Steuerlicher Querverbund auf dem Prüfstand: BFH-Vorlage an den EuGH

Steuerlicher Querverbund auf dem Prüfstand: BFH-Vorlage an den EuGH

Steuerlicher Querverbund auf dem Prüfstand: BFH-Vorlage an den EuGH 150 150 Dorothea Hinck (kbk Rechtsanwälte)

Vorlage des Bundesfinanzhofes (BFH) an den Europäischen Gerichtshof zu der Frage der Finanzierung dauerdefizitärer kommunaler Einrichtungen

(Bundesfinanzhof, Beschluss (EuGH-Vorlage) vom 13.3.2019, I R 18/19)

 

Mit seinem Vorlagebeschluss vom 13.03.2019 – I R 18/19 legte der Bundesfinanzhof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vor, ob die Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 des Körperschaftssteuergesetzes (KStG), die insbesondere den öffentlich-rechtlichen Unternehmen in einem steuerlichen Querverbund (§ 4 Abs. 6 KStG) bei der Bemessung des Einkommens zu Gute kommt, als eine verbotene Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu werten ist. Die Regelung ermöglicht es, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) in der Konstellation des steuerlichen Querverbundes nicht das Einkommen erhöht, wie es bei anderen Kapitalgesellschaften der Fall wäre.

Für viele Träger von kommunalen Bädern oder sonstiger kommunaler Einrichtungen kann die ausstehende Entscheidung des EuGHs von existenzieller Bedeutung sein. Der dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Sachverhalt weist eine Verflechtung kommunaler Unternehmen auf, wie sie vielfach in Deutschland zu finden ist.

Die Klägerin ist ein typisches als GmbH organisiertes Stadtwerk, dessen Anteile zu 100% von einer Stadt getragen werden. Es ist unter anderem für die Bereiche Energie, Wasser und Telekommunikation zuständig. Daneben betreibt sie auch die örtlichen Schwimmbäder, die in den Jahren 2002 und 2003 Verluste aufwiesen. Im Rahmen einer Außenprüfung wurden diese Verluste von den Prüfern als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) gewertet. Allerdings schloss sich das beklagte Finanzamt dieser Ansicht nicht an, sondern stufte die Verluste als abziehbare Betriebsausgaben ein und erließ entsprechende Steuerbescheide. Um diese Steuerbescheide wird nun vor Gericht gestritten.

Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Klägerin um einen Eigenbetrieb der Stadt handelt, der hinsichtlich der Schwimmbäder ein Dauerverlustgeschäft im Sinne des § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG betreibt. Dabei ordnet der BFH den Betrieb von Schwimmbädern den gesundheitspolitischen Gründen für eine wirtschaftliche Betätigung zu. Die Voraussetzungen des mit dem Jahressteuergesetzes 2009 eingeführten § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG sah das Gericht als erfüllt an. Dies hat zur Folge, dass die Verluste aus dem Betrieb des Schwimmbads mit den Ergebnissen der anderen Betriebszweige der Klägerin (Energie- und Wasserversorgung etc.) verrechnet werden können.

Diese Verrechnungsmöglichkeit ist allerdings nach Ansicht des BFH eine verbotene Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV. Dabei stellt das Gericht unter Bezugnahme auf die Altmark-Trans-Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2003 (EuGH, Urt. v. 24.07.2003 -C-280/00) auf die Grundsätze für eine beihilfenrechtlich zulässige Gewährung von öffentlichen Zuschüssen an Unternehmen ab. Neben eines ausdrücklichen Betrauungsaktes bedarf es nach der Entscheidung des EuGHs einer objektiven und transparenten Berechnungsmethode für die Ausgleichszahlungen, um eine Bevorzugung des begünstigten Unternehmens gegenüber den konkurrierenden Unternehmen zu verhindern. Weiterhin darf die Auswahl des zu begünstigenden Unternehmens nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags getroffen worden sein. Abschließend verlangt der EuGH eine Deckelung der Ausgleichszahlungen auf die Kosten, die bei der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstehen, wobei die erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn zu berücksichtigen sind.

Diese Anforderungen aus der Altmark-Trans-Entscheidung erfüllt nach Ansicht des BFH der § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG n.F. nicht, so dass das Gericht die bisherige Praxis auf Grundlage von § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG als verbotene Beihilfe wertet. Durch die bisherige Praxis der Nichtberücksichtigung einer gewinnerhöhenden vGA bei der Einkommensermittlung werde das Stadtwerk im Wettbewerb unangemessen bevorzugt. Die Verrechnungsmöglichkeit der Verluste mit Gewinnen aus anderen Tätigkeitsbereichen der kommunalen Eigengesellschaft führe zudem zu einer finanziellen Stärkung dieser Tätigkeitsbereiche.

 

Zu Recht stellt der Bundesfinanzhof nicht in Abrede, dass die Mitgliedsstaaten auch gemeinwohlorientierte Dienstleistungen aufrechterhalten können, die sich über den Markt nicht selbst finanzieren können. Hierunter fallen insbesondere die Leistungen zur Daseinsvorsorge, für die Art. 106 Abs. 2 AEUV sogar eine ausdrückliche Funktionsgarantie vorsieht. Eine beihilferechtlich konforme Ausgestaltung einer finanzwirtschaftlichen Begünstigung der dauerdefizitären Leistungserbringung im Rahmen des Gemeinwohls und der Daseinsvorsorge kann dadurch gewährleistet werden, dass die vom EuGH in der Altmark-Trans-Entscheidung aufgestellten Kriterien gesetzlich umgesetzt oder andere Freistellungsinstrumente (z.B. der Freistellungsbeschluss 2012/21/EZ für andere DAWI-Tätigkeiten) genutzt werden. Zudem sind bei der rechtlichen Ausgestaltung von Begünstigungstatbeständen der Gleichbehandlungsgrundsatz sowie das Diskriminierungsverbot zu beachten. Es muss daher für einen Nichtansatz der vGA bei der Ermittlung des Einkommens unerheblich sein, ob es sich bei dem Unternehmen, welches die dauerdefizitären Leistungen im Bereich des Gemeinwohls und/oder der Daseinsvorsorge erbringt, um ein rein privatrechtlich organisiertes oder um ein öffentliches Unternehmen handelt.

Sollte der EuGH der Ansicht des BFH folgen, wäre § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG bis zu einer Entscheidung der Europäischen Kommission über die Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Binnenmarkt nach Art. 108 Abs. 2 AEUV nicht anwendbar. Zwar könnte der beihilferechtlichen Problematik kurzfristig durch Dienstleistungsaufträge oder ÖPP-Projekte begegnet werden, dies würde den Wegfall der finanzwirtschaftlichen Vorteile des Querverbundes jedoch nicht kompensieren können. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der deutsche Gesetzgeber dieser Problematik annimmt. Eine Aufrechterhaltung des finanzwirtschaftlichen Instrumentes des Querverbundes als ein bewährtes und effektives Mittel zur Gewährleistung von Leistungen im Bereich der Daseinsvorsorge und des Gemeinwohles dürfte sicherlich im Interesse aller Beteiligten liegen.

 

Link zum Vorlagebeschluss: https://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/druckvorschau.py?Gericht=bfh&Art=pm&nr=42548

 

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