OLG Stuttgart: Anforderungen an eine Rüge

OLG Stuttgart: Anforderungen an eine Rüge

OLG Stuttgart: Anforderungen an eine Rüge 150 150 Elias Könsgen (kbk Rechtsanwälte)

Das OLG Stuttgart hat sich in seinem Urteil vom 06. Juni 2019 (Az. 2 U 218/18) unter anderem mit

  • den Anforderungen an Verfahrensrügen gem. § 47 EnWG,
  • dem Spielraum der Gemeinde bei der Auswahl der Bewertungsmethode
  • sowie der Zulässigkeit einzelner Auswahlkriterien in einem Konzessionierungsverfahren (Strom) auseinandergesetzt.

Verfahrensgang

In dem Verfahren nach § 46 ff. EnWG setzte sich ein Eigenbetrieb der beklagten Gemeinde gegen einen Mitbewerber, den späteren Kläger, durch. Dieser rügte unter anderem die Intransparenz einzelner Auswahlkriterien, die Bewertungsmethodik der einzureichenden Konzepte sowie das Durchführen von Verhandlungen durch die Gemeinde. Mangels Abhilfe durch die Beklagte beantragte der Kläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht Stuttgart. Das LG erließ die beantragte Verfügung nur bezüglich eines Kriteriums und wies den Antrag im Übrigen zurück, woraufhin der Mitbewerber Berufung beim OLG Stuttgart einlegte. Bezüglich einer Rüge hatte die Berufung Erfolg, im Übrigen wurde sie zurückgewiesen.

Anforderungen an eine Rüge

Nach Auffassung des OLG müssen sich Rügen auf bestimmte Verfahrensgesichtspunkte beziehen, sodass für die Gemeinde erkennbar ist, an welchen Stellen der Bieter konkret Rechtsverletzungen sieht und Abhilfe erwartet. Bloße pauschale Behauptungen, dass das Verfahren als solches fehlerhaft sei, sind nicht ausreichend, um den Anforderungen an eine Rüge gem. § 47 EnWG zu genügen. Hier knüpft das OLG inhaltlich an die aus dem Kartellvergaberecht bekannten Anforderungen (vgl. § 160 GWB) an und schafft somit etwas mehr Rechtsklarheit in diesem Bereich.

Verhandlungen sind zulässig

Ähnlich argumentiert das OLG im Hinblick auf die gerügte Durchführung von Verhandlungen. Danach besteht allenfalls eine bloß abstrakte Gefahr, dass durch die Verhandlungen ein Bieter unzulässigerweise gezielt in die Lage versetzt werden könnte, sich im Verfahren durchzusetzen. Dies sei nicht ausreichend, um die Zulässigkeit von Verhandlungen grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Vielmehr dienten Verhandlungen dazu, bei offen ausgestalteten Kriterien Unklarheiten bei der Auslegung zu beseitigen, um ein bestmögliches Angebot abgeben zu können. Im Übrigen lasse der Gesetzgeber das Verhandlungsverfahren grundsätzlich zu.

Weiter Spielraum bei Auswahl der Bewertungsmethode

Zudem gesteht der Senat den Gemeinden einen weiten Spielraum bei der Auswahl der Bewertungsmethode und der Gewichtung der Auswahlkriterien zu. Es könne durchaus die Einreichung eines „plausiblen und fundierten Konzepts“ verlangt werden. Entscheidend sei, dass die daraus folgenden Erwägungen nachvollziehbar und vertretbar sind. Über die Gebote von Diskriminierungsfreiheit und Transparenz hinaus habe der Gesetzgeber keine weiteren zwingend zu beachtenden Vorgaben vorgesehen.

Zwingende Kriterien im Rahmen des sicheren Netzbetriebs

Einige Vorgaben macht das OLG den Gemeinden jedoch für die Berücksichtigung bestimmter Kriterien. So der “sichere Netzbetrieb” zum einen den Aspekt der „Zuverlässigkeit der Versorgung“ und zum anderen die „Ungefährlichkeit des Betriebs der Verteilungsanlagen“ beinhalten. Diese Anforderungen leitet das OLG aus der Begründung des Gesetzgebers (BT-Drs. 13/7274, S. 14) ab.

Einige Auswahlkriterien erachtete der Senat zudem ausdrücklich für zulässig:

  • die Einhaltung eines Wertes über die Versorgungsunterbrechung (SAIDI-Wert),
  • die Zusage eines prozentualen Verkabelungsgrades,
  • Prognosen über die Preisgünstigkeit zukünftiger Netznutzungsentgelte,
  • Endschaftsregelungen des Wegenutzungsvertrages, die einen Anspruch auf Übereignung der notwendigen Verteilungsanlagen vorsehen.

Fazit und Auswirkungen für die Praxis

Das Urteil enthält wichtige Praxishinweise für die Durchführung von Konzessionierungsverfahren gem. §§ 46 ff. EnWG. Es bleiben jeodch weiterhin viele offen Fragen bestehen, die die Rechtsprechung weiter konkretisieren wird.

Das Urteil ist abrufbar in der Landesrechtsprechungsdatenbank Baden-Württemberg

(Wir danken Herrn Rechtsreferendar Lukas Czeszak für die Unterstützung bei der Erstellung des Beitrags.)

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