Die Landeskartellbehörde Niedersachsen (LKartB) hat Anfang Dezember 2024 weitere Hinweise zur Vergabe von Strom- bzw. Gaskonzessionsverträgen veröffentlicht.
Die neuen Hinweise zu § 46a Satz 1 EnWG beziehen sich auf den Zeitpunkt des Auskunftsanspruchs der Gemeinde vor Ablauf des bestehenden Wegenutzungsvertrags über die technische und wirtschaftliche Situation der Netze. Sie konkretisieren die bisher nur als Empfehlung an die Kommunen formulierte Orientierungshilfe in Ziff. 2.2 des Hinweispapiers der LKartB vom 25.08.2015 zum Auskunftsanspruchs nach § 46a Satz 1 EnWG.
Ausgehend von Erfahrungen der Landeskartellbehörde in Verfahren, in denen Altkonzessionäre die Netzdaten nicht, wesentlich verspätet oder erst nach Aufforderung durch die Kommune zur Verfügung stellen, entwickelt die LKartB nun in der Auslegung des § 46a Satz 1 EnWG vier Beispiele einer möglichen zeitliche Ausgestaltung bei Endschaft des bestehenden Konzessionsvertrag.
Zunächst stellt die LKartB für alle Gestaltungsmöglichkeiten fest, dass es sich bei dem Auskunftsanspruch nach § 46a Satz 1 EnWG um einen gesetzlichen Anspruch handelt, der keiner Geltendmachung durch die Gemeinde bedarf. Vielmehr folge seine Fälligkeit in rechtlicher – nicht in zeitlicher – Hinsicht dem Bekanntmachungszeitpunkt der Gemeinde. Die LKartB bildet hierzu vier Anwendungsbeispiele.
Beispiel 1: Späteste Bekanntmachung, späteste Auskunft
Im Beispiel 1, dem gemäß § 46a EnWG vorgesehenen, im Hinweispapier als „späteste Bekanntmachung, späteste Auskunft“ bezeichneten zeitlichen Ablauf ist der Auskunftsanspruch 3 Jahre vor dem Auslaufen des Altvertrags fällig. Da dem Altkonzessionär der Vertragsablauf bekannt ist, ist er im Besitz aller Informationen, die den gesetzlichen Anspruch begründen. Einer Aufforderung durch die Gemeinde zur Bereitstellung der Netzdaten bedürfe es nicht.
- Vertragsende: 31.12.2028
- Späteste Bekanntmachung durch die Gemeinde: 31.12.2026
- Späteste Auskunft durch den Altkonzessionär: 31.12.2025
Sowohl § 46a Satz 1 als auch § 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG enthalten das Wort „spätestens“. Auf dieser Grundlage entwickelt die LKartB nunmehr drei weitere Optionen bzw. Beispiele des zeitlichen Ablaufs.
Beispiel 2: Späteste Bekanntmachung, frühere Auskunft
Das Beispiel 2, das eine frühere Auskunft des Altkonzessionärs im Sinne des § 46a Satz 1 EnWG vorsieht, während die Kommune die Frist des § 46 Abs. 3 Satz 1 EnWG ausschöpft, dürfte ein Sachverhalt sein, der hinsichtlich des Auskunftsanspruchs nach § 46a Abs. 1 EnWG kaum zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen dürfte. Problematisch könnte eine frühzeitige Auskunft aber dann werden, wenn sie aufgrund von Investitionsvorhaben des Altkonzessionärs dazu führen kann, den Anlagenbestand im Konzessionsverfahren unrichtig zu beschreiben.
- Vertragsende: 31.12.2028
- Späteste Bekanntmachung durch die Gemeinde: 31.12.2026
- Frühere Auskunft durch den Altkonzessionär: 08.09.2025
Beispiel 3: Frühere Bekanntmachung, späteste Auskunft
Das Beispiel 3 beschreibt eine Gestaltung, in dem die Gemeinde vor Ablauf der 2-Jahresfrist die Bekanntmachung vornehmen möchte und sie damit die Fälligkeit ihres Auskunftsanspruchs einseitig verändert. Hier genügt nach Auffassung der LKartB nur die rechtzeitige Mitteilung der früheren Bekanntmachungsabsicht der Gemeinde an den Altkonzessionär. Einer Geltendmachung des Anspruchs bei früherer Bekanntmachungsabsicht bedarf es nach der Auffassung des LKartB auch in diesem Beispiel nicht. Es wird hier ebenfalls ein gesetzlicher Anspruch angenommen. Unklar bleibt, ob und welcher Form die Mitteilung der früheren Bekanntmachungsabsicht der Gemeinde erfolgen sollte. Wegen ihrer rechtsgestaltenden Folge sollte die Mitteilung, auch hinsichtlich ihres Zugangs, gut dokumentiert sein. Einer Vereinbarung zwischen Gemeinde und Altkonzessionär bedarf es nicht.
- Vertragsende: 31.12.2028
- Frühere Bekanntmachung der Neuvergabe durch die Gemeinde: 24.06.2026
- Späteste Auskunft durch den Altkonzessionär: 24.06.2025
Beispiel 4: Frühere Bekanntmachung, frühere Auskunft
Das Beispiel 4, das eine frühere Bekanntmachung durch die Kommune und eine dazu frühere Erfüllung des Auskunftsanspruchs beschreiben soll, erscheint ein möglicher zeitlicher Ablauf zu sein. In der Beschreibung des Beispiels ist der LKartB zudem ein redaktioneller Fehler unterlaufen, indem es „Späteste Auskunft (Altkonzessionär):“ formuliert. Richtig hätte es „Frühere Auskunft“, wie in der Überschrift des Beispiels angeführt, lauten müssen. Auch diese mögliche Ausgestaltung begegnet keinen kartellrechtlichen Bedenken.
- Vertragsende: 31.12.2028
- Frühere Bekanntmachung der Neuvergabe durch die Gemeinde: 24.06.2026
- Frühere Auskunft durch den Altkonzessionär: 16.04.2025
Fazit:
Zu kartellrechtlicher Relevanz können nur die Beispiele 1 und 3 führen. Im Beispiel 3 wäre zudem eine Klarstellung zur Form der Mitteilung der frühen Bekanntmachungsabsicht durch die Gemeinde hilfreich gewesen, damit der angenommene gesetzliche Anspruch aus § 46a Satz 1 EnWG eine durchsetzbare Grundlage erhält.
In der Praxis ist neben dem Zeitpunkt der Auskunftsverpflichtung vor allem auch der Umfang der zu übermittelnden Daten Gegenstand von Auseinandersetzungen. Angesichts des Gemeinsamen Leitfadens von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur (siehe auch Blogbeitrag) und der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung sah die LKartB hier allerdings offenbar kein Konkretisierungsbedürfnis.
Die Hinweise der LKartB können Sie hier herunterladen.