EuGH: Zur Zulässigkeit der freihändigen Vergabe einer Dienstleistung an eine gemischt öffentlich-private Kapitalgesellschaft

EuGH: Zur Zulässigkeit der freihändigen Vergabe einer Dienstleistung an eine gemischt öffentlich-private Kapitalgesellschaft

EuGH: Zur Zulässigkeit der freihändigen Vergabe einer Dienstleistung an eine gemischt öffentlich-private Kapitalgesellschaft 150 150 Dr. Andreas Bock (kbk Rechtsanwälte)

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
15. Oktober 2009(*)

„Art. 43 EG, 49 EG und 86 EG – Vergabe öffentlicher Aufträge – Vergabe der Wasserversorgung an eine gemischtwirtschaftliche Gesellschaft – Transparentes öffentliches Verfahren – Bestimmung des privaten Partners, dem die Erbringung der Dienstleistung obliegt – Vergabe außerhalb der Bestimmungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge“

In der Rechtssache C-196/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale della Sicilia (Italien) mit Entscheidung vom 13. März 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Mai 2008, in dem Verfahren

Acoset SpA
gegen
Conferenza Sindaci e Presidenza Prov. Reg. ATO Idrico Ragusa,
Provincia Regionale di Ragusa,
Comune di Acate (RG),
Comune di Chiaramonte Gulfi (RG),
Comune di Comiso (RG),
Comune di Giarratana (RG),
Comune di Ispica (RG),
Comune di Modica (RG),
Comune di Monterosso Almo (RG),
Comune di Pozzallo (RG),
Comune di Ragusa,
Comune di Santa Croce Camerina (RG),
Comune di Scicli (RG),
Comune di Vittoria (RG),

Beteiligte:
Saceccav Depurazioni Sacede SpA,
erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin P. Lindh sowie der Richter A. Rosas, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. April 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Acoset SpA, vertreten durch A. Scuderi und G. Bonaventura, avvocati,
– der Conferenza Sindaci e Presidenza Prov. Reg. ATO Idrico Ragusa u. a., vertreten durch N. Gentile, avvocato,
– der Comune di Vittoria (RG), vertreten durch A. Bruno und C. Giurdanella, avvocati,
– der italienischen Regierung, vertreten durch R. Adam als Bevollmächtigten im Beistand von G. Fiengo, avvocato dello Stato,
– der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,
– der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Zadra und D. Kukovec als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Juni 2009

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 43 EG, 49 EG und 86 EG.
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Acoset SpA (im Folgenden: Acoset) und der Conferenza Sindaci e Presidenza Prov. Reg. Ragusa (Konferenz der Bürgermeister und des Präsidenten der Regionalprovinz Ragusa, im Folgenden: Conferenza) u. a. über die von der Conferenza angeordnete Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens zur Auswahl des privaten Minderheitsgesellschafters der gemischt öffentlich-privaten Gesellschaft, an die der integrierte Wasserversorgungsdienst (servizio idrico integrato) in der Provinz Ragusa freihändig vergeben werden sollte.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Richtlinie 2004/18
3 Art. 1 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) bestimmt:
„…
(2) a) ‚Öffentliche Aufträge‘ sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie.

d) ‚Öffentliche Dienstleistungsaufträge‘ sind öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II, die keine öffentlichen Bau- oder Lieferaufträge sind.

(4) ‚Dienstleistungskonzessionen‘ sind Verträge, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.
…“
4 Art. 3 der Richtlinie 2004/18 lautet:
„Wenn ein öffentlicher Auftraggeber einer Einrichtung, die kein öffentlicher Auftraggeber ist, besondere oder ausschließliche Rechte zur Ausführung einer Tätigkeit des öffentlichen Dienstleistungsbereichs zuerkennt, muss in dem Rechtsakt über die Zuerkennung dieses Rechts bestimmt sein, dass die betreffende Einrichtung bei der Vergabe von Lieferaufträgen an Dritte im Rahmen dieser Tätigkeit den Grundsatz der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit beachten muss.“
5 Art. 7 der Richtlinie 2004/18 sieht vor:
„Diese Richtlinie gilt für die Vergabe öffentlicher Aufträge, … deren geschätzter Wert netto ohne Mehrwertsteuer (MwSt) die folgenden Schwellenwerte erreicht oder überschreitet:

b) 249 000 EUR
– bei öffentlichen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen, die von anderen als den in Anhang IV genannten öffentlichen Auftraggebern vergeben werden;
…“
6 Durch die Verordnung (EG) Nr. 2083/2005 der Kommission vom 19. Dezember 2005 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für die Anwendung auf Verfahren zur Auftragsvergabe (ABl. L 333, S. 28) wurde Art. 7 Buchst. b der Richtlinie 2004/18 in seiner durch die Verordnung (EG) Nr. 1874/2004 der Kommission vom 28. Oktober 2004 (ABl. L 326, S. 17) geänderten Fassung in der Weise geändert, dass der Betrag 236 000 Euro für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 1. Januar 2007 durch 211 000 Euro ersetzt wurde.
7 Durch Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1422/2007 der Kommission vom 4. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren (ABl. L 317, S. 34) wurde dieser Betrag mit Wirkung vom 1. Januar 2008 durch 206 000 Euro ersetzt.
8 Art. 17 der Richtlinie 2004/18 bestimmt:
„Unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 3 gilt diese Richtlinie nicht für Dienstleistungskonzessionen gemäß Artikel 1 Absatz 4.“
9 Art. 21 der Richtlinie 2004/18 sieht vor:
„Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B unterliegen nur Artikel 23 und Artikel 35 Absatz 4.“
10 Anhang II Teil B Kategorie 27 der Richtlinie 2004/18 erfasst „Sonstige Dienstleistungen“ mit Ausnahme von Arbeitsverträgen und Aufträgen über Erwerb, Entwicklung, Produktion oder Koproduktion von Programmen durch Sendeunternehmen und Verträgen über Sendezeit.

Richtlinie 2004/17

11 Art. 1 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energieund Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. L 134, S. 1) sieht vor:
„(2) …
b) ‚Bauaufträge‘ sind Aufträge über entweder die Ausführung oder gleichzeitig die Planung und die Ausführung von Bauvorhaben im Zusammenhang mit einer der in Anhang XII genannten Tätigkeiten oder eines Bauwerks oder die Erbringung einer Bauleistung durch Dritte, gleichgültig mit welchen Mitteln, gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen. Ein ‚Bauwerk‘ ist das Ergebnis einer Gesamtheit von Tief- oder Hochbauarbeiten, das seinem Wesen nach eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll.
c) ‚Lieferaufträge‘ sind andere Aufträge als die unter Buchstabe b) genannten; sie betreffen den Kauf, das Leasing, die Miete, die Pacht oder den Ratenkauf, mit oder ohne Kaufoption, von Waren.
Ein Auftrag über die Lieferung von Waren, der das Verlegen und Anbringen lediglich als Nebenarbeiten umfasst, gilt als ‚Lieferauftrag‘;
d) ‚Dienstleistungsaufträge‘ sind Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang XVII, die keine Bau- oder Lieferaufträge sind.
Ein Auftrag, der sowohl Waren als auch Dienstleistungen im Sinne von Anhang XVII umfasst, gilt als ‚Dienstleistungsauftrag‘, wenn der Wert der betreffenden Dienstleistungen den Wert der in den Auftrag einbezogenen Waren übersteigt.
Ein Auftrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang XVII, der Tätigkeiten im Sinne von Anhang XII lediglich als Nebenarbeiten im Verhältnis zum Hauptauftragsgegenstand umfasst, gilt als Dienstleistungsauftrag.
(3) a) ‚Baukonzession‘ ist ein Vertrag, der von einem Bauauftrag nur insoweit abweicht, als die Gegenleistung für die Bauleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung des Bauwerks oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht;
b) ‚Dienstleistungskonzession‘ ist ein Vertrag, der von einem [Dienstleistungsauftrag] nur insoweit abweicht, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.“
12 Art. 4 der Richtlinie 2004/17 sieht vor:
„(1) Unter diese Richtlinie fallen folgende Tätigkeiten:
a) die Bereitstellung und das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Gewinnung, der Fortleitung und der Abgabe von Trinkwasser,
b) die Einspeisung von Trinkwasser in diese Netze.
…“
13 Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/17 sieht vor:
„Für einen Auftrag zur Durchführung mehrerer Tätigkeiten gelten die Vorschriften für die Tätigkeit, die den Hauptgegenstand darstellt.
Die Wahl zwischen der Vergabe eines einzigen Auftrags und der Vergabe mehrerer getrennter Aufträge darf jedoch nicht mit der Zielsetzung erfolgen, die Anwendung dieser Richtlinie oder gegebenenfalls der Richtlinie 2004/18/EG zu umgehen.“

14 Art. 18 der Richtlinie 2004/17 bestimmt:
„Diese Richtlinie gilt nicht für die Bau- oder Dienstleistungskonzessionen, die von Auftraggebern, die eine oder mehrere Tätigkeiten gemäß den Artikeln 3 bis 7 ausüben, zum Zwecke der Durchführung dieser Tätigkeiten vergeben werden.“

Nationales Recht

15 Das Decreto legislativo Nr. 267, Testo unico delle leggi sull’ordinamento degli enti locali (Testo unico der Bestimmungen über die Gebietskörperschaften), vom 18. August 2000 (GURI Nr. 227 vom 28. September 2000, Supplemento ordinario) in der durch das Decreto-legge Nr. 269 recante disposizioni urgenti per favorire lo sviluppo e per la correzione dell’andamento dei conti pubblici (Decreto-legge mit Eilbestimmungen zur Entwicklungsförderung und zur Funktionsverbesserung der öffentlichen Haushalte) vom 30. September 2003 (GURI Nr. 229 vom 2. Oktober 2003, Supplemento ordinario) geänderten Fassung, das durch das Gesetz Nr. 326 vom 24. November 2003 (GURI Nr. 274 vom 25. November 2003, Supplemento ordinario) nach Änderung in ein Gesetz umgewandelt wurde (im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 267/2000), bestimmt in Art. 113 Abs. 5:
„Die Erbringung [einer lokalen öffentlichen Dienstleistung durch eine Gebietskörperschaft] erfolgt nach den Regelungen des betreffenden Sektors unter Beachtung des Rechts der Europäischen Union, wobei die Dienstleistung vergeben wird
a) an Kapitalgesellschaften, die durch öffentliche Ausschreibungsverfahren bestimmt werden;
b) an gemischt öffentlich-private Kapitalgesellschaften, bei denen der private Gesellschafter durch öffentliche Ausschreibungsverfahren ausgewählt worden ist, die die Einhaltung der innerstaatlichen und der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsvorschriften nach Richtlinien gewährleistet haben, die von den zuständigen Behörden durch spezifische Maßnahmen oder Rundschreiben erlassen worden sind;
c) an Gesellschaften mit vollständig öffentlichem Kapital unter der Voraussetzung, dass die öffentliche Körperschaft oder die öffentlichen Körperschaften, die das Gesellschaftskapital halten, über die Gesellschaft eine Kontrolle wie über ihre eigenen Dienststellen ausüben und dass die Gesellschaft ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit der öffentlichen Körperschaft oder den öffentlichen Körperschaften, die sie kontrollieren, verrichtet.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

16 Am 10. Juli 2002 schlossen die Provincia Regionale di Ragusa (Regionalprovinz Ragusa) und die ostsizilianischen Gemeinden ein Kooperationsabkommen, durch das der Ambito Territoriale Ottimale (optimaler räumlicher Bereich, im Folgenden: ATO) idrico di Ragusa (für die Wasserversorgung von Ragusa) geschaffen wurde, der als lokale Behörde für den integrierten Wasserversorgungsdienst von Ragusa zuständig ist.
17 Am 26. März 2004 beschloss die Conferenza, das Verwaltungsorgan des ATO, diesen Dienst in der Form einer „società mista a prevalente capitale pubblico“ (gemischtwirtschaftliche Gesellschaft mit überwiegend öffentlichem Kapital) im Sinne des Art. 113 Abs. 5 Buchst. b des Decreto legislativo Nr. 267/2000 zu verwalten.
18 Am 7. Juni 2005 genehmigte die Conferenza die Entwürfe für den Gründungsakt der zu gründenden Aktiengesellschaft (società per azioni) und deren Satzung sowie den Entwurf für das Abkommen über die Verwaltung des genannten Dienstes, nach dessen Art. 1 die zu gründende gemischtwirtschaftliche Gesellschaft (Verwalterin des integrierten Wasserversorgungsdienstes) im Rahmen eines Exklusivverhältnisses unmittelbar mit der Dienstleistung betraut werden sollte.
19 In der Folge wurde u. a. im Amtsblatt der Europäischen Union vom 8. Oktober 2005 (ABl. S 195) eine Ausschreibungsbekanntmachung veröffentlicht, um einen Unternehmer als privaten Minderheitsgesellschafter auszuwählen, der mit der operativen Tätigkeit des integrierten Wasserversorgungsdienstes und der Durchführung der mit der Verwaltung dieses Dienstes im Exklusivverhältnis verbundenen Arbeiten, darunter die in dem am 15. Dezember 2003 von der Bürgermeisterversammlung genehmigten Dreijahresplan (Piano operativo triennale) vorgesehenen Arbeiten, betraut werden sollte.
20 In Art. 1 Punkt 8 der Ausschreibungsspezifikation war vorgesehen, dass „es sich bei den durchzuführenden Arbeiten um jene handelt, die im Dreijahresplan, in der durch das Angebot geänderten und/oder ergänzten Fassung, sowie in dem darauf folgenden im Piano d’Ambito [Bewirtschaftungsplan] vorgesehenen informativen Entwurf aufgeführt sind“, und dass „für die Vergabe der nicht unmittelbar vom privaten Gesellschafter durchgeführten Arbeiten auf die gesetzlich vorgesehenen transparenten öffentlichen Verfahren zurückzugreifen sein wird“.
21 An der Ausschreibung beteiligten sich drei Unternehmensgruppen, die jeweils von der Saceccav Depurazioni Sacede SpA, Acoset und der Aqualia SpA angeführt wurden. Der Vergabeausschuss schloss Aqualia aus und ließ die beiden anderen zu. Diese wurden anschließend von der für das Verfahren zuständigen Stelle aufgefordert, zu erklären, ob sie weiterhin interessiert seien. Darauf antwortete nur Acoset, dass dies der Fall sei.
22 Weiter geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Conferenza fürchtete, das durchgeführte Verfahren könnte wegen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht rechtswidrig sein, und deshalb in der Sitzung vom 26. Februar 2007 beschloss, das Verfahren zur Auswahl von Acoset aufzuheben, statt den Auftrag zu vergeben und die gemischte Verwaltungsgesellschaft zu gründen, um sofort mit der Erbringung der Dienstleistung zu beginnen und in den Genuss der Gemeinschaftsmittel zu gelangen. Die Segreteria Tecnico Operativa des ATO teilte Acoset daher mit Schreiben vom 28. Februar 2007 die Einleitung des Aufhebungsverfahrens mit; Acoset übermittelte mit Schreiben vom 26. März 2007 ihr Gegenvorbringen.
23 Am 2. Oktober 2007 sprach sich die Conferenza für die Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens aus und bestimmte, dass der integrierte Wasserversorgungsdienst von Ragusa in der Form eines Konsortiums verwaltet werden solle. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2007 wurde Acoset die Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens mitgeteilt.
24 Im Ausgangsverfahren ficht Acoset die Entscheidung vom 2. Oktober 2007 und die damit verbundenen Handlungen an und macht einen Anspruch auf Schadensersatz in Form der Erteilung des Auftrags sowie durch äquivalenten Ausgleich des durch die angefochtenen Handlungen entstandenen Schadens geltend. Außerdem beantragt Acoset eine einstweilige Anordnung, die angefochtenen Maßnahmen auszusetzen.
25 Nach Auffassung von Acoset ist die freihändige Vergabe der Verwaltung von lokalen öffentlichen Diensten nach Art. 113 Abs. 5 Buchst. b des Decreto legislativo Nr. 267/2000 an gemischt öffentlichprivate Gesellschaften, bei denen der private Gesellschafter durch öffentliche Ausschreibungsverfahren unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsvorschriften bestimmt worden ist, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.
26 Die Beklagten des Ausgangsverfahrens meinen dagegen, nach dem Gemeinschaftsrecht sei eine solche freihändige Vergabe von Bau- und Dienstleistungsaufträgen ohne Ausschreibung nur an Gesellschaften mit 100%iger öffentlicher Beteiligung zulässig, die ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften verrichteten, die sie kontrollierten, und über die diese eine ähnliche Kontrolle ausübten wie über ihre eigenen Dienststellen. Eine – auch minderheitliche – Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt sei, schließe es auf jeden Fall aus, dass der öffentliche Auftraggeber über die Gesellschaft eine ähnliche Kontrolle ausüben könne wie über seine eigenen Dienststellen (vgl. u. a. Urteil vom 11. Januar 2005, Stadt Halle und RPL Lochau, C-26/03, Slg. 2005, I-1).
27 Nach Ansicht des Tribunale amministrativo regionale della Sicilia ist die von Acoset aufgeworfene Frage, ob die freihändige Vergabe des in Rede stehenden Auftrags mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang steht, erheblich; die Antwort auf diese Frage lasse sich nicht eindeutig aus der Gemeinschaftsrechtsprechung herleiten.
28 Das Tribunale amministrativo regionale della Sicilia hat daher das Verfahren über die im Ausgangsverfahren beantragte Aussetzung des Vollzugs ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist das Modell einer eigens für die Durchführung einer bestimmten öffentlichen Dienstleistung von gewerblicher Bedeutung und ausschließlich mit diesem Gesellschaftszweck geschaffenen gemischt öffentlich-privaten Gesellschaft, die unmittelbar mit der fraglichen Dienstleistung beauftragt wird und bei der der private „gewerbliche“ und „operative“ Gesellschafter mittels eines transparenten öffentlichen Verfahrens ausgewählt wird, nachdem sowohl die finanziellen und technischen als auch die gerade die durchzuführende Dienstleistung und die zu erbringenden spezifischen Leistungen betreffenden operativen und verwaltungstechnischen Anforderungen überprüft worden sind, mit dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere mit den Verpflichtungen hinsichtlich der Transparenz und des freien Wettbewerbs gemäß den Art. 43 EG, 49 EG und 86 EG vereinbar?

Zur Zulässigkeit

29 Die österreichische Regierung ist der Auffassung, dass das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig zu erklären sei, weil aus der Vorlageentscheidung der tatsächliche und rechtliche Hintergrund des Ausgangsverfahrens nicht in einer Weise ersichtlich sei, die dem Gerichtshof eine sachdienliche Beantwortung der Vorlagefrage ermöglichen würde. Es fehlten insbesondere Informationen über die Eigenart der in Rede stehenden Leistung(en), über den Inhalt der Ausschreibung und des Vergabeverfahrens sowie über bestimmte in der Vorlagefrage verwendete Begriffe.
30 Die Informationen, die dem Gerichtshof im Rahmen einer Vorlageentscheidung geliefert werden müssen, dienen nicht nur dazu, dem Gerichtshof zu ermöglichen, sachdienliche Antworten zu geben, sie sollen vielmehr auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen interessierten Beteiligten die Möglichkeit geben, sich gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs zu äußern. Nach ständiger Rechtsprechung ist es dazu zum einen erforderlich, dass das nationale Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen. Zum anderen muss die Vorlageentscheidung die genauen Gründe angeben, aus denen dem nationalen Gericht die Auslegung des Gemeinschaftsrechts fraglich und die Vorlage von Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof erforderlich erscheint. In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, dass das nationale Gericht ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Gemeinschaftsbestimmungen, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Ausgangsrechtsstreit anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften herstellt (vgl. u. a. Urteil vom 6. März 2007, Placanica u. a., C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, I-1891, Randnr. 34).
31 Die Vorlageentscheidung des Tribunale amministrativo regionale della Sicilia genügt diesen Anforderungen.
32 Das nationale Gericht führt nämlich die anwendbaren nationalen Bestimmungen an, und die Vorlageentscheidung enthält eine Beschreibung des Sachverhalts, die zwar knapp ist, doch ausreicht, um dem Gerichtshof die Entscheidung zu ermöglichen. Zudem gibt das vorlegende Gericht die Gründe an, aus denen es die Vorlage einer Vorabentscheidungsfrage an den Gerichtshof für erforderlich hält, da die Vorlageentscheidung eine ausführliche Beschreibung der gegensätzlichen Standpunkte der Beteiligten zur Auslegung der Gemeinschaftsbestimmungen, die Gegenstand der Vorlagefrage sind, enthält und die Antwort auf die Vorlagefrage nach Ansicht des vorlegenden Gerichts nicht klar aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs abgeleitet werden kann.
33 Des Weiteren führt die Conferenza aus, Acoset fehle ein rechtlich geschütztes Interesse daran, eine Antwort auf die Vorlagefrage zu erhalten, da das Verfahren zur Auswahl des in Rede stehenden privaten Gesellschafters aufgehoben worden sei.
34 Hierzu genügt der Hinweis, dass mit Art. 234 EG eine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten durch ein Verfahren eingeführt wurde, das der Parteiherrschaft entzogen ist und in dem die Parteien nur Gelegenheit haben, sich zu Fragen zu äußern, die allein auf die Initiative der nationalen Gerichte zurückgehen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 9. Dezember 1965, Singer, 44/65, Slg. 1965, 1268).
35 Daher ist die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage zu prüfen.

Zur Vorlagefrage

36 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 43 EG, 49 EG und 86 EG einer freihändigen Vergabe einer öffentlichen Dienstleistung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die die vorherige Durchführung bestimmter Arbeiten mit sich bringt, an eine gemischt öffentlich-private Kapitalgesellschaft entgegenstehen, die eigens für die Durchführung dieser Dienstleistung und ausschließlich mit diesem Gesellschaftszweck geschaffen wird und bei der der private Gesellschafter mittels eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens ausgewählt wird, nachdem die finanziellen, technischen, operativen und verwaltungstechnischen Anforderungen, die die durchzuführende Dienstleistung betreffen, sowie die Merkmale des Angebots für die zu erbringenden Leistungen überprüft worden sind.
37 Zunächst ist festzustellen, dass die Vergabe einer lokalen öffentlichen Dienstleistung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die in der Verwaltung des integrierten Wasserversorgungsdienstes besteht, je nach den Besonderheiten der Gegenleistung für diese Dienstleistung unter die Definition des Begriffs der öffentlichen Dienstleistungsaufträge nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2004/18 oder die des Begriffs der Dienstleistungskonzessionen nach Art. 1 Abs. 4 dieser Richtlinie fallen könnte, und gegebenenfalls sogar unter die jeweilige Definition dieser Begriffe in Art. 1 Abs. 2 Buchst. d und Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/17, unter die nach deren Art. 4 Abs. 1 Buchst. a die Bereitstellung und das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Gewinnung, der Fortleitung und der Abgabe von Trinkwasser sowie die Einspeisung von Trinkwasser in diese Netze fallen.
38 Ob ein Vorgang als „Dienstleistungskonzession“ oder als „öffentlicher Dienstleistungsauftrag“ einzustufen ist, ist ausschließlich anhand des Gemeinschaftsrechts zu beurteilen (vgl. u. a. Urteil vom 18. Juli 2007, Kommission/Italien, C-382/05, Slg. 2007, I-6657, Randnr. 31).
39 Der Unterschied zwischen einem Dienstleistungsauftrag und einer Dienstleistungskonzession liegt in der Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen (vgl. u. a. Urteil vom 10. September 2009, WAZV Gotha, C-206/08, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 51). Ein „öffentlicher Dienstleistungsauftrag“ im Sinne der Richtlinien 2004/18 und 2004/17 umfasst eine Gegenleistung, die vom öffentlichen Auftraggeber unmittelbar an den Dienstleistungserbringer gezahlt wird (vgl. u. a. Urteil vom 13. Oktober 2005, Parking Brixen, C-458/03, Slg. 2005, I-8585, Randnr. 39). Eine Dienstleistungskonzession liegt dann vor, wenn die vereinbarte Vergütung im Recht zur Verwertung der Dienstleistung besteht und der Dienstleistungserbringer das mit den fraglichen Dienstleistungen verbundene Betriebsrisiko übernimmt (vgl. u. a. Urteil vom 13. November 2008, Kommission/Italien, C-437/07, Randnrn. 29 und 31, sowie WAZV Gotha, Randnrn. 59 und 68).
40 Das vorlegende Gericht bezeichnet die zu gründende gemischt öffentlich-private Gesellschaft als „Konzessionär“ der Verwaltung des integrierten Wasserversorgungsdienstes. Den Akten ist zu entnehmen, dass die Vergabe für eine Dauer von 30 Jahren vorgesehen ist.
41 Die italienische Regierung führt ebenfalls aus, dass es sich ganz offensichtlich um die Vergabe einer öffentlichen Dienstleistung im Wege einer Konzession für 30 Jahre handele, deren Gegenleistung hauptsächlich in der Möglichkeit bestehe, von den Verbrauchern die Wassergebühr zu fordern, die in der Ausschreibung als Ausgleichszahlung für die erbrachte Dienstleistung erwähnt wird.

42 Der Gerichtshof geht daher von der Annahme aus, dass es sich um eine Konzession handelt.
43 Der Gerichtshof hat eine Dienstleistungskonzession u. a. in Fällen anerkannt, in denen das Entgelt des Dienstleistungserbringers aus Zahlungen der Nutzer eines öffentlichen Parkplatzes, eines öffentlichen Verkehrsdienstes und eines Kabelfernsehnetzes stammte (vgl. Urteile Parking Brixen, Randnr. 40, vom 6. April 2006, ANAV, C-410/04, Slg. 2006, I-3303, Randnr. 16, und vom 13. November 2008, Coditel Brabant, C-324/07, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 24).
44 Art. 17 der Richtlinie 2004/18 sieht vor, dass diese Richtlinie unbeschadet der Bestimmungen ihres Art. 3 nicht für Dienstleistungskonzessionen gilt. Ebenso schließt Art. 18 der Richtlinie 2004/17 deren Geltung für Dienstleistungskonzessionen aus, die von Auftraggebern, die eine oder mehrere Tätigkeiten gemäß den Art. 3 bis 7 dieser Richtlinie ausüben, zum Zweck der Durchführung dieser Tätigkeiten vergeben werden.
45 Im Übrigen ist unstreitig, dass die Durchführung der Arbeiten, die mit der exklusiv vergebenen Verwaltung des integrierten Wasserversorgungsdienstes, um den es im Ausgangsverfahren geht, verbunden sind, gegenüber dem Hauptgegenstand der fraglichen Konzession, der in der Erbringung dieser Dienstleistung besteht, von untergeordneter Bedeutung ist, so dass diese nicht als „öffentliche Baukonzession“ einzustufen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. April 1994, Gestión Hotelera Internacional, C-331/92, Slg. 1994, I-1329, Randnrn. 26 bis 28, sowie Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/17).
46 Auch wenn Verträge über öffentliche Dienstleistungskonzessionen vom Anwendungsbereich der Richtlinien 2004/18 und 2004/17 ausgenommen sind, haben die öffentlichen Stellen, die sie schließen, doch die Grundregeln des EG-Vertrags im Allgemeinen und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Besonderen zu beachten (vgl. u. a. Urteil ANAV, Randnr. 18).
47 Zu den Vertragsbestimmungen, die speziell auf öffentliche Dienstleistungskonzessionen anwendbar sind, gehören auch die Art. 43 EG und 49 EG (vgl. u. a. Urteil ANAV, Randnr. 19).
48 Außer dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist auch der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter auf öffentliche Dienstleistungskonzessionen anwendbar, und zwar auch dann, wenn keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit vorliegt (vgl. u. a. Urteil ANAV, Randnr. 20).
49 Der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit schließen insbesondere eine Verpflichtung zur Transparenz ein, damit die konzessionserteilende öffentliche Stelle feststellen kann, ob diese Grundsätze beachtet worden sind. Diese der genannten Stelle obliegende Transparenzpflicht besteht darin, dass zugunsten der potenziellen Bieter ein angemessener Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen ist, der die Dienstleistungskonzession dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden sind (vgl. u. a. Urteil ANAV, Randnr. 21).
50 Aus Art. 86 Abs. 1 EG folgt außerdem, dass die Mitgliedstaaten keine nationalen Rechtsvorschriften fortgelten lassen dürfen, die die Vergabe öffentlicher Dienstleistungskonzessionen ohne Ausschreibung ermöglichen, da eine solche Vergabe gegen die Art. 43 EG oder 49 EG oder gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz verstößt (vgl. u. a. Urteil ANAV, Randnr. 23).
51 Die Art. 12 EG, 43 EG und 49 EG sowie die allgemeinen Grundsätze, deren spezielle Ausprägung sie darstellen, kommen jedoch dann nicht zur Anwendung, wenn die konzessionserteilende öffentliche Stelle über die konzessionsnehmende Einrichtung eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und zugleich diese Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Stelle verrichtet, die ihre Anteile innehat (vgl. u. a. Urteil ANAV, Randnr. 24). In einem solchen Fall ist eine Ausschreibung auch dann nicht zwingend, wenn der Vertragspartner eine vom öffentlichen Auftraggeber rechtlich getrennte Einrichtung ist (vgl. u. a. Urteil vom 10. September 2009, Sea, C-573/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 36).
52 Diese Rechtsprechung ist für die Auslegung sowohl der Richtlinien 2004/18 und 2004/17 als auch der Art. 43 EG und 49 EG sowie der allgemeinen Grundsätze, deren spezielle Ausprägung sie darstellen, maßgeblich (vgl. u. a. Urteil Sea, Randnr. 37).
53 Eine – auch minderheitliche – Beteiligung eines privaten Unternehmens am Grundkapital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, schließt es aus, dass der öffentliche Auftraggeber über die Gesellschaft eine ähnliche Kontrolle ausüben kann wie über seine eigenen Dienststellen (vgl. u. a. Urteil Sea, Randnr. 46).
54 Dies trifft auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Konzession zu, bei der der private Gesellschafter 49 % des Grundkapitals der gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft, an die die fragliche Konzession vergeben worden ist, zeichnen muss.
55 Daher ist näher zu prüfen, ob die Vergabe der fraglichen öffentlichen Dienstleistung an die gemischt öffentlich-private Gesellschaft ohne spezifische Ausschreibung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, wenn bei der Ausschreibung zur Auswahl des privaten Gesellschafters, der die gesamte Verwaltung des Wasserversorgungsdienstes übernimmt, die Art. 43 EG und 49 EG sowie der Grundsatz der Gleichbehandlung, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und die sich daraus ergebende Verpflichtung zur Transparenz beachtet wurden.
56 Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen ohne Ausschreibung das Ziel eines freien und unverfälschten Wettbewerbs und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessenten beeinträchtigen würde, weil ein solches Verfahren einem am Kapital dieses Unternehmens beteiligten privaten Unternehmen einen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten verschaffen würde (Urteile Stadt Halle und RPL Lochau, Randnr. 51, sowie vom 10. November 2005, Kommission/Österreich, C-29/04, Slg. 2005, I-9705, Randnr. 48).
57 Im Übrigen kann, wie in Punkt 2.1 der Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Anwendung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen auf institutionalisierte öffentlich-private Partnerschaften (IÖPP) (ABl. 2008, C 91, S. 4) ausgeführt wird, die Tatsache, dass eine private Partei und ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens zusammenarbeiten, nicht dazu führen, dass die rechtlichen Bestimmungen für Konzessionen bei der Vergabe von Konzessionen an diese private Partei oder das betreffende gemischtwirtschaftliche Unternehmen unbeachtet bleiben.
58 Jedoch wäre, wie der Generalanwalt in Nr. 85 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, die Einführung einer doppelten Ausschreibung schwer mit der Verfahrensökonomie, die mit den institutionalisierten öffentlich-privaten Partnerschaften – wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden – erzielt werden soll, vereinbar, deren Schaffung die Wahl eines privatwirtschaftlichen Partners und die Vergabe der Konzession an die allein zu diesem Zweck geschaffene Einrichtung mit gemischtem Kapital in ein und demselben Vorgang vereinigt.
59 Die Nichtdurchführung einer Ausschreibung im Rahmen der Vergabe von Dienstleistungen erscheint zwar mit den Art. 43 EG und 49 EG und mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Diskriminierungsverbot unvereinbar, doch kann dem abgeholfen werden durch die Beachtung der in den Randnrn. 46 bis 49 des vorliegenden Urteils genannten Anforderungen bei der Auswahl des privaten Gesellschafters und die Festlegung der Kriterien für seine Eignung, denn die Bewerber müssen neben ihrer Fähigkeit, Anteilseigner zu werden, vor allem ihre technische Fähigkeit zur Erbringung der Dienstleistung sowie die wirtschaftlichen und sonstigen Vorteile nachweisen, die sich aus ihrem Angebot ergeben.
60 Da die Eignungskriterien für den privaten Gesellschafter nicht nur auf das eingebrachte Kapital, sondern auch auf seine technische Fähigkeit und die Merkmale seines Angebots im Hinblick auf die konkret zu erbringenden Leistungen abstellen und dieser Gesellschafter, wie im vorliegenden Fall, mit der operativen Tätigkeit der fraglichen Dienstleistung und damit deren Verwaltung betraut wird, kann angenommen werden, dass sich die Auswahl des Konzessionärs mittelbar aus der des Gesellschafters ergibt, die nach einem Verfahren unter Wahrung der gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze getroffen wurde, weshalb ein zweites Ausschreibungsverfahren für die Auswahl des Konzessionärs nicht gerechtfertigt wäre.
61 Würde in einer solchen Situation ein doppeltes Auswahlverfahren – zunächst für den privaten Partner der gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft und dann für die Vergabe der Konzession an diese – verlangt, könnte dies aufgrund der Dauer solcher Verfahren und der Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Vergabe der Konzession an den zuvor ausgewählten privaten Partner dazu führen, dass private Einrichtungen und öffentliche Stellen von der Gründung institutionalisierter öffentlich-privater Partnerschaften abgehalten werden.
62 Es ist klarzustellen, dass eine gemischt öffentlich-private Kapitalgesellschaft, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, während der gesamten Dauer der Konzession ihren Gesellschaftszweck unverändert beibehalten muss und dass eine wesentliche Änderung des Vertrags eine Verpflichtung zur Ausschreibung zur Folge hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2008, pressetext Nachrichtenagentur, C-454/06, Slg. 2008, I-4401, Randnr. 34).
63 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 43 EG, 49 EG und 86 EG einer freihändigen Vergabe einer öffentlichen Dienstleistung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die die vorherige Durchführung bestimmter Arbeiten mit sich bringt, an eine gemischt öffentlich-private Kapitalgesellschaft nicht entgegenstehen, die eigens für die Durchführung dieser Dienstleistung und ausschließlich mit diesem Gesellschaftszweck geschaffen wird und bei der der private Gesellschafter mittels eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens ausgewählt wird, nachdem die finanziellen, technischen, operativen und verwaltungstechnischen Anforderungen, die die durchzuführende Dienstleistung betreffen, sowie die Merkmale des Angebots für die zu erbringenden Leistungen überprüft worden sind, sofern das fragliche Ausschreibungsverfahren den Grundsätzen des freien Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung entspricht, die nach dem Vertrag für Konzessionen gelten.

Kosten

64 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Die Art. 43 EG, 49 EG und 86 EG stehen einer freihändigen Vergabe einer öffentlichen Dienstleistung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die die vorherige Durchführung bestimmter Arbeiten mit sich bringt, an eine gemischt öffentlich-private Kapitalgesellschaft nicht entgegen, die eigens für die Durchführung dieser Dienstleistung und ausschließlich mit diesem Gesellschaftszweck geschaffen wird und bei der der private Gesellschafter mittels eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens ausgewählt wird, nachdem die finanziellen, technischen, operativen und verwaltungstechnischen Anforderungen, die die durchzuführende Dienstleistung betreffen, sowie die Merkmale des Angebots für die zu erbringenden Leistungen überprüft worden sind, sofern das fragliche Ausschreibungsverfahren den Grundsätzen des freien Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung entspricht, die nach dem EG-Vertrag für Konzessionen gelten.

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