BGH, Beschluss vom 09.11.2010, Az. EnVR 1/10
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
EnVR 1/10
Verkündet am:
9. November 2010
in der energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungssache
Bahnstromfernleitungen
EnWG § 3a
Das Bahnstromnetz unterliegt der Regulierung nach dem Energiewirtschaftsgesetz.
BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – EnVR 1/10 – OLG Düsseldorf
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2010 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf, die Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Dr. Bergmann sowie die Richter Dr. Raum und Dr. Grüneberg
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Die Betroffene trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die der Bundesnetzagentur entstandenen notwendigen Auslagen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5 Mio. € festgesetzt.
Gründe:
1 I. Die Betroffene, die DB Energie GmbH, betreibt das 110-kV/16,7-Hertz-Bahnstromfernleitungsnetz (im Folgenden: Bahnstromnetz). Das Bahnstromnetz verbindet das Oberleitungsnetz, über das die elektrischen Betriebsfahrzeuge ihren Traktionsstrom beziehen, mit den öffentlichen 50-Hertz-Versorgungsnetzen. Zu dem Bahnstromnetz gehören sogenannte Umformer- und Umrichteranlagen, mit denen der 50-Hertz-Drehstrom aus den Netzen der öffentlichen Versorgung in Einphasen-Bahnstrom mit einer Frequenz von 16,7 Hertz umgewandelt wird, und sogenannte Unterwerke, in denen die elektrische Energie mit einer Spannung von 110 kV auf die für den Bahnbetrieb erforderliche Spannung von 15 kV transformiert und in die Oberleitung eingespeist wird. Das Oberleitungsnetz wird von der DB Netz AG betrieben. Für die Nutzung des Bahnstromnetzes verlangt die Betroffene von ihren Netzkunden ein Entgelt. Entsprechende Preisblätter sind auf ihrer Internetseite veröffentlicht.
2 Im September 2007 wies die Bundesnetzagentur die Betroffene darauf hin, dass diese als Betreiberin des Bahnstromnetzes in Bezug auf die von ihr verlangten Netznutzungsentgelte der Genehmigungspflicht nach § 23a EnWG unterliege. Die Betroffene widersprach dieser Rechtsauffassung.
3 Mit Beschluss vom 18. Dezember 2008 hat die Bundesnetzagentur entschieden:
1. Die DB Energie GmbH ist verpflichtet, bei der Bundesnetzagentur gemäß § 23a Abs. 1 EnWG eine Genehmigung für die auf ihrer Internetseite veröffentlichten Netzentgelte einzuholen. Dabei hat sie die Vorgaben der Festlegung der Bundesnetzagentur zu den Anforderungen an die Entgeltgenehmigungsanträge zu beachten (Festlegung BK8-07-008 vom 02.05.2007). Diese Festlegung samt Anlagen wird hiermit nochmals als Anlage beigefügt und der DB Energie bekannt gemacht.
2. Der DB Energie wird aufgegeben, unter Beachtung der Festlegung BK8-07-008 vom 02.05.2007 bis zum 30.12.2008 einen Antrag auf Genehmigung der Netzentgelte bei der Beschlusskammer 8 zu stellen.
3. Für den Fall, dass die DB Energie der Anordnung in Ziff. 2 nicht bis zum Ablauf des 30.12.2008 nachkommt, also keinen Antrag auf Genehmigung der Netzentgelte gem. § 23a EnWG stellt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 500.000 Euro angedroht.
4. Die Vollziehung der im Tenor zu 2. enthaltenen Anordnung wird gem. § 77 Abs. 3 S. 2 EnWG ausgesetzt.
4 Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der – zugelassenen – Rechtsbeschwerde verfolgt die Betroffene ihren Antrag auf Aufhebung des Beschlusses der Bundesnetzagentur weiter.
5 II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der Betroffenen gegen den angefochtenen Beschluss der Bundesnetzagentur zu Recht zurückgewiesen.
6 1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung (OLG Düsseldorf, ZNER 2010, 176) im Wesentlichen wie folgt begründet:
7 Die von der Betroffenen erhobenen Entgelte für den Zugang zu ihrem Bahnstromnetz seien nach § 23a EnWG genehmigungspflichtig. Das Energiewirtschaftsgesetz sei gemäß § 3a EnWG auf das Bahnstromnetz anwendbar, weil dieses der Versorgung von Eisenbahnen mit leitungsgebundener Energie diene und im Eisenbahnrecht nichts anderes geregelt sei. Das Eisenbahnrecht enthalte weder eine ausdrückliche Entgeltregelung für die Nutzung des Bahnstromnetzes noch sei bei einer historischen und teleologischen Auslegung erkennbar, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber die Regelung der Netzentgelte abschließend dem Eisenbahnrecht habe unterstellen wollen. Zwar seien die Bahnstromfernleitungen nach § 2 Abs. 3 AEG Bestandteil der Eisenbahninfrastruktur, so dass sie unter das Gebot der diskriminierungsfreien Zugangsgewährung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG fielen. Aus den Materialien zur Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung ergebe sich aber, dass der Verordnungsgeber Teilbereiche der Energieversorgung von Eisenbahnen durch energierechtliche Vorschriften habe regeln wollen. Dies folge auch aus § 110 Abs. 5 EnWG, wonach die Anwendung des Energiewirtschaftsgesetzes auf den Fahrstrom der Eisenbahnen unberührt bleibe. Vor allem aber spreche der Sinn und Zweck des Allgemeinen Eisenbahngesetzes für eine Anwendbarkeit des Energiewirtschaftsgesetzes. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG diene dieses Gesetz unter anderem der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf der Schiene bei dem Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen und dem Betrieb von Eisenbahninfrastrukturen. Mit diesem gesetzgeberischen Willen sei eine abschließende Regelung des Zugangs zum Bahnstromnetz und der Netzentgelte im Allgemeinen Eisenbahngesetz nicht in Einklang zu bringen, weil nach dessen Vorschriften Stromversorger und Stromlieferanten keinen Anspruch auf Zugang zum Bahnstromnetz und auf Überprüfung der Netzentgelte hätten. Hierfür stelle das Energiewirtschaftsgesetz das geeignete Instrumentarium zur Verfügung. Das Konzept der Anreizregulierung sei hinreichend flexibel, um etwaigen Besonderheiten des Bahnstromnetzes Rechnung tragen zu können.
8 2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
9 a) Die Bundesnetzagentur war gemäß § 65 Abs. 2 EnWG berechtigt, der Betroffenen aufzugeben, einen Antrag auf Genehmigung der Netzentgelte zu stellen. Denn diese ist – wie das Beschwerdegericht zu Recht angenommen hat – verpflichtet, bei der Bundesnetzagentur nach § 23a EnWG eine Genehmigung für die von ihr verlangten Netzentgelte in Bezug auf das Bahnstromnetz einzuholen.
10 Das Energiewirtschaftsgesetz gilt gemäß § 3a EnWG für die Versorgung von Eisenbahnen mit leitungsgebundener Energie, soweit im Eisenbahnrecht nichts anderes geregelt ist. Nach der spiegelbildlichen Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 3 AEG ist insoweit das Allgemeine Eisenbahngesetz nicht anwendbar. Danach beurteilt sich insbesondere die Frage, ob und nach welchen Regeln die Betroffene als Eisenbahninfrastrukturunternehmen verpflichtet ist, Strom durch ihr Bahnstromnetz durchzuleiten, nach dem Energiewirtschaftsgesetz.
11 aa) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, unterfällt das Bahnstromnetz dem Anwendungsbereich des § 3a EnWG, weil dieses der Versorgung von Eisenbahnen – gemeint sind hier die Eisenbahnverkehrsunternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 AEG – mit leitungsgebundener Energie dient.
12 Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 3a EnWG, der das Energiewirtschaftsgesetz ganz allgemein „für die Versorgung von Eisenbahnen mit leitungsgebundener Energie“ für anwendbar erklärt und die Versorgung mit Fahrstrom lediglich beispielhaft nennt. Unter den Begriff der Versorgung fällt nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 36 EnWG unter anderem der Betrieb von Energieversorgungsnetzen, zu denen nach § 3 Nr. 16 EnWG Elektrizitätsversorgungsnetze über eine oder mehrere Spannungsebenen gehören. Das Bahnstromnetz ist ein solches Elektrizitätsversorgungsnetz (ebenso BeckAEG-Komm/Hermes, § 1 Rn. 29; Boesche in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 2. Aufl., § 3 Rn. 44; Hermes in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 3a Rn. 11; Salje, EnWG, § 3a Rn. 1; Grün/Jasper, N&R 2007, 46; Schröder, Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von EnWG und AEG bei der Versorgung von Eisenbahnen mit leitungsgebundener Energie, 2008, S. 25 ff.: Monopolkommission, Sondergutachten 55, Bahn 2009: Wettbewerb erfordert Weichenstellung, S. 133 Rn. 249; aA Ruge/Essig in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 2. Aufl., § 3a Rn. 69; Theobald in Danner/Theobald, Energierecht, Stand: 65. Ergänzungslieferung, 2009, § 3a Rn. 5). Ob es sich bei dem Bahnstromnetz um ein Übertragungsnetz oder ein Verteilernetz handelt, ist unerheblich (vgl. auch § 3 Nr. 2 EnWG).
13 Für dieses Verständnis des § 3a EnWG – und des spiegelbildlichen § 1 Abs. 2 Satz 3 AEG – sprechen neben der vom Berufungsgericht erwähnten Vorschrift des § 110 Abs. 5 EnWG auch die verfahrensrechtliche Koordinierungsregelung in § 14b Abs. 2 Satz 2 AEG, soweit dort die nach dem Energiewirtschaftsgesetz zuständigen Regulierungsbehörden in Bezug genommen werden, und die Vorschrift des § 43 Satz 1 Nr. 1 EnWG, nach der Bahnstromfernleitungen ausdrücklich von dem Erfordernis der Planfeststellung nach dem Energiewirtschaftsgesetz ausgenommen werden. § 43 Satz 1 Nr. 1 EnWG ergibt – wie auch § 110 Abs. 5 EnWG – nur einen Sinn, wenn das Bahnstromnetz im Grundsatz in den Geltungsbereich des Energiewirtschaftsgesetzes fällt.
14 bb) Die Anwendbarkeit des Energiewirtschaftsgesetzes wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass im Eisenbahnrecht etwas anderes geregelt ist. Dies ist – entgegen der Rechtsbeschwerde – nicht der Fall.
15 (1) Das Eisenbahnrecht enthält Zugangs- und Entgeltregelungen nur für die Nutzung der Schienenwege und für den Gebrauch der in § 2 Abs. 3c AEG aufgeführten Serviceeinrichtungen. Hinsichtlich der Schienenwege gelten insbesondere § 14 Abs. 1 Satz 1 und 3 AEG, § 3 Abs. 1 Satz 2, § 4 EIBV i.V.m. Anlagen 1 und 2 zur EIBV und § 14 Abs. 4 AEG, §§ 21 bis 23 EIBV. Diese Vorschriften sind gemäß § 4 Abs. 3 AEG auch auf die Versorgung mit Fahrstrom über den sogenannten Fahrdraht anwendbar. Für die Nutzung von Serviceeinrichtungen gelten die Zugangsregelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 EIBV und die Entgeltregelungen der § 14 Abs. 5 AEG, § 24 EIBV.
16 (2) Dagegen lassen sich dem Eisenbahnrecht im Hinblick auf das Bahnstromnetz weder eine Zugangs- noch eine Entgeltregelung entnehmen. Insofern verbleibt es vielmehr bei den Regelungen der §§ 20 ff. EnWG.
17 Soweit die Rechtsbeschwerde für die Zugangsberechtigung auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 AEG verweist, trifft allerdings zu, dass die Bahnstromfernleitungen gemäß § 2 Abs. 3 AEG zur Eisenbahninfrastruktur gehören und dass § 14 Abs. 1 AEG Eisenbahninfrastrukturunternehmen verpflichtet, nach näheren Maßgaben die diskriminierungsfreie Benutzung der von ihnen betriebenen Eisenbahninfrastruktur zu gewähren. Das scheint auf den ersten Blick ein Argument für die Auffassung der Rechtsbeschwerde zu sein. Bei näherer Betrachtung unter Einbeziehung des Regelungswerks in seiner Gesamtheit erweist sich aber, dass § 14 Abs. 1 AEG den Zugang zum Bahnstromnetz und das Entgelt für seine Nutzung weder regelt noch regeln will.
18 Für dieses Verständnis der Vorschrift spricht bereits, dass die in § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG in Bezug genommene, den Umfang des Nutzungsbereichs regelnde Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung eine nähere Ausgestaltung des Zugangsanspruchs nur für die Benutzung der Schienenwege und der von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen betriebenen Serviceeinrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 3c AEG und in der Anlage 1 Nr. 2 zur EIBV beschriebenen Leistungen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 EIBV) vorsieht, nicht aber für die Nutzung des Bahnstromnetzes.
19 Wollte man der Auffassung der Rechtsbeschwerde folgen, so hielte das Allgemeine Eisenbahngesetz mangels näherer Ausgestaltung in der Eisenbahninfrastrukturordnung für den Zugang zum Bahnstromnetz keine andere Regelung bereit als die, dass er diskriminierungsfrei zu gewähren wäre. Da der Gesetzgeber in § 3a EnWG das Bahnstromnetz im Grundsatz den Vorschriften des Energiewirtschaftsrechts unterstellt hat, die den Zugangsanspruch in den §§ 20 ff. EnWG und der Stromnetzzugangsverordnung äußerst detailliert regeln, erscheint nahezu ausgeschlossen, dass er als von diesem Regelungswerk abweichende Regelung im Sinne des § 3a EnWG auch eine solch rudimentäre Vorschrift wie § 14 Abs. 1 AEG gemeint haben könnte. Dagegen spricht auch, dass in der enumerativen Auflistung der Zugangsberechtigten in § 14 Abs. 2 AEG sowie der ihnen gleichgestellten Unternehmen in § 14 Abs. 3 AEG die Stromlieferanten, die für die Belieferung von Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Strom auf den Zugang zum Bahnstromnetz angewiesen sind und gemäß § 20 EnWG einen Nutzungsanspruch haben, nicht genannt sind.
20 Auch im Hinblick auf die Entgelte für die Nutzung der Bahnstromfernleitungen enthält das Eisenbahnrecht keine detaillierten Vorschriften. § 14 Abs. 4 AEG gilt über § 4 Abs. 3 AEG nur für Anlagen zur streckenbezogenen Versorgung mit Fahrstrom, d.h. für den Fahrdraht, nicht dagegen für die Bahnstromfernleitungen (vgl. BT-Drucks. 15/4419, S. 16). Diese sind – wie sich aus § 2 Abs. 3c AEG ergibt – auch keine Serviceeinrichtungen im Sinne des § 14 Abs. 5 AEG. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, enthält auch § 14 Abs. 6 AEG keine Entgeltregelung für die Nutzung der Bahnstromfernleitungen. Bereits der Wortlaut legt nahe, dass Absatz 6 sich nur auf die Entgeltregelungen in den Absätzen 4 und 5 bezieht und damit keinen weiterreichenden Anwendungsbereich hat. Dies zeigt auch die Bezugnahme auf die Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung, die keine Entgeltregelungen für die Nutzung des Bahnstromnetzes enthält.
21 Schließlich sprechen auch die Systematik des Gesetzes und der daraus hervorgehende Wille des Gesetzgebers gegen eine Einordnung des § 14 Abs. 6 AEG als Entgeltregelung für die Nutzung des Bahnstromnetzes. Da in § 14 Abs. 4 und 5 AEG für die Nutzung der Schienenwege einerseits und den Zugang zu Serviceeinrichtungen andererseits Maßstäbe für die Entgeltfestsetzung bestimmt sind, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Entgelte für die Nutzung des Bahnstromnetzes der (freien) privatrechtlichen Vereinbarung zwischen Netzbetreiber und Zugangsberechtigtem überlassen und nur deren nachträgliche Überprüfung durch die Regulierungsbehörde nach § 14f AEG vorsehen wollte. Ein solches Verständnis würde auch mit dem Ziel, den Wettbewerb im Schienenverkehr zu stärken, kaum in Einklang zu bringen sein.
22 Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde will die Vorschrift des § 2 Abs. 3 AEG, indem sie das Bahnstromnetz der Eisenbahninfrastruktur zuordnet, nicht bewirken, dass § 14 Abs. 1 AEG zu einer die Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes verdrängenden abweichenden Regelung wird. Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Norm. Mit der Neufassung dieser Vorschrift durch das Dritte Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 27. April 2005 (BGBl. I S. 1138) bezweckte der Gesetzgeber die Aufhebung der im früheren Eisenbahnrecht vorhandenen Unterscheidung zwischen einem zugangsrechtlichen und einem planungsrechtlichen Begriff für die Eisenbahnbetriebsanlagen; durch die Neufassung sollten die Begriffe der Eisenbahninfrastruktur und der Eisenbahnbetriebsanlagen in Übereinstimmung gebracht werden, die zum einen für den diskriminierungsfreien Netzzugang nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG und zum anderen für die Reichweite des Planfeststellungsvorbehalts im Sinne der § 18 AEG, § 43 Satz 1 Nr. 1 EnWG von Bedeutung sind (vgl. BT-Drucks. 15/2743, S. 12 und BT-Drucks. 15/3280, S. 14; siehe hierzu auch BeckAEG-Komm/Vallendar, § 18 Rn. 42). Die Frage nach der Anwendbarkeit der entgeltrechtlichen Regelungen findet dagegen in den Materialien zu § 2 Abs. 3 AEG keine Erwähnung (vgl. BT-Drucks. 15/3280, S. 14). Dies spricht dafür, dass durch das Eisenbahnrecht nur die technische Nutzung der Anlagen geregelt wird, während sich – entsprechend der Grundregel der § 1 Abs. 2 Satz 3 AEG, § 3a EnWG – die wirtschaftlichen Fragen der Versorgung mit Energie (Nutzungsanspruch, Vertragsbeziehungen, Entgelte usw.) nach dem Energiewirtschaftsrecht richten sollen (vgl. BeckAEG-Komm/Hermes, § 1 Rn. 30). Ein entgegenstehender Wille des Gesetzgebers hätte – vergleichbar der Vorschrift des § 43 Satz 1 Nr. 1 EnWG – in einer ausdrücklichen Ausnahme von der Netzentgeltregulierung für Bahnstromfernleitungen nach dem Energiewirtschaftsrecht hervortreten müssen. Aus dem Fehlen einer solchen Ausnahmevorschrift kann im Gegenteil und im Umkehrschluss zu § 43 Satz 1 Nr. 1 EnWG auf einen gesetzgeberischen Willen geschlossen werden, insoweit die umfassende Anwendbarkeit des Energiewirtschaftsgesetzes anzuordnen.
23 Einen Vorrang des Eisenbahnrechts fordern auch nicht die im Eisenbahn- bzw. Energiewirtschaftsrecht umgesetzten Richtlinien. Insbesondere die Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (ABl. EG Nr. L 75 S. 29) enthält in den Artikeln 7 und 8 nur Rahmenregelungen zur Preiskalkulation und zur Vermeidung von Diskriminierungen und überlässt den Mitgliedstaaten die Auflösung des Zielkonflikts zwischen der Verlagerung eines größeren Anteils des Verkehrsaufkommens auf die Schiene durch Festschreibung möglichst niedriger Benutzungsentgelte einerseits und der im Interesse einer wirtschaftlichen Ausrichtung der Infrastrukturunternehmen liegenden Ermöglichung kostendeckender Benutzungsentgelte andererseits. Für die Frage, ob die Entgeltregelungen hinsichtlich der Nutzung des Bahnstromnetzes dem Eisenbahnrecht oder dem Energiewirtschaftsrecht zuzuordnen sind, lässt sich der Richtlinie nichts entnehmen.
24 (3) Nach der Gesamtkonzeption der Zugangs- und Entgeltregelungen im Eisenbahn- und Energiewirtschaftsrecht ist daher die Entgeltregelung für die Nutzung des Bahnstromnetzes nicht dem Eisenbahnrecht, sondern – nach der Grundregel des § 3a EnWG – dem Energiewirtschaftsgesetz zu entnehmen. Aufgrund dessen kommt auch eine entsprechende Anwendung der Entgeltregelungen des § 14 AEG – unabhängig von der Zulässigkeit einer solchen Analogie im Rahmen der Eingriffsverwaltung – mangels Regelungslücke nicht in Betracht. Die hiergegen von der Rechtsbeschwerde vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch.
25(a) Soweit die Rechtsbeschwerde eine Anwendung der eisenbahnrechtlichen Entgeltvorschriften auf das Bahnstromnetz wegen des engen Sachzusammenhangs mit den Zugangsregelungen bejahen möchte, ist dies bereits im Ansatz verfehlt. Da sich der Zugang zu dem Bahnstromnetz nach § 20 EnWG richtet, spricht der Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs auch hinsichtlich der Entgeltregelung für die Anwendbarkeit des Energiewirtschaftsrechts.
26 (b) Entgegen der Rechtsbeschwerde kann die Anwendbarkeit des Energiewirtschaftsrechts auch nicht damit verneint werden, dass dessen Vorschriften für die Bestimmung des Netznutzungsentgelts – sei es die kostenorientierte Entgeltbildung, sei es die Entgeltbestimmung im Wege der Anreizregulierung – in Bezug auf das Bahnstromnetz wegen dessen Besonderheiten insbesondere im Hinblick auf die verwendete Frequenz von 16,7 Hertz und wegen des Fehlens strukturell vergleichbarer Stromnetze nicht geeignet seien. Dies ist nicht der Fall.
27(aa) Soweit sich die Bemessung der Netzentgelte gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 24 EnWG nach den Regelungen der Stromnetzentgeltverordnung richtet, erfolgt diese kostenorientiert. Auf die Entgeltgenehmigung finden § 21 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EnWG gleichermaßen Anwendung, die in einem untrennbaren Zusammenhang stehen und aus denen sich der Grundsatz der Wettbewerbsanalogie ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2009 – EnVR 79/07, RdE 2010, 19 Rn. 12 ff. – SWU Netze). Das Korrektiv wettbewerbskonformer Verhältnisse setzt indes nicht das Vorhandensein strukturell vergleichbarer Stromnetze voraus; vielmehr sind bei ihrem Fehlen wettbewerbliche Bedingungen fiktiv zugrunde zu legen (vgl. BGH aaO Rn. 14). Aufgrund dessen ist auch das Vergleichsverfahren nach § 21 Abs. 3 EnWG bei der Überprüfung der Netzentgelte nur eine Methode der Wahl und nicht obligatorisch.
28 (bb) Soweit ab dem 1. Januar 2009 die Bestimmung der Entgelte für den Netzzugang im Wege der Anreizregulierung zu erfolgen hat, ist dies Folge der vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung, die Entgeltregulierung des Bahnstromnetzes dem Energiewirtschaftsrecht zu unterstellen. Im Rahmen des Regulierungsverfahrens wird zu klären sein, ob und inwieweit die Vorschriften des Energiewirtschaftsrechts unmittelbar oder möglicherweise nur entsprechend anwendbar sind oder einer einschränkenden Auslegung bedürfen, um einerseits dem Willen des Gesetzgebers Geltung zu verschaffen und andererseits die Besonderheiten des Stromnetzes der Betroffenen angemessen zu berücksichtigen. Falls die Prüfung ergeben sollte, dass die Anreizregulierungsverordnung für die Regulierung der Bahnstromnetznutzungsentgelte generell ungeeignet und damit nicht anwendbar ist, könnte auch daran zu denken sein, es im Fall der Betroffenen gemäß § 23a Abs. 1 Halbsatz 1 EnWG bei der kostenorientierten Entgeltbildung zu belassen.
29 b) Die Rechtsbeschwerde hat auch keinen Erfolg, soweit sie die angefochtene Anordnung der Bundesnetzagentur zur Vorlage eines Netzentgeltgenehmigungsantrags wegen des Inkrafttretens der Anreizregulierung zum 1. Januar 2009 für rechtswidrig hält.
30 Nach der Rechtsprechung des Senats zu § 71 GWB, die für den dieser Vorschrift nachgebildeten § 83 EnWG gleichermaßen zu gelten hat, beurteilt sich die für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer behördlichen Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage bei der Entscheidung über Anfechtungsbeschwerden im Grundsatz nach dem Zeitpunkt der angefochtenen Behördenentscheidung (vgl. Senat, Beschlüsse vom 17. Mai 1973 – KVR 1/72, WuW/E BGH 1283, 1286 – Asbach Uralt, vom 4. Oktober 1983 – KVR 2/82, BGHZ 88, 273, 278 – Elbe-Wochenblatt II und vom 7. Oktober 1997 – KVR 14/96, WM 1998, 1297, 1300 f. – Selektive Exklusivität, jeweils mwN). Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht ausnahmslos. So kommt es etwa bei Anfechtungsbeschwerden, die sich gegen Verfügungen mit Dauerwirkung richten, auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an (vgl. Senat aaO).
31 Ein solcher Ausnahmefall ist hier indes nicht gegeben. Der angefochtene Beschluss der Bundesnetzagentur ist durch die Änderung der Rechtslage zum 1. Januar 2009 nicht fehlerhaft geworden oder hat sich sonst erledigt. Eine Genehmigung der von der Betroffenen verlangten Netzentgelte ist für den Zeitraum vor Inkrafttreten der Anreizregulierungsverordnung bereits deshalb erforderlich, um feststellen zu können, ob die Betroffene insoweit Mehrerlöse erzielt hat, die ihr auf Grundlage des § 21 EnWG in Verbindung mit den Vorschriften der Stromnetzentgeltverordnung nicht zustanden und die deshalb nach den Grundsätzen des Senatsbeschlusses vom 14. August 2008 (KVR 39/07, RdE 2008, 323 Rn. 8 ff. – Vattenfall) periodenübergreifend auszugleichen sind. Daneben ist das Ergebnis der Kostenprüfung dieser (letzten) Genehmigung der Netzentgelte nach § 23a EnWG auch für die Anreizregulierung von Bedeutung. Denn gemäß § 6 Abs. 2 ARegV ist dieses Ergebnis als Ausgangsniveau für die Bestimmung der Erlösobergrenzen im Rahmen der ersten Regulierungsperiode der Anreizregulierung heranzuziehen.
32 III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG.