BGH, Urteile vom 29.09.2009 – EnZR 14/08 und EnZR 15/08
Energieversorgungsunternehmen sind auch nach den Novellen des Energiewirtschaftsrechts von 1998 und 2005 an eine früher eingegangene Verpflichtung gebunden, die für die Versorgung des Gemeindegebiets notwendigen Strom- oder Gasleitungen nach Ablauf des Konzessionsvertrages an die Gemeinde zu verkaufen. Das hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs heute entschieden.
Dem Verfahren EnZR 14/08 liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die HEAG Südhessische Energie AG (HSE), ist Eigentümerin der in der Gemeinde Seeheim-Jugenheim verlegten, für den Betrieb des Stromnetzes der allgemeinen Versorgung notwendigen Leitungen und Verteilungsanlagen. Ihre Rechtsvorgängerin hatte im Jahre 1991 mit der Gemeinde einen Vertrag über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Leitungsverlegung (Konzessionsvertrag) geschlossen. Darin ist – wie in derartigen Verträgen üblich – bestimmt, dass die Gemeinde bei Ablauf des Vertrages berechtigt ist, die für die Versorgung des Gemeindegebiets notwendigen Leitungen und Anlagen gegen Erstattung ihres Wertes zu erwerben. Aufgrund einer Neuausschreibung des Wegenutzungsrechts im Jahre 2005 hat die Gemeinde die Konzession ab 1.1.2006 an die GGEW Gruppen-Gas- und Elektrizitätswerk Bergstraße AG, ein kommunales Energieversorgungsunternehmen, vergeben. Die HSE hat sich darauf berufen, dass das Gesetz inzwischen einen auf Überlassung des Netzes gerichteten Anspruch vorsieht, der dem weichenden Energieversorger die Wahl lasse, ob er diesen Anspruch durch Übereignung oder Verpachtung erfülle. Im Hinblick auf diese Gesetzesänderung sei auch der vertragliche Anspruch so umzudeuten, dass ihr ein Wahlrecht – Übereignung oder Verpachtung – zustehe.
Der Bundesgerichtshof hat wie das Oberlandesgericht angenommen, dass die GGEW von der HSE aus abgetretenem Recht der Gemeinde die Übereignung der Stromleitungen und verteilungsanlagen verlangen kann. Dieser Anspruch ergebe sich aus dem zwischen der HSE und der Gemeinde im Jahre 1991 geschlossenen Konzessionsvertrag. Hieran sei die HSE nach wie vor gebunden. Dass die Überlassungspflicht des weichenden Energieversorgers inzwischen in § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG gesetzlich geregelt worden sei, habe hieran nichts geändert. Insbesondere sei die vertragliche Pflicht zur Eigentumsübertragung nicht in eine auch durch Verpachtung erfüllbare Pflicht zur Gebrauchsüberlassung abgeändert worden.
Ob der neue Energieversorger daneben einen gesetzlichen Eigentumsübertragungsanspruch nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG hat oder ob die dort geregelte Verpflichtung zur „Überlassung“ der Verteilungsanlagen auch durch Verpachtung des Netzbetriebs erfüllt werden kann, hat der Bundesgerichtshof offengelassen.
In dem Verfahren EnZR 15/08 hat der Bundesgerichtshof die HSE aufgrund eines gleich gelagerten Sachverhalts für verpflichtet gehalten, der Energieried GmbH & Co. KG das Gasversorgungsnetz in Bürstadt zu übereignen.
Urteile vom 29. September 2009 – EnZR 14/08 und EnZR 15/08
OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 29. Januar 2008 – 11 U 20/07
(Kart)LG Darmstadt – Urteil vom 24. April 2007 – 18 O 517/06
OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 29. Januar 2008 – 11 U 19/07
(Kart)LG Darmstadt – Urteil vom 24. April 2007 – 14 O 494/06
(Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 29.09.2009)