2004 erhielt FES den Zuschlag für die Konzession. Am 20. und 22. Juli 2004 wurde zwischen der Stadt Frankfurt und FES ein entsprechender, bis zum 31. Dezember 2019 geltender Vertrag (im Folgenden: Konzessionsvertrag) geschlossen. Der Vorlageentscheidung zufolge wurden die endverhandelten Konzepte von FES als Vertragsbestandteil vereinbart. In ihren schriftlichen Erklärungen trägt die Stadt Frankfurt jedoch vor, dass die Angaben im Konzept von FES nicht zum Inhalt des Konzessionsvertrags gemacht worden seien. Nur die Benennung von Wall im Rahmen der Nachunternehmer von FES sei in den Vertrag einbezogen worden.

18 Aus dem Wortlaut des mit den Akten des nationalen Gerichts eingereichten Konzessionsvertrags geht hervor, dass Wall als Nachunternehmer bezeichnet wird, ohne dass weitere Einzelheiten über ihre Produkte oder Leistungen in diesen Vertrag übernommen worden sind.

19 § 18 Abs. 2 des Konzessionsvertrags sieht vor, dass FES die Leistungen zur Errichtung der öffentlichen Toilettenanlagen mit ihrem eigenen Betrieb und/oder mit Nachunternehmern, darunter Wall, erbringen werde. Nach dieser Bestimmung ist ein Wechsel des Nachunternehmers nur mit schriftlicher Zustimmung der Stadt Frankfurt gestattet.

20 Laut § 30 Abs. 4 des Konzessionsvertrags ist Wall der Unterauftragnehmer von FES für die von der fraglichen Konzession betroffenen Werbeleistungen. Nach dieser Bestimmung ist ein Wechsel des Unterauftragnehmers nur mit schriftlicher Zustimmung der Stadt Frankfurt zulässig.

21 Mit Schreiben vom 5. Januar 2005 wurde Wall von FES aufgefordert, ein Angebot für die Werbeleistungen abzugeben, die Gegenstand der FES erteilten Konzession waren. FES forderte außerdem die Deutsche Städte Medien GmbH (im Folgenden: DSM) zur Abgabe eines solchen Angebots auf.

22 Mit Schreiben vom 15. Juni 2005 bat FES daraufhin die Stadt Frankfurt, hinsichtlich der Nutzung der Werbeanlagen einem Austausch des Nachunternehmers zugunsten von DSM zuzustimmen. Die Stadt Frankfurt stimmte diesem Austausch des Nachunternehmers am 21. Juni 2005 zu.

23 FES teilte die genannten Leistungen DSM zu und schloss am 21. Juni 2005 mit dieser einen Vertrag, der die Zahlung einer jährlichen Vergütung in Höhe von 786 206 Euro von DSM an FES vorsah.

24 Mit Schreiben vom 28. Juli 2005 bat FES um ein Angebot für die Lieferung von zwei „Wall-City-WCs“. Wall legte ein Angebot vor, jedoch teilte ihr FES mit Schreiben vom 7. September 2005 mit, dass sie ein wirtschaftlicheres Angebot erhalten habe und deshalb ihr Angebot nicht berücksichtigen könne.

25 Mit Schreiben vom 10. Oktober 2005 ersuchte FES die Stadt Frankfurt um Zustimmung zu einem Wechsel der Nachunternehmerschaft gemäß dem Konzessionsvertrag mit dem Ziel eines Bezugs der fraglichen Toilettenanlagen von anderen Unternehmen als Wall.

26 Die Stadt Frankfurt antwortete FES mit Schreiben vom 19. Dezember 2005, dass sie sich nicht mit der Frage eines Nachunternehmerwechsels für die öffentlichen Toilettenanlagen befassen müsse, da sie FES dahin verstehe, dass diese die bauliche Leistung nunmehr mit dem eigenen Betrieb und in eigener Verantwortung erbringen wolle. Sie gehe überdies davon aus, dass die in den Vertragsunterlagen beschriebenen Standards gewährleistet würden.

27 Wall erhob beim vorlegenden Gericht Klage und beantragte, FES zu verurteilen, es zum einen zu unterlassen, den mit DSM geschlossenen Vertrag über Werbeleistungen zu vollziehen, und es zum anderen zu unterlassen, mit einem Dritten einen Vertrag über die Errichtung der beiden neu zu errichtenden Toilettenanlagen zu schließen und/oder einen solchen Vertrag zu vollziehen. Wall beantragte weiter, die Stadt Frankfurt zu verurteilen, es zu unterlassen, dem Abschluss eines Vertrags über die Errichtung dieser beiden öffentlichen Toilettenanlagen zwischen FES und einem anderen Vertragspartner als Wall zuzustimmen. Hilfsweise beantragte sie, die Stadt Frankfurt und FES als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr 1 038 682,18 Euro zuzüglich Zinsen zu zahlen.

28 Unter diesen Umständen hat das Landgericht Frankfurt am Main beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind der auch in den Art. 12 EG, 43 EG und 49 EG zum Ausdruck kommende Gleichbehandlungsgrundsatz und das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dahin auszulegen, dass die für öffentliche Stellen daraus abgeleiteten Transparenzpflichten, für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen einem angemessenen Grad von Öffentlichkeit den Wettbewerb zu öffnen und die Nachprüfbarkeit hinsichtlich einer unparteiischen Durchführung des Vergabeverfahrens zu ermöglichen (vgl. Urteile vom 7. Dezember 2000, Telaustria und Telefonadress, C-324/98, Slg. 2000, I-10745, Randnrn. 60 bis 62, vom 21. Juli 2005, Coname, C-231/03, Slg. 2005, I-7287, Randnrn. 17 bis 22, vom 13. Oktober 2005, Parking Brixen, C-458/03, Slg. 2005, I-8585, Randnrn. 46 bis 50, vom 6. April 2006, ANAV, C-410/04, Slg. 2006, I-3303, Randnr. 21, und vom 13. September 2007, Kommission/Italien, C-260/04, Slg. 2007, I-7083, Randnr. 24), es dem nationalen Recht gebieten, dem unterlegenen Wettbewerber einen Anspruch auf Unterlassung einer bevorstehenden Verletzung dieser Pflichten und/oder auf Unterlassung der Fortsetzung einer solchen Pflichtverletzung zu gewähren?

2.      Für den Fall einer Verneinung der Vorlagefrage Nr. 1: Gehören die vorgenannten Transparenzpflichten zum Gewohnheitsrecht der Europäischen Gemeinschaften in dem Sinne, dass sie bereits dauernd und ständig, gleichmäßig und allgemein angewandt und von den beteiligten Rechtsgenossen als verbindliche Norm anerkannt werden?

3.      Gebieten die unter Nr. 1 genannten Transparenzpflichten auch bei einer angestrebten Änderung eines Dienstleistungskonzessionsvertrags – einschließlich des Austauschs eines im Wettbewerb werbend herausgestellten Nachunternehmers –, die Verhandlungen hierüber erneut dem Wettbewerb mit einem angemessenen Grad an Öffentlichkeit zu eröffnen, bzw. nach welchen Maßgaben wäre eine solche Eröffnung geboten?

4.      Sind die in der Vorlagefrage Nr. 1 genannten Grundsätze und Transparenzpflichten dahin gehend auszulegen, dass bei Dienstleistungskonzessionen im Fall eines Pflichtverstoßes der infolge des Verstoßes geschlossene, auf die Begründung oder die Änderung eines Dauerschuldverhältnisses gerichtete Vertrag zu kündigen ist?

5.      Sind die in der Vorlagefrage Nr. 1 genannten Grundsätze und Transparenzpflichten und Art. 86 Abs. 1 EG gegebenenfalls unter Heranziehung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 der Richtlinie 80/723 und Art. 1 Abs. 9 der Richtlinie 2004/18 dahin gehend auszulegen, dass ein Unternehmen als öffentliches Unternehmen bzw. öffentlicher Auftraggeber diesen Transparenzpflichten unterliegt, wenn

–        es zum Zweck der Abfallentsorgung und Straßenreinigung von einer Gebietskörperschaft gegründet wurde, aber auch auf dem freien Markt tätig ist,

–        es dieser Körperschaft mit einem Anteil von 51 % gehört, aber Gesellschafterbeschlüsse nur mit einer Dreiviertelmehrheit gefasst werden können,

–        diese Körperschaft nur ein Viertel der Aufsichtsratsmitglieder des Unternehmens einschließlich des Aufsichtsratsvorsitzenden stellt und

–        es mehr als die Hälfte seiner Umsätze aus gegenseitigen Verträgen zur Abfallentsorgung und Straßenreinigung auf dem Gebiet dieser Körperschaft erzielt, wobei diese sich hierfür über kommunale Abgaben von ihren Bürgern refinanziert?

Zu den Vorlagefragen

Vorbemerkung

29 Das Ausgangsverfahren betrifft zwei Begebenheiten: zum einen die Entscheidung, mit der FES den Nachunternehmer für die Werbeleistungen ausgewechselt hat, die Gegenstand der ihr von der Stadt Frankfurt erteilten Konzession waren, wobei der Vertrag, mit dem dieser Wechsel vollzogen wurde, mit Zustimmung der Stadt Frankfurt am 21. Juni 2005 geschlossen wurde, und zum anderen die Absicht von FES, den Neubau zweier öffentlicher Toilettenanlagen einem anderen Wirtschaftsteilnehmer als Wall zuzuteilen. Diese Absicht wurde im Schreiben vom 10. Oktober 2005 bekundet, in dem FES die Stadt Frankfurt ersuchte, einem Wechsel des Nachunternehmers für diese Leistung zuzustimmen. Die Stadt Frankfurt antwortete FES mit Schreiben vom 19. Dezember 2005, dass sie sich nicht mit der Frage eines Nachunternehmerwechsels für die öffentlichen Toilettenanlagen befassen müsse, da sie FES dahin verstehe, dass sie die bauliche Leistung nunmehr mit dem eigenen Betrieb und in eigener Verantwortung erbringen wolle. Diese Antwort wird in der Vorlageentscheidung dahin ausgelegt, dass die Stadt Frankfurt dem Wechsel des Nachunternehmers für die Lieferung der beiden öffentlichen Toilettenanlagen zugestimmt hat. Mit Rücksicht auf diese Auslegung ist für die Prüfung des Vorabentscheidungsersuchens auf den Stichtag des 19. Dezember 2005 abzustellen, dem Datum des Schreibens, mit dem die Stadt Frankfurt dem von FES gewünschten Wechsel des Nachunternehmers zugestimmt haben soll.

Zur dritten Frage

30 Mit seiner dritten Frage, die zunächst zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die in den Art. 12 EG, 43 EG und 49 EG verankert sind, sowie die daraus fließende Transparenzpflicht es bei einer angestrebten Änderung eines Dienstleistungskonzessionsvertrags – einschließlich des Austauschs eines im Wettbewerb werbend herausgestellten Nachunternehmers – gebieten, die Verhandlungen hierüber erneut dem Wettbewerb mit einem angemessenen Grad an Öffentlichkeit zu eröffnen, und mit welchen Maßgaben eine solche Eröffnung gegebenenfalls zu erfolgen hätte.

31 Diese Frage betrifft die Anwendung der in der vorhergehenden Randnummer genannten Regeln und Grundsätze auf einen Fall, in dem im Rahmen der Durchführung eines Dienstleistungskonzessionvertrags beabsichtigt worden ist, einen der Nachunternehmer des Konzessionsnehmers zu ersetzen.

32 Da die Art. 43 EG und 49 EG besondere Anwendungsfälle des in Art. 12 EG niedergelegten allgemeinen Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstellen, bedarf es zur Beantwortung dieser Frage keiner Bezugnahme auf diesen Artikel (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. März 2001, Metallgesellschaft u. a., C-397/98 und C-410/98, Slg. 2001, I-1727, Randnrn. 38 und 39, und vom 17. Januar 2008, Lammers & Van Cleeff, C-105/07, Slg. 2008, I-173, Randnr. 14).

33 Beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts werden Dienstleistungskonzessionsverträge von keiner der Richtlinien erfasst, mit denen der Unionsgesetzgeber den Bereich des öffentlichen Auftragswesens geregelt hat (vgl. Urteile Coname, Randnr. 16, und vom 17. Juli 2008, ASM Brescia, C-347/06, Slg. 2008, I-5641, Randnr. 57). Die öffentlichen Stellen, die solche Verträge schließen, haben jedoch die Grundregeln des EG-Vertrags, insbesondere die Art. 43 EG und 49 EG, sowie die daraus fließende Transparenzpflicht zu beachten (vgl. in diesem Sinne Urteile Telaustria und Telefonadress, Randnrn. 60 bis 62, Coname, Randnrn. 16 bis 19, und Parking Brixen, Randnrn. 46 bis 49).

34 Diese Transparenzpflicht besteht in dem Fall, in dem ein Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die betreffende Dienstleistungskonzession erteilt wird, ansässig ist, an dieser interessiert sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Coname, Randnr. 17; vgl. entsprechend auch Urteile vom 13. November 2007, Kommission/Irland, C-507/03, Slg. 2007, I-9777, Randnr. 29, und vom 21. Februar 2008, Kommission/Italien, C-412/04, Slg. 2008, I-619, Randnr. 66).

35 Dass im Ausgangsverfahren auch Unternehmen an der Dienstleistungskonzession interessiert sein können, die in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland ansässig sind, ergibt sich insofern aus der Vorlageentscheidung, als das nationale Gericht darin feststellt, dass die Aufforderung zur Einreichung von Bewerbungen im Amtsblatt der Stadt Frankfurt „EU-weit“ bekannt gemacht worden sei, und als es die Ansicht vertritt, dass in einer Verletzung der Transparenzpflicht eine zumindest potenzielle Diskriminierung von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten liegen könne.

36 Die Transparenzpflicht, die den einen Dienstleistungskonzessionsvertrag schließenden öffentlichen Stellen obliegt, beinhaltet, dass zugunsten der potenziellen Bieter ein angemessener Grad von Öffentlichkeit sichergestellt werden muss, der die Dienstleistungskonzession dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden sind (vgl. Urteile Telaustria und Telefonadress, Randnrn. 60 bis 62, Parking Brixen, Randnrn. 46 bis 49, und ANAV, Randnr. 21).

37 Um die Transparenz der Verfahren und die Gleichbehandlung der Bieter sicherzustellen, könnten wesentliche Änderungen der wesentlichen Bestimmungen eines Dienstleistungskonzessionsvertrags in bestimmten Fällen die Vergabe eines neuen Konzessionsvertrags erfordern, wenn sie wesentlich andere Merkmale aufweisen als der ursprüngliche Konzessionsvertrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen lassen (vgl. entsprechend zu öffentlichen Aufträgen Urteile vom 5. Oktober 2000, Kommission/Frankreich, C-337/98, Slg. 2000, I-8377, Randnrn. 44 und 46, und vom 19. Juni 2008, pressetext Nachrichtenagentur, C-454/06, Slg. 2008, I-4401, Randnr. 34).

38 Die Änderung eines Dienstleistungskonzessionsvertrags während seiner Laufzeit kann als wesentlich angesehen werden, wenn sie Bedingungen einführt, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären (vgl. entsprechend Urteil pressetext Nachrichtenagentur, Randnr. 35).

39 Ein Wechsel des Nachunternehmers kann, auch wenn diese Möglichkeit im Vertrag vorgesehen ist, in Ausnahmefällen eine solche Änderung eines der wesentlichen Bestandteile des Konzessionsvertrags darstellen, wenn die Heranziehung eines Nachunternehmers anstelle eines anderen unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale der betreffenden Leistung ein ausschlaggebendes Element für den Abschluss des Vertrags war, was zu prüfen jedenfalls dem vorlegenden Gericht obliegt.

40 Das vorlegende Gericht bemerkt, FES habe in dem Konzept, das sie ihrem der Stadt Frankfurt vorgelegten Angebot beigefügt habe, angegeben, dass sie die „City-WCs“ von Wall einsetzen würde. Es spreche viel dafür, dass FES die Konzession erteilt worden sei, weil sie einen bestimmten Nachunternehmer präsentiert habe.

41 Es ist Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob die in den Randnrn. 37 bis 39 des vorliegenden Urteils beschriebenen Umstände tatsächlich vorliegen.

42 Sollte das vorlegende Gericht bei dieser Prüfung zu dem Ergebnis gelangen, dass eine Änderung eines der wesentlichen Bestandteile des Konzessionsvertrags vorliegt, müssten nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des betroffenen Mitgliedstaats alle zur Wiederherstellung der Transparenz des Verfahrens erforderlichen Maßnahmen, zu denen auch ein neues Vergabeverfahren gehört, gewährt werden. Gegebenenfalls muss das neue Vergabeverfahren nach Modalitäten durchgeführt werden, die den Besonderheiten der betreffenden Dienstleistungskonzession angepasst sind, und ermöglichen, dass ein im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässiges Unternehmen vor Vergabe der Konzession Zugang zu den diese betreffenden angemessenen Informationen erhält.

43 Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass dann, wenn Änderungen der Bestimmungen eines Dienstleistungskonzessionsvertrags wesentlich andere Merkmale als die, welche die Vergabe des ursprünglichen Konzessionsvertrags gerechtfertigt haben, aufweisen und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen lassen, alle zur Wiederherstellung der Transparenz des Verfahrens erforderlichen Maßnahmen, zu denen auch ein neues Vergabeverfahren gehört, nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des betroffenen Mitgliedstaats gewährt werden müssen. Gegebenenfalls muss das neue Vergabeverfahren nach Modalitäten durchgeführt werden, die den Besonderheiten der betreffenden Dienstleistungskonzession angepasst sind, und ermöglichen, dass ein im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässiges Unternehmen vor Vergabe der Konzession Zugang zu den diese betreffenden angemessenen Informationen erhält.

Zur fünften Frage

44 Mit seiner fünften Frage, die als Zweites zu behandeln ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob nach Art. 86 Abs. 1 EG, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 der Richtlinie 80/723 sowie Art. 1 Abs. 9 der Richtlinie 2004/18, ein konzessioniertes Unternehmen, das Merkmale wie FES aufweist, der Transparenzpflicht aus den Art. 43 EG und 49 EG sowie aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit unterliegt, wenn es einen Vertrag über Dienstleistungen schließt, die vom Geltungsbereich der ihm von der öffentlichen Stelle erteilten Konzession erfasst werden.

45 Das vorlegende Gericht möchte insbesondere wissen, ob für die Bestimmung des Geltungsbereichs dieser Transparenzpflicht Art. 86 Abs. 1 EG maßgeblich ist.

46 Zu Art. 86 Abs. 1 EG genügt der Hinweis, dass diese Bestimmung an die Mitgliedstaaten und nicht unmittelbar an Unternehmen gerichtet ist.

47 Bei der Feststellung, ob ein Rechtsträger, der Merkmale wie die von FES aufweist, einer der Transparenzpflicht unterliegenden öffentlichen Stelle gleichzustellen ist, sind bestimmte Elemente der Definition des Begriffs „öffentliche Auftraggeber“ in Art. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/50 betreffend öffentliche Dienstleistungsaufträge heranzuziehen, soweit diese Elemente den Anforderungen entsprechen, die durch die Anwendung der Transparenzpflicht aus den Art. 43 EG und 49 EG auf Dienstleistungskonzessionen bedingt sind.

48 Die letztgenannten Artikel, der Grundsatz der Gleichbehandlung, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und die daraus fließende Transparenzpflicht verfolgen nämlich gleiche Ziele wie die Richtlinie 92/50, die insbesondere auf den freien Dienstleistungsverkehr und die Eröffnung eines unverfälschten Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten gerichtet sind.

49 Demnach ist zu prüfen, ob zwei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich zum einen, ob das betreffende Unternehmen unter tatsächlicher Kontrolle des Staates oder einer anderen öffentlichen Stelle steht, und zum anderen, ob es auf dem Markt nicht im Wettbewerb steht.

50 Was die erste dieser beiden Voraussetzungen angeht, ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass die Stadt Frankfurt zwar 51 % des Kapitals von FES hält, eine solche Beteiligung es ihr jedoch nicht ermöglicht, die Geschäftsführung dieses Unternehmens tatsächlich zu kontrollieren. Für das Zustandekommen von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung ist nämlich eine Mehrheit von drei Vierteln ihrer Stimmen erforderlich.

51 Außerdem werden die verbleibenden 49 % des Kapitals von FES nicht von einer oder mehreren anderen öffentlichen Stellen gehalten, sondern von einem privaten Unternehmen, für das als solches mit privaten Interessen zusammenhängende Überlegungen bestimmend sind und das andere als im öffentlichen Interesse liegende Ziele verfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2005, Stadt Halle und RPL Lochau, C-26/03, Slg. 2005, I-1, Randnr. 50).

52 Zudem verfügt die Stadt Frankfurt im Aufsichtsrat von FES nur über ein Viertel der Stimmen. Dass sie das Vorschlagsrecht für den Aufsichtsratsvorsitzenden hat, dessen Stimme bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt, genügt für die Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf FES nicht.

53 Unter diesen Umständen ist die Voraussetzung betreffend die tatsächliche Kontrolle des Staates oder einer anderen öffentlichen Stelle nicht erfüllt.

54 Hinsichtlich der zweiten in Randnr. 49 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen führt das vorlegende Gericht aus, FES erziele mehr als die Hälfte ihrer Umsätze aus gegenseitigen Verträgen über die Abfallentsorgung und Straßenreinigung im Stadtgebiet von Frankfurt.

55 Ein solcher Tatbestand ist demjenigen gleichzustellen, wie er bei normalen Geschäftsbeziehungen besteht, die im Rahmen von gegenseitigen Verträgen entstehen, die von den Vertragspartnern frei ausgehandelt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2000, University of Cambridge, C-380/98, Slg. 2000, I-8035, Randnr. 25).

56 Der Vorlageentscheidung ist im Übrigen zu entnehmen, dass FES bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten auf dem Markt im Wettbewerb steht, wie sich zum einen daraus ergibt, dass sie einen erheblichen Teil ihrer Einkünfte aus Tätigkeiten mit anderen öffentlichen Stellen als der Stadt Frankfurt sowie mit auf dem Markt tätigen privaten Unternehmen erzielt, und zum anderen daraus, dass sie zur Erlangung der im Ausgangsverfahren streitigen Konzession dem Wettbewerb mit anderen Unternehmen unterworfen wurde.

57 Somit ist auch die zweite Voraussetzung für die Gleichstellung eines Unternehmens mit einer öffentlichen Stelle nicht erfüllt.

58 Das vorlegende Gericht befragt den Gerichtshof des Weiteren zur möglichen Anwendbarkeit der Richtlinie 80/723.

59 Da diese Richtlinie die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen betrifft, ist sie als solche in dem Bereich, auf den sich die fünfte Frage bezieht, nicht anwendbar.

60 Mithin ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass dann, wenn ein konzessioniertes Unternehmen einen Vertrag über Dienstleistungen schließt, die vom Geltungsbereich der ihm von einer Gebietskörperschaft erteilten Konzession erfasst werden, die aus den Art. 43 EG und 49 EG sowie dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit fließende Transparenzpflicht nicht besteht, sofern dieses Unternehmen

–        von dieser Gebietskörperschaft zum Zweck der Abfallentsorgung und Stadtreinigung gegründet wurde, aber auch auf dem Markt tätig ist,

–        zu 51 % dieser Gebietskörperschaft gehört, Gesellschafterbeschlüsse jedoch nur mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen seiner Gesellschafterversammlung gefasst werden können,

–        einen Aufsichtsrat hat, dessen Mitglieder einschließlich seines Vorsitzenden nur zu einem Viertel von dieser Gebietskörperschaft bestellt werden, und

–        mehr als die Hälfte seiner Umsätze aus gegenseitigen Verträgen über die Abfallentsorgung und Straßenreinigung im Gebiet dieser Körperschaft erzielt, wobei sich diese hierfür über kommunale Abgaben ihrer Bürger refinanziert.

Zur ersten, zur zweiten und zur vierten Frage

61 Mit der ersten, der zweiten und der vierten Frage des vorlegenden Gerichts, die zusammen zu prüfen sind, soll im Wesentlichen geklärt werden, ob der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die in den Art. 43 EG und 49 EG verankert sind, sowie die daraus fließende Transparenzpflicht zum einen die nationalen Behörden verpflichten, einen unter Verstoß gegen diese Transparenzpflicht geschlossenen Vertrag zu kündigen, und zum anderen die nationalen Gerichte verpflichten, dem unterlegenen Bieter einen Anspruch auf Unterlassung einer unmittelbar bevorstehenden Verletzung dieser Pflicht oder auf Einstellung einer schon eingetretenen Verletzung zu gewähren. Das nationale Gericht möchte weiter wissen, ob diese Transparenzpflicht als zum Gewohnheitsrecht der Union gehörend anzusehen ist.

62 Wie in Randnr. 33 des vorliegenden Urteils hervorgehoben worden ist, werden Dienstleistungskonzessionsverträge beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts von keiner der den Bereich des öffentlichen Auftragswesens regelnden Richtlinien erfasst.

63 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es in Ermangelung einer Unionsregelung Sache des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die Rechtsschutzmöglichkeiten zu bestimmen, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2007, Unibet, C-432/05, Slg. 2007, I-2271, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64 Diese Rechtsschutzmöglichkeiten dürfen nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die entsprechenden innerstaatlichen Rechtsschutzmöglichkeiten (Grundsatz der Gleichwertigkeit) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (vgl. in diesem Sinne Urteil Unibet, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65 Daraus folgt, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die in den Art. 43 EG und 49 EG verankert sind, sowie die daraus fließende Transparenzpflicht nicht in allen Fällen, in denen behauptet wird, dass diese Pflicht bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen verletzt worden sei, die nationalen Behörden zur Kündigung eines Vertrags und die nationalen Gerichte zu einer Unterlassungsanordnung verpflichten. Es ist Sache des innerstaatlichen Rechts, die Rechtsschutzmöglichkeiten, die den Schutz der dem Bürger aus dieser Pflicht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, so zu regeln, dass sie nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechenden innerstaatlichen Rechtsschutzmöglichkeiten und die Ausübung dieser Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

66 Schließlich wirft das vorlegende Gericht eine weitere Frage auf. Seiner Ansicht nach kann dem lediglich im Wege der Rechtsfortbildung gewonnenen Richterrecht kein Schutzgesetz zur Begründung einer Haftung nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) entnommen werden. Allein das Gewohnheitsrecht habe im Sinne des BGB Rechtsnormqualität. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vertritt das vorlegende Gericht die Ansicht, die Begründung von Gewohnheitsrecht setze eine längere Übung voraus, die dauernd und ständig, gleichmäßig und allgemein sei und von den beteiligten Rechtsgenossen als verbindliche Norm anerkannt werde.

67 Die in den Urteilen des Gerichtshofs formulierte Transparenzpflicht sei jedoch so jungen Datums, dass daraus kein Gewohnheitsrecht abgeleitet werden könne, wie es in der vorhergehenden Randnummer definiert worden sei.

68 Dazu ist festzustellen, dass sich die Transparenzpflicht aus dem Unionsrecht, insbesondere aus den Art. 43 EG und 49 EG, ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil Coname, Randnrn. 17 bis 19). Diese Bestimmungen, deren Beachtung der Gerichtshof sicherstellt, haben im innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung und gehen jeder entgegenstehenden Bestimmung des nationalen Rechts vor.

69 Namentlich nach Art. 4 Abs. 3 EUV ist es Aufgabe aller Behörden der Mitgliedstaaten, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten die Einhaltung des Unionsrechts zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Februar 2008, Kempter, C-2/06, Slg. 2008, I-411, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70 Das nationale Gericht muss das innerstaatliche Recht, das es anzuwenden hat, so weit wie möglich in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Unionsrechts auslegen, und zwar so, dass insbesondere die Beachtung der Transparenzpflicht sichergestellt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2003, Santex, C-327/00, Slg. 2003, I-1877, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71 Mithin ist auf die erste, die zweite und die vierte Frage zu antworten, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die in den Art. 43 EG und 49 EG verankert sind, sowie die daraus fließende Transparenzpflicht nicht in allen Fällen, in denen behauptet wird, dass diese Pflicht bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen verletzt worden sei, die nationalen Behörden zur Kündigung eines Vertrags und die nationalen Gerichte zu einer Unterlassungsanordnung verpflichten. Es ist Sache des innerstaatlichen Rechts, die Rechtsschutzmöglichkeiten, die den Schutz der dem Bürger aus dieser Pflicht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, so zu regeln, dass sie nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechenden innerstaatlichen Rechtsschutzmöglichkeiten und die Ausübung dieser Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Die Transparenzpflicht ergibt sich unmittelbar aus den Art. 43 EG und 49 EG, die in den innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung haben und jeder entgegenstehenden Bestimmung der nationalen Rechtsordnungen vorgehen.

Kosten

72 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Weisen Änderungen der Bestimmungen eines Dienstleistungskonzessionsvertrags wesentlich andere Merkmale auf als die, welche die Vergabe des ursprünglichen Konzessionsvertrags gerechtfertigt haben, und lassen damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen, müssen alle zur Wiederherstellung der Transparenz des Verfahrens erforderlichen Maßnahmen, zu denen auch ein neues Vergabeverfahren gehört, nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des betroffenen Mitgliedstaats gewährt werden. Gegebenenfalls muss das neue Vergabeverfahren nach Modalitäten durchgeführt werden, die den Besonderheiten der betreffenden Dienstleistungskonzession angepasst sind, und ermöglichen, dass ein im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässiges Unternehmen vor Vergabe der Konzession Zugang zu den diese betreffenden angemessenen Informationen erhält.

2.      Schließt ein konzessioniertes Unternehmen einen Vertrag über Dienstleistungen, die vom Geltungsbereich der ihm von einer Gebietskörperschaft erteilten Konzession erfasst werden, besteht die aus den Art. 43 EG und 49 EG sowie dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit fließende Transparenzpflicht nicht, sofern dieses Unternehmen

–        von dieser Gebietskörperschaft zum Zweck der Abfallentsorgung und Stadtreinigung gegründet wurde, aber auch auf dem Markt tätig ist,

–        zu 51 % dieser Gebietskörperschaft gehört, Gesellschafterbeschlüsse jedoch nur mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen seiner Gesellschafterversammlung gefasst werden können,

–        einen Aufsichtsrat hat, dessen Mitglieder einschließlich seines Vorsitzenden nur zu einem Viertel von dieser Gebietskörperschaft bestellt werden, und

–        mehr als die Hälfte seiner Umsätze aus gegenseitigen Verträgen über die Abfallentsorgung und Straßenreinigung im Gebiet dieser Körperschaft erzielt, wobei sich diese hierfür über kommunale Abgaben ihrer Bürger refinanziert.

3.      Der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die in den Art. 43 EG und 49 EG verankert sind, sowie die daraus fließende Transparenzpflicht verpflichten nicht in allen Fällen, in denen behauptet wird, dass diese Pflicht bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen verletzt worden sei, die nationalen Behörden zur Kündigung eines Vertrags und die nationalen Gerichte zu einer Unterlassungsanordnung. Es ist Sache des innerstaatlichen Rechts, die Rechtsschutzmöglichkeiten, die den Schutz der dem Bürger aus dieser Pflicht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, so zu regeln, dass sie nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechenden innerstaatlichen Rechtsschutzmöglichkeiten und die Ausübung dieser Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Die Transparenzpflicht ergibt sich unmittelbar aus den Art. 43 EG und 49 EG, die in den innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung haben und jeder entgegenstehenden Bestimmung der nationalen Rechtsordnungen vorgehen.

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