Das Oberlandesgericht Brandenburg hat mit Urteil vom 19.07.2016 (Az. Kart U 1/15) die Auffassung vertreten, dass die mehrfache Beratung durch dasselbe Beratungsunternehmen das Neutralitätsgebot in einem Konzessionsverfahren verletzen könne. Vereinfacht gesprochen, dürfen Berater danach nicht „auf beiden Seiten des Verhandlungstisches“ tätig sein. Dabei könnten ggf. auch bereits abgeschlossene Vortätigkeiten relevant sein.
Zum Hintergrund: Eine Stadt hatte im Jahr 2009 ein Konzessionsverfahren nach § 46 EnWG durchgeführt und war dabei von einer Rechtsanwaltssozietät beraten worden. In der Folge wurde eine Betreibergesellschaft gegründet, die das Gasnetz vom damaligen Bestandsanbieter erwerben sollte. Die Betreibergesellschaft wurde in dem anschließenden Rechtsstreit um die Netzübereignung von derselben Rechtsanwaltssozietät vertreten, die bereits die Stadt beraten hatte. Nachdem das Gericht den zugrundeliegenden Konzessionsvertrag für nichtig befunden hatte, wiederholte die Stadt das Konzessionierungsverfahren und wurde dabei erneut von derselben Rechtsanwaltssozietät beraten. An dem Wettbewerbsverfahren beteiligten sich beide Gesellschafter der gegründeten Betreibergesellschaft. Das Angebot, das den Zuschlag erhalten sollte, sah vor, dass die Betreibergesellschaft als Nachunternehmer eingesetzt werden würde.
In dieser Konstellation sah ein unterlegener Bieter eine unzulässige „Doppelberatung“. Das OLG Brandenburg stimmte dem zu und erkannte in dieser Konstellation einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot, das aus dem Diskriminierungs- und Transparenzgebot abzuleiten sei. Danach dürfe niemand als „Richter in eigener Sache“ urteilen. Wörtlich führt das OLG Brandenburg aus:
„Die Einbindung der Rechtsanwälte der Sozietät X im laufenden Auswahlverfahren ist unter Berücksichtigung der erkennbaren Interessenlage von Auftraggeber und Bieter sowie der Art der Ausschreibung und der gewählten Bewertungsmethode geeignet, hinreichende, auf glaubhafte Anknüpfungstatsachen gestützte Zweifel an einer unparteiischen Entscheidungsfindung zu wecken. Das Vorliegen hinreichender Zweifel ist im gegebenen Kontext ausreichend, weil angesichts des weitgehend hinter verschlossenen Türen ablaufenden Verfahrens eine Zweifel weitgehend beseitigende Gewissheit nicht erzielbar ist.“
Nach Auffassung des OLG wurde in dem erneut durchgeführten Konzessionsverfahren nicht ausreichend personell und organisatorisch zwischen verfahrensleitender Stelle und Bieter getrennt. Für eine Verletzung des Neutralitätsgebots komme es nicht darauf an, ob die Auswahlentscheidung tatsächlich durch unsachliche Erwägungen beeinflusst wurde. Vielmehr genüge eine Konstellation, die geeignet sei, das Fehlen der notwendigen Unparteilichkeit der vergabeleitenden Stelle zu begründen. Dieser strenge Maßstab wird unter anderem damit begründet, dass es bei der Überprüfung des Verfahrens vor dem Zivilgericht keinen Amtsermittlungsrundsatz gibt. Dass der vorausgegangene Rechtsstreit um die Netzübernahme bereits abgeschlossen war, ist nach Ansicht des OLG Brandenburg nicht entscheidend. Auch auf die für Rechtsanwälte geltende Berufsregelung in § 43a BRAO komme es nicht an.
Das Urteil des OLG Brandenburg ist im Volltext hier verfügbar.