OLG Düsseldorf, Urteil v. 12.03.2008, VI-2 U (Kart) 8/07
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 20. April 2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
1 Die Klägerin ist eine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen, die Beklagte ein Energieversorgungsunternehmen, an dem die Klägerin beteiligt ist.
2 Am 06. Juni 1986 schlossen die Klägerin und die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die A…Energie GmbH mit Wirkung zum 01. Juli 1986 einen Stromkonzessionsvertrag mit einer Laufzeit von 20 Jahren (zukünftig: Konzessionsvertrag 1986). Vor Ablauf dieser Zeit verhandelten die Parteien unter im Einzelnen streitigen Umständen über den Abschluss eines Neuvertrages. Diese Verhandlungen mündeten in den Abschluss eines „Strom- Konzessionsvertrag[es] und [einer] Vereinbarung über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der rationellen Energienutzung“ vom 21. August 2003 (zukünftig: Konzessionsvertrag 2003). Dieser enthielt in Teil B § 7 Abs. 1 folgende Bestimmung:
3 Dieser Vertrag tritt zum 1. Oktober 2004 in Kraft. Er endet nach einer Laufzeit von 20 Jahren. Der bisherige Konzessionsvertrag zwischen der Stadt und der A…Energie GmbH vom 06. Juni 1986 einschließlich Nebenabreden und sonstiger Vereinbarungen tritt mit Inkrafttreten dieses Vertrages außer Kraft.
4 In der Folgezeit kam die Klägerin jedoch zu dem Schluss, dass der Konzessionsvertrag 2003 jedenfalls seit dem 01. Juli 2006 aus energiewirtschafts- und kartellrechtlichen Gründen nichtig sei. Die vorzeitige Verlängerung des Konzessionsvertrages 1986 sei ohne vorherige ordnungsgemäße Bekanntmachung nach § 13 Abs. 3 EnWG 1998 erfolgt, insgesamt überschreite das tatsächliche Vertragsverhältnis dadurch die höchstzulässige Gesamtdauer von 20 Jahren. Darüber hinaus hätten sich die Parteien mündlich darauf geeinigt, die Laufzeit des Konzessionsvertrages 2003 bis zum 30. Juni 2006 zu begrenzen. Schließlich hat die Klägerin den Vertrag aus wichtigem Grund zu diesem Tage gekündigt, wobei sie der Auffassung ist, sich nicht treuwidrig zu verhalten. Bei Abschluss des Konzessionsvertrages 2003 seien ihr die damit verbundenen rechtlichen Probleme nicht bekannt gewesen, mittlerweile drohten ihr aber Sanktionen seitens der Landeskartellbehörde. Sie hat daher beantragt,
5 festzustellen, dass mit Ablauf des 30. Juni 2006 der am 21. August 2003 abgeschlossene „Stromkonzessionsvertrag und Vereinbarung über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der rationellen Energienutzung“ nicht mehr besteht.
6 Die Beklagte hat beantragt,
7 die Klage abzuweisen.
8 Sie hat vorgetragen: Die Vorschrift des § 13 Abs. 3 EnWG 1998 sei schon kein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB, zudem habe sie nicht für den vorzeitigen Abschluss neuer Konzessionsverträge gegolten. Zudem habe die Klägerin vor dem Abschluss des Konzessionsvertrages 2003 auch mit anderen Unternehmen verhandelt. Es handele sich dabei auch nicht um einen bloßen Verlängerungsvertrag, sondern um einen Neuvertrag mit anderen Konditionen. Die Klägerin verhalte sich auch widersprüchlich und treuwidrig, wenn sie sich nunmehr auf eine Nichtigkeit des Konzessionsvertrages berufe. Eine einvernehmliche Beschränkung des Konzessionsvertrages 2003 bis zum 30. Juni 2006 habe es nicht gegeben, für die Kündigung der Klägerin bestehe kein Grund.
9 Die Landeskartellbehörde hat unter dem 08. Januar 2007 eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Nach ihrer Ansicht verstößt der Abschluss des Vertrages gegen energiewirtschaftsund kartellrechtliche Vorschriften.
10 Das Landgericht hat dem Klageantrag der Klägerin entsprochen. Seiner Ansicht nach sei der Konzessionsvertrag 2003 unter Verletzung des § 13 Abs. 3 EnWG, der auch für den vorzeitigen Abschluss von Konzessionsverträgen gegolten habe, zustande gekommen. Dies habe zur Nichtigkeit des Vertrages geführt.
11 Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages macht sie weiterhin geltend, die Vorschrift des § 13 Abs. 3 EnWG sei für den vorzeitigen Abschluss eines neuen Konzessionsvertrages bereits nicht einschlägig gewesen. Zudem habe die Klägerin die Verfahrensvorschrift eingehalten, indem sie mit einem anderen Unternehmen verhandelt habe. Ein Verstoß führe außerdem nicht zur Nichtigkeit des Vertrages. Auch ein Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften liege nicht vor. Sie beantragt daher,
12 unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
13 Die Klägerin beantragt,
14 die Berufung zurückzuweisen.
15 Sie verteidigt unter Bezugnahme und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil. Sie verweist zudem darauf, dass der Abschluss des Konzessionsvertrages als Vergabe einer Dienstleistungskonzession anzusehen sei, was bereits aus EU-rechtlichen Gründen eines transparenten Verfahrens bedürfe; ein Verstoß dagegen führe bereits aus diesem Grunde zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages.
16 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils sowie die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
17 Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht entschieden, dass der Vertrag zwischen den Parteien vom 21. August 2003 jedenfalls mit dem Ablauf des 30. Juni 2006 unwirksam ist.
18 1. Mit Recht stellt die Beklagte ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nicht in Abrede. Die Klägerin hat ein Interesse daran festgestellt zu sehen, ob der Konzessionsvertrag 2003 (weiterhin) wirksam ist oder nicht. Abgesehen von der Frage des Leistungsaustausches zwischen den Parteien hängt davon auch ab, ob die Klägerin, wie von ihr beabsichtigt, einen „neuen“ Konzessionsvertrag abschließen kann oder nicht.
19 2. Bei § 13 Abs. 3 S. 1 EnWG 1998 handelte es sich entgegen der Auffassung der Beklagten um ein Verbotsgesetz. Die Vorschrift hatte folgenden Wortlaut:
20 Die Gemeinden machen spätestens zwei Jahre vor Ablauf von Verträgen nach Absatz 2 das Vertragsende in geeigneter Form bekannt.
21 Dem Verbotscharakter steht nicht entgegen, dass die Vorschrift als Gebot, nicht als Verbot ausformuliert worden ist (so aber Salje, EnWG (2006), § 46 Rdnr. 141). Das Verbot braucht im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen zu sein, sondern kann sich auch aus dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes ergeben (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 134 Rdnr. 2). Das Gesetz hätte ohne Sinnänderung wie folgt formuliert werden können: Den Gemeinden ist untersagt, Verträge nach Absatz 2 ohne Bekanntmachung, die mindestens zwei Jahre vor Vertragsablauf erfolgen muss, abzuschließen.
22 Allerdings richtet sich dieses Verbot nur gegen die Klägerin. Nach der Rechtsprechung (zuletzt BGH NJW 2007, 3637 Rdnr. 18 m.w.N.), auf die die Beklagte im Ansatzpunkt zu Recht hinweist, hat ein Verstoß in einem derartigen Falle nur dann eine Nichtigkeit zur Folge, wenn es mit dem Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung bestehen zu lassen. Das ist hier aber der Fall.
23 Sinn und Zweck der Regelung des § 13 Abs. 3 S. 1 EnWG a.F. (jetzt § 46 Abs. 3 EnWG n.F.) ist es, zumindest ansatzweise einen Wettbewerb beim Neuabschluss von Wegenutzungsverträgen zu ermöglichen (vgl. Salje, a.a.O., Rdnr. 137; s. auch Bundesrat in seiner Stellungnahme zum EnWG 2005 BTDr. 15/3917 zu Art. 1 Nr. 50; Gegenäußerung der Bundesregierung in BT-Dr. 15/4068 unter Nr. 47). Durch eine Bekanntmachung sollten Interessenten von der Möglichkeit des Abschlusses eines derartigen Vertrages Kenntnis erlangen und in Verhandlung mit der betreffenden Gemeinde treten können. Die Gemeinde war zwar nicht zu einer reglementierten Ausschreibung mit konkreten und nachvollziehbaren Wertungskriterien – etwa nach dem Vorbild des Vergaberechts – gezwungen. Nach S. 2 der Vorschrift musste sich die Gemeinde jedoch bei mehreren vorliegenden Angeboten mit ihnen befassen und ihre Entscheidung öffentlich begründen; insoweit trat jedenfalls eine Prüfungszäsur für die Gemeinde ein. Die Gemeinde konnte mithin konkurrierende Angebote nicht einfach ignorieren, sondern musste sich jedenfalls im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG mit ihnen befassen.
24 Ein derartiger Wettbewerb konnte aber von vornherein nicht entstehen, wenn die Gemeinde pflichtwidrig nicht bekannt gab, dass ein Neuabschluss eines Wegenutzungsvertrages bevorstand. Der Zweck des Gesetzes besteht nicht in dem Schutz der Gemeinde, etwa um die Entscheidungsfreiheit der Gemeinde zu erweitern (wobei sie dann auf den Schutz verzichten könnte), oder in der Gewährleistung von Rechtssicherheit (vgl. BGH NW 2007, 3637), sondern in der Ermöglichung des Wettbewerbs durch Dritte. Entgegen der Auffassung der Beklagten wollte das Gesetz gerade einen Wettbewerb „um das Netz“ eröffnen. Dieser Wettbewerb würde bis zu 20 Jahre vollständig ausgeschlossen, wenn ein ohne Bekanntmachung geschlossener Vertrag dennoch durchgeführt werden müsste (so letztlich auch Salje, a.a.O.).
25 3. Die Bestimmung des § 13 Abs. 3 EnWG 1998 galt auch bei vorzeitiger Beendigung eines früheren Wegenutzungsvertrages. Sinn und Zweck der Regelung verlangten bereits vor der Neuregelung in § 46 Abs. 3 EnwG 2005 eine Anwendung auch für diesen Fall. Über eine Bekanntmachungspflicht waren sich bei der Verabschiedung des EnWG 2005 daher Bundesrat (s. Stellungnahme BT-Dr. 15/4068 zu Art. 1 Nr. 50) und Bundesregierung (Gegenäußerung in BT-Dr. 15/4068 zu Nr. 47) von vornherein einig. Aus ihren Äußerungen geht nichts dafür hervor, dass es sich bei der Neuregelung in § 46 Abs. 3, die eine vorzeitige Beendigung des vorherigen Vertrages ausdrücklich erwähnt, um eine gegenüber dem bisherigen Rechtszustand neue Regelung handele. Sie lassen sich daher auch als bloße Klarstellungen verstehen. Bei einem anderen Verständnis hätte die Regelung des § 13 Abs. 3 EnWG 1998 ohne großen Aufwand umgangen und hätten letztlich Verträge über eine Laufzeit von mehr als 20 Jahren abgeschlossen werden können, ohne dass die Chance eines Wettbewerbs bestanden hätte (so auch Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 06.11.2003, Anlage B 3).
26 Soweit der Deutsche Städte- und Gemeindebund in seiner Stellungnahme (Dokumentation No. 13, Anlage B 4) darauf verweist, bei Verhandlungen über eine vorzeitige Verlängerung von Konzessionsverträgen sei unklar, ob ein neuer Vertrag zustande komme, es könne auch sein, dass der „alte“ Vertrag regulär beendet werde, trifft dies zwar zu. Dieser Gesichtspunkt betrifft aber nicht Sinn und Zweck der Regelung. Zwar kann die Gemeinde bei derartigen Verhandlungen im Allgemeinen noch nicht den Beendigungstermin bekannt machen, weil sich die Gegenseite vielfach auf einen bloßen Aufhebungsvertrag nicht einlassen wird. Immerhin mag die Gemeinde bei einem besonders attraktiven Angebot eines anderen Bieters den bisherigen Konzessionsinhaber zur vorzeitigen Beendigung bewegen können. Entscheidend ist aber, dass diese Rechtsposition mit Sinn und Zweck des § 13 Abs. 3 EnWG 1998 unvereinbar ist. Durch eine Aneinanderkettung vorzeitiger Vertragsverlängerungen könnte danach jedweder Wettbewerb verhindert werden, was dem Gesetz ersichtlich zuwiderliefe. Dementsprechend hat der vom Deutschen Städte- und Gemeindebund hervorgehobene Gesichtspunkt bei der „Klarstellung“ in § 46 Abs. 3 EnWG 2005 überhaupt keine Rolle gespielt.
27 4. Eine vorherige Bekanntmachung hat im Streitfall nicht stattgefunden. Ob der Senat dabei an die Feststellungen des Landgerichts gebunden ist, kann offen bleiben, denn sie treffen in der Sache zu.
28 Die Beklagte verweist zwar im Ansatzpunkt zu Recht darauf, dass § 13 Abs. 3 EnWG 1998 im Gegensatz zu § 46 Abs. 3 EnWG 2005 keine näheren Bestimmungen über die Bekanntmachung traf. Nach Sinn und Zweck der Bestimmung war für eine Bekanntmachung ausreichend, aber auch notwendig, dass in Frage kommende Interessenten von der Möglichkeit des Vertragsabschlusses im Wettbewerb Kenntnis erhielten. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf Gespräche der Klägerin mit der E… GmbH, S., verweist, ergibt sich zwar daraus, dass dieses Unternehmen von einem möglichen Neuabschluss Kenntnis hatte. Wie jedoch aus dem Vortrag der Parteien (vgl. auch Anlagen K 17, K 18, B 1) hervorgeht, haben jedoch Verhandlungen der Klägerin mit der E… nicht als Wettbewerber der Beklagten stattgefunden, sondern allein deshalb, weil eine „Neuordnung der Energiewirtschaft“ stattfinden sollte, bei der die Beklagte in die E… eingebracht werden sollte; nachdem dies scheiterte, sind dementsprechend die Gespräche ohne Weiteres abgebrochen worden. Darauf hat der Senat im mündlichen Verhandlungstermin vom 13. Februar 2008 – in tatsächlicher Hinsicht unwidersprochen – hingewiesen. Sinn und Zweck des Gesetzes verlangen jedoch, dass interessierte Unternehmen miteinander konkurrierende Angebote abgeben können und dies auch bekannt wird.
29 Die nachträgliche Bekanntmachung führte nicht zur Heilung des Verstoßes. Der Vertrag zwischen den Parteien war bereits abgeschlossen. Die Klägerin war – äußerlich – bereits gebunden, die Beklagte bestand zudem auf der Wirksamkeit des abgeschlossenen Vertrages. Unter diesen Umständen ist eine spätere Bekanntmachung von vornherein ungeeignet, dem Sinn und Zweck der Regelung gerecht zu werden. Dass sich – so die Beklagte – auf die nachträgliche Bekanntmachung keine Interessenten gemeldet haben sollen, lässt nicht auf sowieso fehlenden Wettbewerb schließen. Denn es macht für Interessenten ersichtlich einen Unterschied, ob die Gemeinde auch äußerlich in ihrer Entscheidung noch frei ist oder ob sie sich – jedenfalls nach außen hin – bereits entschieden hat und die Gegenseite die Gemeinde an dieser Entscheidung festhalten will. Auf diesen Gesichtspunkt hat der Senat im Termin vom 13. Februar 2008 hingewiesen, ohne dass in der Sache Gegenargumente vorgebracht worden sind.
30 5. Die Klägerin kann sich auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen.
31 Sie verhält sich nicht widersprüchlich. Zwar hat sie die Nichtigkeit des Vertrages selber dadurch herbeigeführt, dass sie mit der Beklagten den Vertrag geschlossen hat, ohne vorher eine Bekanntmachung nach § 13 Abs. 3 EnWG 1998 durchgeführt zu haben.
32 Wie jedoch aus den Ausführungen unter 2. hervorgeht, diente das Gesetz nicht dem Schutz der Gemeinde, sondern dem Schutz Dritter. Ohne eine Nichtigkeit des Vertrages des Vertrages könnte dieser Schutz nicht verwirklicht werden, weil die Gemeinde dann daran gehindert wäre, eine Bekanntmachung nach § 13 Abs. 3 EnWG 1998/ § 46 Abs. 3 EnWG 2005 durchzuführen, mit konkurrierenden Unternehmen Verhandlungen durchzuführen und mit ihnen gegebenenfalls einen Konzessionsvertrag abzuschließen. Könnte sich die Gemeinde auf die Nichtigkeit des ohne Einhaltung der genannten Vorschriften abgeschlossenen Vertrages nicht berufen, würde der Gesetzeszweck (Herstellung von Wettbewerb) damit über eine längere Zeit vereitelt.
33 Besteht der Zweck des Gesetzes in dem Schutz Dritter, kann die sich bei einem Verstoß ergebende Nichtigkeit nicht unter Hinweis auf Treu und Glauben verneint werden; davon ging auch die Rechtsprechung zu § 34 GWB a.F. aus.
34 Auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu § 13 VgV (NZBau 2005, 530) kann sich die Beklagte nicht berufen. § 13 VgV regelt die Folgen des Gesetzesverstoßes unmittelbar, ohne dass – anders als bei § 13 Abs. 3 EnWG 1998 – auf § 134 BGB Rückgriff genommen werden müsste. Aus der Regelung des § 13 VgV (in der jetzt geltenden Fassung, er bedarf aufgrund der neuen Rechtsmittelrichtlinie einer Änderung) ergibt sich zudem, dass nur die Bieter geschützt werden sollen, die sich tatsächlich an dem Vergabeverfahren beteiligt haben oder ein erkennbares Interesse am Auftrag haben; nur sie können sich auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen (wobei dann wohl aber auch die Gemeinde die Folgen der Nichtigkeit geltend machen kann). Demgegenüber will § 13 Abs. 3 EnWG 1998 auch die Unternehmen schützen, die mangels Bekanntmachung von der Möglichkeit von Verhandlungen mit der Gemeinde überhaupt keine Kenntnis erlangt haben; um dem Gesetzeszweck Folge zu leisten und den Wettbewerb zu eröffnen, muss sich die Gemeinde darauf berufen können, dass der Verlängerungsvertrag, jedenfalls soweit er unter Einbeziehung der bereits abgelaufenen Vertragslaufzeit die Höchstfrist von 20 Jahren überschreitet, unwirksam ist.
35 6. Zudem ist der Konzessionsvertrag 2003 auch wegen Verstoßes gegen § 1 GWB zumindest seit dem 01. Juli 2006 nichtig.
36 a) Der Bundesgerichtshof ist in seiner bisherigen Rechtsprechung (WuW/E BGH 2247 – 2252; RdE 1986, 118) davon ausgegangen, dass die Vereinbarung eines ausschließlichen Wegenutzungsrechts in Konzessionsverträgen – soweit unmittelbar oder mittelbar zu einer Laufzeit von mehr als 20 Jahren führend – im Allgemeinen den Tatbestand des § 1 GWB erfüllt und nichtig ist.
37 b) Diese Rechtsprechung ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch heute noch grundsätzlich einschlägig. Es trifft zwar zu, dass die durch den Konzessionsvertrag begründete Exklusivität des Rechts zur Verlegung und zum Betrieb von Leitungen in öffentlichen Verkehrswegen durch die Regelung des § 13 Abs. 1 EnWG 1998 /§ 46 Abs. 1 EnWG 2005 über die Verlegung von Leitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern beschränkt worden ist. Auch ist nicht mehr allein der Konzessionsinhaber berechtigt, Verbraucher mit Energie zu versorgen; vielmehr ist der Verbraucher in der Auswahl des Versorgungsunternehmens frei, wobei diesem Unternehmen ein Durchleitungsanspruch zusteht. Schließlich weist die Beklagte zu Recht auf die Regelung des § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG 1998 hin.
38 Diese Fortentwicklung in den energiewirtschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen ändert aber nichts daran, dass durch langfristige Konzessionsverträge der Markt für Konzessionsverträge in der betreffenden Gemeinde beschränkt oder gar ausgeschlossen wird.
39 Die Beklagte hat sowohl schriftsätzlich als auch im Termin vom 13. Februar 2008 als zentralen Punkt ihrer Argumentation das Bestehen eines derartigen Marktes verneint. Das trifft jedoch nicht zu. Zwar wird der Inhalt des Vertrages durch die Konzessionsabgabenverordnung (KAV) – teilweise durch Höchstsätze – vorgegeben. Gerade aber weil es Wettbewerb um Konzessionsverträge gibt, können Gemeinden im Allgemeinen den nach der KAV zulässigen Höchstsatz bei den Konzessionsabgaben durchsetzen. Auch ist Wettbewerb bei den „Nebenbestimmungen“ durchaus möglich. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber ersichtlich anderer Auffassung als die Beklagte ist. Wie bereits unter 2. dargelegt worden ist, hat er den früher geltenden Rechtszustand, der in § 103, § 103a GWB a.F. lediglich eine Höchstgrenze der Laufzeit von 20 Jahren vorsah, durch die Regelung in § 13 Abs. 2, Abs. 3 EnWG 1998 und erneut in § 46 Abs. 2, Abs. 3 EnWG verschärft. Er wollte durch diese Regelungen gerade die Möglichkeit eines Wettbewerbs um den Konzessionsvertrag und die Möglichkeit eines Wechsels des Konzessionsinhabers nach Ablauf des vorherigen Vertrages erheblich verstärken. Dem liefe es zuwider, die kartellrechtliche Kontrolle von Konzessionsverträgen (vgl. auch § 13 Abs. 5 EnWG 1998) in ihrer Wirksamkeit gegenüber dem vorherigen Rechtszustand abzubauen.
40 c) Das Vorgehen der Parteien führte letztlich zu dem Abschluss eines Konzessionsvertrages mit einer Laufzeit von mehr als 20 Jahren. Dabei bedarf es keiner näheren Erörterung, ob der Konzessionsvertrag 2003 inhaltlich eine bloße Verlängerung des Konzessionsvertrages 1986 oder ein Vertrag mit erheblich abgeänderten Konditionen darstellte. Wichtig ist in diesem Zusammenhang allein, dass nur die Parteien über den (Neu-) Abschluss eines Konzessionsvertrages verhandelt haben. Dies ist auch unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden.
41 Die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshof betraf allerdings Fallgestaltungen, in denen von vornherein durch Absprachen wirtschaftlich der Konzessionsvertrag über die höchstzulässige Laufzeit von 20 Jahren hinaus ganz oder teilweise verlängert werden sollte. Dies hat der Bundesgerichtshof kartellrechtlich für unzulässig erachtet.
42 Die nunmehr zur Beurteilung anstehende Fallkonstellation unterscheidet sich hiervon dadurch, dass vor Auslaufen des ursprünglichen Vertrages ein neuer Vertrag geschlossen worden ist. In diesem Zusammenhang bedarf keiner Erörterung, mit welchem Zeitabstand nach Abschluss des ursprünglichen Vertrages ein Anschlussvertrag geschlossen werden kann, ohne dass Ursprungsvertrag und neuer Vertrag allein aus zeitlichen Gründen kartellrechtlich als Einheit anzusehen sind.
43 Der Abschluss des Konzessionsvertrages 2003 ist vielmehr aus anderen Gründen kartellrechtlich zu beanstanden. Bei der Auslegung des § 1 GWB sind die in anderen Gesetzen – jedenfalls soweit sie die Stärkung des Wettbewerbs bezwecken – enthaltenen Regelungszwecke heranzuziehen. Durch die Regelung des § 13 Abs. 3 EnWG 1998 sollte gerade verhindert werden, dass die Gemeinden einfach mit dem alten Konzessionsinhaber verhandeln und den Vertrag abschließen (wie dies im Übrigen noch in B § 7 Abs. 2 des Konzessionsvertrages 2003 anklingt). Die Gemeinde sollte vielmehr gezwungen werden, durch eine Bekanntgabe etwaige Wettbewerber zu eruieren und sich mit deren Angeboten auseinander zu setzen. Wie bereits dargelegt, stellte dies eine Verschärfung der früheren Rechtslage dar. Einen Verstoß gegen die höchstmögliche gesetzliche Laufzeit von Konzessionsverträgen von 20 Jahren stellt es danach nicht mehr nur dar, wenn durch von vornherein getroffene Absprachen die Laufzeit wirtschaftlich über 20 Jahre hinaus verlängert wird, sondern auch, wenn eine Verlängerung des Konzessionsvertrages (gegebenenfalls mit mehr oder weniger schwerwiegenden Abänderungen) ohne die Einhaltung der gerade der Förderung des Wettbewerbs dienenden Pflichten des § 13 Abs. 3 EnWG 1998 erfolgt.
44 d) Der Verstoß – jedenfalls soweit die Bestimmungen des Vertrages eine Verlängerung der Laufzeit auf insgesamt mehr als 20 Jahre bewirken – gegen § 1 GWB führt zur Nichtigkeit der wettbewerbsbeschränkenden Abreden und gemäß § 139 BGB zu einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages in diesem Umfange. Die wettbewerbsbeschränkenden Abreden stellen den Zentralpunkt des Vertrages dar, ohne sie hat er für beide Parteien keinen Sinn.
III.
45 Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
46 Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zuzulassen. Höchstrichterliche Entscheidungen über die Rechtsfolge bei Verstößen gegen § 13 Abs. 3 EnWG 1998 (bzw. § 46 Abs. 3 EnWG 2005) existieren nicht.
47 Streitwert für die Berufungsinstanz: 50.000 Euro.