OLG Frankfurt zum Geheimwettbewerb

OLG Frankfurt zum Geheimwettbewerb

OLG Frankfurt zum Geheimwettbewerb 150 150 Arna Kaletovic

Mit Urteil vom 12.08.2021 (11 U 1/21) hat das OLG Frankfurt zu den Grundsätzen des Geheimwettbewerbes sowie der Wahl des Bewertungsmaßstabs bei der Durchführung eines Konzeptwettbewerbs im Rahmen der §§ 46 ff. EnWG Stellung genommen. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Verfügungsklägerin (nachfolgend Klägerin) nahm an einem Vergabeverfahren zum Abschluss eines neuen Wegenutzungsvertrages (Strom) teil und rügte hierbei u.a. Unklarheiten bzgl. des Bewertungsmaßstabs. Nach Prüfung der Rügen versendete die Stadt, hier die Verfügungsbeklagte (nachfolgend Beklagte), das Nichtabhilfeschreiben versehentlich an eine Mitbewerberin der Klägerin. Die Klägerin sieht hierdurch den Geheimwettbewerb verletzt und begründet dies u.a. mit dem Verdacht, die Mitbewerberin könne nun auf Teile ihres Angebotsinhalts schließen. Das Angebot war zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingereicht. Klägerin und Mitbewerberin waren bereits in einem anderen Vergabeverfahren Konkurrentinnen.

Folgende Sicht vertrat das OLG hinsichtlich der Frage des Geheimwettbewerbs:

  • Der Grundsatz des Geheimwettbewerbs ist nicht verletzt, da die Mitbewerberin dem Nichtabhilfeschreiben sowie der zugrundeliegenden Rüge lediglich Überlegungen zum Angebotsinhalt der Klägerin entnehmen konnte. Fragen, die sich jeder Bewerber bei Erstellung des Angebots stellen muss, können nicht auf den Angebotsinhalt des Bewerbers schließen lassen. (Rn. 102)
  • Die Kenntnis der Mitbewerberin über das Interesse der Klägerin am Vergabeverfahren verletzte nicht das Recht auf Diskriminierungsfreiheit, auch wenn beide Unternehmen bereits an einem anderweitigen Vergabeverfahren teilgenommen haben. Dahingehend fehle es bereits an einem entsprechenden Vortrag der Klägerin, in früherem Verfahren gegen die Mitbewerberin obsiegt oder anderweitig Einsicht in das Angebot der Klägerin erlangt zu haben. Zumal die Klägerin bereits 93 % der Einwohner der Stadt beliefert und somit eine Teilnahme allgemein wahrscheinlich bzw. zu vermuten war. (Rn. 103 ff.)

Das OLG äußert sich weiter wie folgt zu der Frage des Bewertungsmaßstabs:

  • Der absolute Bewertungsmaßstab ist im Falle einer funktionalen Ausschreibung oder einem Konzeptwettbewerb nicht per se ungeeignet. Jedenfalls fehle es an einer gesetzlichen Bestimmung, die die Anwendung des absoluten Bewertungsmaßstabs in diesen Fällen versagt. Das OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Urteil vom 03. April 2017 – 6 U 155/16 Kart –, juris) hatte u.a. bereits die Anwendung der relativen Bewertungsmethode bei Vergabe von Konzessionsverträgen (Strom) für zulässig erachtet.
  • Der dem Vergabeverfahren zugrundeliegende Bewertungsmaßstab und die Anwendung dessen kann erst bei Offenlegung der vollständigen dokumentierten Vergabeentscheidung geprüft werden.

Hinsichtlich der Konkretisierungstiefe des Bewertungsmaßstabs schließt sich das OLG der obergerichtlichen Rechtsprechung im Kartellvergaberecht an (EuGH, Urteil v. 14.07.2016, C-6/15 „Dimarso“; BGH, Beschluss vom 04.04.2017, X ZB 3/17 „Postdienstleistungen“): Grundsätzlich müsse im Falle der absoluten Bewertung im Vorhinein nicht offengelegt werden, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl konkret abhängen soll. Die Unvorhersehbarkeit des Ergebnisses für den Bieter erhöhe schließlich die Wahrscheinlichkeit, von den Bietern bestmögliche Angebote zu erhalten (Rn. 108 ff). Dennoch müsse sich ein Bieter im Konzeptwettbewerb „ein Bild davon machen könne[n], wofür [das] Konzept eine taugliche Lösung“ (Rn. 110) darstellen soll.

Die Randnummern beziehen sich auf den Urteilsumdruck, welcher über Juris unter OLG Frankfurt, Urteil vom 12. August 2021 – 11 U 1/21 (Kart) –, juris verfügbar ist. Darüber hinaus ist das Urteil hier abrufbar.