OLG Stuttgart: Gewichtung von Kriterien bei der Konzessionsvergabe

OLG Stuttgart: Gewichtung von Kriterien bei der Konzessionsvergabe

OLG Stuttgart: Gewichtung von Kriterien bei der Konzessionsvergabe 150 150 Christian Below (kbk Rechtsanwälte)

Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 07.11.2013 (Az. 201 Kart 1/13) eine Missbrauchsverfügung der Landeskartelbehörde Baden-Württemberg (EKArtB) bestätigt und festgestellt, dass die Ziele des § 1 EnWG bei der Entscheidung über die Konzessionsvergabe vorrangig zu berücksichtigen seien. Das bedeute, dass das Niveau der erreichbaren Netzentgelte und die Effizienz eines Netzbetreibers sowie die Umweltverträglichkeit oder die Sicherung des störungsfreien Netzbetriebes zu berücksichtigen seien. Erst in zweiter Linie und nur deutlich untergeordnet dürften fiskalische Interessen einer Kommune eine Rolle spielen, wie etwa die Höhe der Konzessionsabgabe oder die Höhe des sog. Kommunalrabatts. Die Entscheidung des OLG ist nicht rechtskräftig, sondern es wurde Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH erhoben (Az: KVZ 85/13).

Die Entscheidung im Volltext:

OLG Stuttgart Kartell­senat

Urteil vom 07.11.2013

Az. 201 Kart 1/13

Tenor

  1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Missbrauchsverfügung der Beschwerdegegnerin vom 28. Februar 2013 (Az.: 6-​4452.85/152) wird z u r ü c k g e w i e s e n.
  2. Die Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten, ihre eigenen Auslagen und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Auslagen der Beschwerdegegnerin.
  3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf die Ausführungen in der Missbrauchsverfügung derBeschwerdegegnerin vom 28. Februar 2013 (dort A., Seite 5 ff.) Bezug genommen.

Zusammenfassend und ergänzend:

Die Beschwerdeführerin ist eine im Landkreis G. gelegene Stadt mit rund 10.000 Einwohnern, deren Gemeinderat am 6. Dezember 2010 die Grundsatzentscheidung traf, das Stromnetz zurückzukaufen, um es dann an einen Betreiber weiterzuverpachten. Am 10. Dezember 2010 wurden die Bekanntmachungen der Beschwerdeführerin über das Auslaufen der Konzessionsverträge Strom und Gas im Stadtgebiet der Beschwerdeführerin zum 31. Dezember 2012 veröffentlicht und interessierte Unternehmen zur Interessenbekundung binnen einer Frist bis zum 30. Juni 2011 aufgefordert.

Am 16. Mai 2011 traf der Gemeinderat der Beschwerdeführerin den Beschluss, bei der Vergabe der Strom- und Gaskonzessionen einen zwölf Kriterien umfassenden Kriterienkatalog mit bestimmter Gewichtung (Punkte) zugrunde zu legen (vgl. im Einzelnen Niederschrift über die Verhandlung des Gemeinderats am 16. Mai 2011, Ordner 1, Anlage 6.12). Darüber hinaus fasste der Gemeinderat für den zukünftigen Betrieb des Strom- und Gasnetzes den Beschluss, zusammen mit einem interessierten Energieversorger eine gemeinsame Netzgesellschaft für Strom und Gas zu gründen.

Am 18. Juli 2011 stellten die Bewerber ihre Angebote in einer nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung vor. Zuvor hatte der Berater der Beschwerdeführerin den Gemeinderäten eine Checkliste übergeben, die Beurteilungskriterien enthielt, die teilweise in der Sitzung am 16. Mai 2011 festgelegt worden waren, teilweise aber auch darüber hinausgingen.

Am 25. Juli 2011 stellten die Bewerber ihre Angebote in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung vor.

Am 19. September 2011 fasste der Gemeinderat der Beschwerdeführerin einen Beschluss zur endgültigen Aushandlung der Verträge mit der E.

Mit Schreiben vom 25.Oktober 2011 bewarben sich auch die Stadtwerke S., ein Eigenbetrieb der Beschwerdeführerin, um die Strom- und Gaskonzession.

Am 14. November 2011 erlangte der Gemeinderat der Beschwerdeführerin Kenntnis über den Stand der Verhandlungen und das geplante Kooperationsmodell mit der E. und wurde darüber informiert, dass aus steuerlichen Gründen die Verträge von den Stadtwerken S. abgeschlossen werden sollen.

Daraufhin fasste der Gemeinderat der Beschwerdeführerin am 21. November 2011 den Beschluss, die Strom- und Gaskonzession an die Stadtwerke S. zu vergeben. Am 7. Februar 2012 wurden zwischen der Beschwerdeführerin und den Stadtwerken S. die Konzessionsverträge Strom und Gas für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2032 abgeschlossen.

Nachdem die E. F. GmbH & Co. KG (EVF) als zum Zuge gekommener Bewerber mit Schreiben vom 20. April 2012 die Landeskartellbehörde über das Verhalten der Beschwerdeführerin aufmerksam gemacht und die kartellrechtliche Zulässigkeit gerügt hatte, leitete diese am 12. Juli 2012 ein Kartellverwaltungsverfahren im Zusammenhang mit der Vergabe der Stromkonzession ein und teilte mit Schreiben vom 10. Oktober 2012 mit, dass Gegenstand des Verfahrens nunmehr auch die Vergabe der Gaskonzession sei.

Am 28. Februar 2013 erließ die Landeskartellbehörde gegen die Beschwerdeführerin die streitgegenständliche Missbrauchsverfügung. Diese wurde der Beschwerdeführerin am 28. Februar 2013 zugestellt. Am 28. Februar 2013 ging die Beschwerde der Beschwerdeführerin ein und am 29. April 2013 begründete die Beschwerdeführerin ihr Rechtsmittel.

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass die angefochtene Verfügung aus mehreren Gründen rechtswidrig und daher aufzuheben sei. Bei der Auswahl des Konzessionsnehmers für das Strom- und Gasnetz habe sie sich nicht missbräuchlich i.S.d. §§ 19, 20 GWB a.F. verhalten.

Insbesondere habe sie die Zielvorgaben des § 1 EnWG bei ihren Auswahlkriterien in ausreichendem Maße berücksichtigt. Ihre Auswahlkriterien seien nicht zu beanstanden. Trotz Überschreitung der in der Bekanntmachung gesetzten Frist habe sie die Bewerbung ihrer Stadtwerke berücksichtigen dürfen. Eine Verpflichtung, auch Angebote für ein Kooperationsmodell bei der Entscheidung über die Konzessionsvergabe zu berücksichtigen, habe nicht bestanden. Insbesondere liege hierin kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot oder das Transparenzgebot. Kriterien für die Suche nach einem Kooperationspartner hätten nicht mitgeteilt werden müssen. Auch habe den Bewerbern nicht die exakte Gewichtung aller zwölf Kriterien mitgeteilt werden müssen.

Weiter habe sie keine missbräuchliche Pachtrendite vereinbart und schließlich sei der Vorwurf unbegründet, sie habe mit der Gründung und der Beteiligung an der S. GmbH & Co. KG eine unzulässige Vorfestlegung im Sinne einer marktbeschränkenden bzw. marktverschließenden Vereinbarung vorgenommen.

Unabhängig davon sei die angefochtene Verfügung der Beschwerdegegnerin auch deshalb aufzuheben, weil die aufgegebenen Maßnahmen zur Abstellung der angeblichen Zuwiderhandlung nach § 32 Abs. 2 GWB weder erforderlich noch verhältnismäßig seien. Die Anordnung in Ziff. 3 der Missbrauchsverfügung schließlich sei zu unbestimmt.

Die Beschwerdeführerin beantragt:

1. Die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 28. Februar 2013 (Az.: 6-​4452.85/152) wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

Die Beschwerdegegnerin beantragt:

1. Die Beschwerden (Strom und Gas) werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Verfahren trägt die Beschwerdeführerin.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Missbrauchsverfügung vom 28. Februar 2013 bestünden nicht.

Die aufgestellten Kriterienkataloge (Strom und Gas) genügten den rechtlichen Anforderungen des § 46 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 1 EnWG nicht. Maximal sechs der zwölf Kriterien wiesen einen Bezug zu den Zielen des § 1 EnWG auf. Für diese sechs Kriterien seien maximal 380 Punkte von insgesamt 840 Punkten zu erreichen gewesen.

Diejenigen Bewerber, die sich fristgerecht beworben hätten, hätten nicht damit rechnen müssen, dass nach dem 30. Juni 2011 eingehende Interessenbekundungen noch Berücksichtigung finden.

Die reinen Konzessionsvergaben Strom und Gas seien nur formell erfolgt. Bereits im Moment der Konzessionsvergabe habe nämlich festgestanden, dass die Stadtwerke S. tatsächlich die Konzessionen nicht eigenständig oder gar nicht ausüben würden. Daher hätte das hinter der Bewerbung der Stadtwerke S. stehende Beteiligungsmodell bewertet und verglichen werden müssen, was nicht geschehen sei.

Generell seien das Verfahren zur Suche eines Kooperationspartners und das Konzessionsvergabeverfahren nicht klar voneinander getrennt worden.

Die Auswahlkriterien und ihre Gewichtung seien nicht in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren mitgeteilt worden.

Es sei eine missbräuchliche Pachtrendite vereinbart worden, weil die S. GmbH, an der die Beschwerdeführerin beteiligt sei, mit der E. einen Pachtvertrag hinsichtlich des Stromnetzes abgeschlossen habe.

Schließlich läge eine unzulässige Vorfestlegung im Sinne einer marktbeschränkenden bzw. marktverschließenden Vereinbarung mit der E. vor.

Mit Blick auf die Vielzahl an Verstößen und den langen Zeitraum, der seit den Bekanntmachungen am 10. Oktober 2010 vergangen sei, sei die vollständige Wiederholung der Auswahlverfahren geboten.

Die Anordnung, dass die Konzessionsvergaben unter maßgeblicher Berücksichtigung der Zielvorgaben des § 1 EnWG zu erfolgen haben, sei weder zu weitgehend noch zu unbestimmt und stelle für die Beschwerdeführerin keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte dar.

Hinsichtlich des weiteren Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2013 verwiesen.

B.

Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die Beschwerde ist zulässig. Die Missbrauchsverfügung des M. B.-​W. als Landesenergiekartellbehörde (EKartB) wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung vom 28. Februar 2013 (Az.: 6-​4452.85/152) wurde der Beschwerdeführerin am 28. Februar 2013 zugestellt. Die Beschwerde ist am 28. Februar 2013 eingegangen (GA 1 ff.); der Eingang der Beschwerdebegründung (GA 46 ff.) datiert vom 29. April 2013 und ist damit rechtzeitig.

Zwar beträgt die Frist für die Beschwerdebegründung gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 GWB zwei Monate und beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass der 28. April 2013 auf einen Sonntag fiel. Gemäß § 73 Abs. 1 Nr. 2 GWB i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO lief damit vorliegend die Frist zur Einreichung einer Beschwerdebegründung bis zum 29. April 2013.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die angegriffene Verfügung der EKartB vom 28. Februar 2013 ist zulässig und begründet.

1.

Die angegriffene Verfügung der EKartB vom 28. Februar 2013 ist zulässig. Bedenken gegen die sachliche und örtliche Zuständigkeit der EKartB oder gegen die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen bestehen nicht und werden von keiner Partei erhoben.

2.

Die angegriffene Verfügung ist auch begründet. Die Vergabe der Wegerechte Strom und Gas durch die Beschwerdeführerin verstößt gegen § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB.

a)

Die Vorschriften des GWB finden vorliegend Anwendung.

Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 GWB erstreckt sich der Anwendungsbereich des Gesetzes auch auf Unternehmen, die ganz oder teilweise im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder die von ihr verwaltet oder betrieben werden. Nach dieser Vorschrift ist also die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand vom Kartellrecht des GWB erfasst (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 1986, Az.: KVR 5/85 = RdE 1986, 118 ff.).

Auch stehen die Vorschriften des EnWG der Anwendung der §§ 19, 20 GWB nicht entgegen. Dies wäre gem. § 130 Abs. 3 GWB nur dann der Fall, wenn in § 111 EnWG eine andere Regelung getroffen wäre. Weder das EnWG selbst noch eine auf Grund des EnWG erlassene Rechtsverordnung indes treffen für das Recht der Vergabe von Wegenutzungsverträgen eine ausdrücklich abschließende Regelung (§ 111 Abs. 1 EnWG). Damit verbleibt es bei der Anwendbarkeit der §§ 19, 20 GWB.

b)

Vorliegend ist das GWB in der aktuellen Fassung der 8. GWB-​Novelle anzuwenden.

Am 29. Juni 2013 ist das 8. Gesetz zur Änderung des GWB im Bundesgesetzblatt verkündet worden (BGBl. 2013, I, Seite 1738). Das Gesetz ist überwiegend und insbesondere in den hier relevanten Teilen am 30. Juni 2013 in Kraft getreten (vgl. zur Übergangsbestimmung des § 131 GWB Bechtold, GWB, 7. Aufl. 2013, § 131 Rz. 5).

Die Missbrauchsverfügung vom 28. Februar 2013 erging noch unter der Geltung vormaligen Rechts und ist auf §§ 19 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB a.F. gestützt. Durch die 8. GWB-​Novelle wurden die §§ 19 Abs. 2, 20 Abs. 1 GWB a.F. gestrichen. Sachliche Änderungen für das hiesige Verfahren ergeben sich dadurch aber nicht: Im Zuge der Reform wurden die Regelungsinhalte des vormaligen § 19 Abs. 4 GWB a.F. und des § 20 Abs. 1 GWB a.F. in den neuen § 19 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 GWB überführt und es wurden die beiden bislang in § 19 Abs. 4 Nr. 1 und § 20 Abs. 1 GWB a.F. enthaltenen Tatbestände für den Behinderungsmissbrauch redaktionell bereinigt und zusammengeführt. (vgl. BT-​Drs. 17/9852, Seite 23 f.).

Ausweislich der Gesetzesbegründung dient diese Zusammenführung lediglich der Klarstellung und soll keine Änderung des materiellen Gehalts des Behinderungsmissbrauchs bewirken. Für die Auslegung des Tatbestandes ist also weiterhin die ergangene Rechtsprechung zu § 19 Abs. 1 GWB i.V.m. § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB a.F. und zu § 20 Abs. 1 GWB a.F. maßgeblich (vgl. BT-​Drs. 17/9852, Seite 23; ferner Bechtold, GWB, 7. Aufl. 2013, § 19 Rz. 1).

c)

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB liegen vor. Die Beschwerdeführerin hat ihre marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt.

aa)

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um ein Unternehmen i.S.d. § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB.

Zur Vermeidung unerwünschter Schutzlücken ist der kartellrechtliche Unternehmensbegriff weit auszulegen. Ein Unternehmen ist anzunehmen, soweit eine aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben durch Betätigung in der Erzeugung oder im Geschäftsverkehr vorliegt. Nur die hoheitliche Tätigkeit und das Handeln privater Verbraucher zur Deckung persönlicher Bedürfnisse sind ausgenommen (vgl. Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl. 2007, § 1 Rz. 27 ff.; Bechtold, in: Bechtold, GWB, 7. Aufl. 2013, § 1 Rz. 7). Hier kann der Abschluss energiewirtschaftlicher Konzessionsverträge seitens einer Kommune nicht als hoheitliche Tätigkeit angesehen werden, da diese Verträge trotz der vorgelagerten Entscheidung im Gemeinderat zivilrechtlicher Natur sind. Außerdem nehmen die Kommunen mit der Vergabe von Wegerechten und der Erzielung von Konzessionsabgaben eine wirtschaftliche Nutzung ihrer Straßen, Wege und Plätze vor (vgl. Schleswig-​Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 22. November 2012, Az.: 16 U (Kart) 21/12 = ZNER 2013, 403 ff.).

bb)

Die Beschwerdeführerin hat eine marktbeherrschende Stellung inne.

Marktbeherrschung ist ein Zentralbegriff des Kartellrechts; marktbeherrschende Unternehmen unterliegen dem strengen Missbrauchsverbot gemäß § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB (vgl. Bechtold, in: Bechtold, GWB, 7. Aufl. 2013, § 18 Rz. 2).

Nach § 18 Abs. 1 GWB bestehen drei Möglichkeiten für die Begründung einer marktbeherrschenden Stellung: Zu unterscheiden ist zwischen dem Monopol gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB, dem Quasi-​Monopol gem. § 18 Abs. 1 Nr. 2 GWB und einer überragenden Marktstellung gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB.

Hier liegt ein Fall des § 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB vor: Der sachlich und örtlich relevante Markt ist derjenige des örtlichen Strom- bzw. Gaskonzessionsgebietes. Wer als Verteilnetzbetreiber in der Gemeinde tätig werden will, kann dies nur durch den Abschluss eines Konzessionsvertrages mit dieser erreichen. Die Gemeinde ist also insoweit Monopolist, da nur sie in der Lage ist, einem Interessenten die für den örtlichen Verteilnetzbetrieb erforderlichen Leitungsrechte zu verschaffen, weil ihr allein gemäß § 46 Abs. 2 EnWG die Dispositionsbefugnis über die Neuvergabe von Konzessionen zusteht (vgl. Schleswig-​Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 22. November 2012, Az.: 16 U (Kart) 21/12 = ZNER 2013, 403 ff.).

cc)

Die Beschwerdeführerin hat ihre marktbeherrschende Stellung i.S.d. § 19 Abs. 1 GWB missbräuchlich ausgenutzt.

(1)

Die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB untersagt die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB ist sowohl eine unmittelbare oder mittelbare unbillige Behinderung als auch eine unmittelbare oder mittelbare Andersbehandlung im Vergleich zu einem gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund verboten.

Zwar steht grundsätzlich auch einem marktbeherrschenden Unternehmen ein unternehmerischer Freiraum zu und es ist ihm grundsätzlich selbst überlassen, die Art seiner wirtschaftlichen Betätigung zu bestimmen. Dabei dürfen allerdings solche Mittel nicht eingesetzt werden, die der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB zuwiderlaufen.

Vor diesem Hintergrund soll das allgemeine Behinderungs- und Diskriminierungsverbot des § 19 Abs. 2 Nr. 1, 1. und 2. Alt. GWB einen Missbrauch der wirtschaftlichen Macht von Normadressaten bereits im Frühstadium verhindern.

Dabei ist das Tatbestandsmerkmal der Behinderung (§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 1. Alt. GWB) weit auszulegen. Es erfasst jedes Marktverhalten, das objektiv nachteilige Auswirkungen auf die wettbewerbliche Entfaltungsfreiheit für die hiervon Betroffenen hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 12. Dezember 2001, Az.: U (Kart) 4/01 = NJW-​RR 2002, 1404; Bechtold, in: Bechtold, GWB, 7. Aufl. 2013, § 19 Rz. 6 ff.). Ob eine Behinderung unbillig ist, ist an Hand einer Interessenabwägung zu bestimmen, in die einzubeziehen sind die Interessen aller Beteiligten und die auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichtete Zielsetzung des GWB (vgl. Bechtold, in: Bechtold, GWB, 7. Aufl. 2013, § 19 Rz. 16).

Zudem ist es dem Normadressaten gem. § 19 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alt. GWB untersagt, wirtschaftlich gleichliegende Sachverhalte ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich („anders“) zu behandeln, wobei für die sachliche Rechtfertigung das gleiche gilt wie für die Unbilligkeit i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 1, 1. Alt. GWB (vgl. Bechtold, in: Bechtold, GWB, 6. Aufl. 2010, § 19 Rz. 42).

Schließlich lassen sich das Diskriminierungsverbot, das Behinderungsverbot und das Gebot zur Gleichbehandlung und Transparenz auch aus § 46 Abs. 1 EnWG herleiten, wonach Gemeinden ihre öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, einschließlich Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung und Zubehör, zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet diskriminierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen haben.

(2)

Hier verstößt das Auswahlverfahren der Beschwerdeführerin gegen das Gebot der Diskriminierungsfreiheit, das Behinderungsverbot und das Gebot zur Transparenz und Gleichbehandlung. Eine missbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung ist darin zu sehen, dass die Beschwerdeführerin bei der Auswahl der Konzessionsnehmer Strom und Gas die den Zielvorgaben des § 1 EnWG entsprechenden Auswahlkriterien in nicht ausreichendem Maße zugrunde gelegt hat.

α)

Nach § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG ist die Gemeinde bei der Auswahl des Unternehmens den Zielen des § 1 EnWG verpflichtet. § 1 EnWG nennt als Zweck des Gesetzes eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leistungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht. Ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-​Drs. 17/6072, Seite 88) müssen sich die sachgerechten Kriterien für die Entscheidung einer Gemeinde aufgrund der Vorgabe der Entflechtung des Netzbetriebes von Vertrieb und Erzeugung auf Aspekte des Netzbetriebes beschränken (vgl. auch Theobald, in: Danner/Theobald, Energierecht Stand Dezember 2012, Anhang zu § 46 EnWG).

§ 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG ist im vorliegenden Fall anwendbar. Zwar wurde die Vorschrift erst mit Wirkung zum 4. August 2011 in das Gesetz aufgenommen (vgl. BGBl I 2001, Seite 1554 ff.). Zum einen ist aber zu berücksichtigen, dass der entscheidende Beschluss des Gemeinderats der Beschwerdeführerin über die Vergabe der Strom- und Gaskonzession an die Stadtwerke S. ab 1. Januar 2013 und zur Beteiligung der Beschwerdeführerin an der S. GmbH & Co. KG mit 60% erst danach, nämlich am 21. November 2011 (Anl. Bf. 9), erging. Zum anderen folgt aus den Gesetzgebungsmaterialien (vgl. BT-​Drs. 17/6072, Seite 88), dass es sich bei § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG um eine lediglich klarstellende Vorschrift handelt, was bedeutet, dass der sachliche Gehalt der Norm auch schon vor deren Inkrafttreten zu berücksichtigen war.

β)

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin genügt es vor dem Hintergrund der Verweisung in § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG auf § 1 EnWG nicht, dass eine Gemeinde bei ihrer Auswahlentscheidung die Ziele des § 1 EnWG lediglich mitberücksichtigt. Vielmehr bedarf es einer ausschließlichen oder jedenfalls gegenüber anderen gemeindlichen Zielen deutlich vorrangigen Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG und eine Kommune kann im Rahmen des § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG daneben allenfalls in ausgesprochen eingeschränktem Maße weitere Kriterien berücksichtigen (ebenso Schleswig-​Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 22. November 2012, Az.: 16 U (Kart) 21/12 = ZNER 2013, 403 ff.; Höch, in: RdE, 2013, 62; Hofmann, in: NZBau 2012, 11 ff; a.A. Fischer/Wolf/Embacher, in: RdE 2012, 274 ff.).

Das bedeutet, dass bei der Auswahlentscheidung in erster Linie maßgeblich sein müssen das Niveau der erreichbaren Netzentgelte und die Effizienz eines Netzbetreibers. Ebenso sind Qualitätskriterien wie etwa die Umweltverträglichkeit oder die Sicherung des störungsfreien Netzbetriebes beachtlich. Erst in zweiter Linie und nur deutlich untergeordnet können fiskalische Interessen einer Kommune eine Rolle spielen, wie etwa die Höhe der Konzessionsabgabe oder die Höhe des sog. Kommunalrabatts.

Da eine solche, deutlich vorrangige Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG hier nicht erfolgt ist, liegt bereits aus diesem Grund eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung i.S.d. § 19 Abs. 1 GWB vor. Die Beschwerdeführerin hat hier von vornherein das Verfahren am Ziel einer Rekommunalisierung ausgerichtet und dabei jedenfalls auch sachfremden, weil nicht in § 1 EnWG genannten Zielen in ihrem Entscheidungsfindungsprozess eine zu große Bedeutung beigemessen.

Für dieses Ergebnis spricht eine Auslegung des § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik und Sinn und Zweck:

Zunächst spricht der Wortlaut des § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG („Bei der Auswahl des Unternehmens ist die Kommune den Zielen des § 1 EnWG verpflichtet.“) sogar für eine Auslegung der Vorschrift als strengen Verpflichtungstatbestand, der einer Kommune die Berücksichtigung anderer Auswahlkriterien verwehrt (vgl. Schleswig-​Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 22. November 2012, Az.: 16 U (Kart) 21/12 = ZNER 2013, 403 ff.; LG Kiel, Urteil vom 3. Februar 2012, Az.: 14 O Kart 83/10 = RdE, 2012, 260 ff.; Höch, in: RdE, 2013, 62). Auch wenn die sprachliche Fassung das Wort „nur“ oder das Wort „allein“ nicht enthält, ist nicht zu verkennen, dass die Gesetzesformulierung neben den Zielen des § 1 EnWG keine weiteren benennt.

Gestützt wird diese Wortlautauslegung ferner durch den entstehungsgeschichtlichen Hintergrund des § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG: Bereits die Regelung des § 103a Abs. 1 Satz 1 GWB 1980 wies den Kommunen anstelle der Letztverbraucher die Entscheidung über den für das Gemeindegebiet zuständigen Versorger zu, was regelungstechnisch durch die gesetzliche Einführung einer Laufzeitbegrenzung von Konzessionsverträgen auf zwanzig Jahre ermöglicht wurde (vgl. Keller-​Herder, Der Konzessionsvertrag unter dem neuen Energiewirtschaftsrecht, 2009, Seite 254 f.; Höch, in: RdE, 2013, 62). An dieser Zielsetzung und an dieser Methode der Zielerreichung hielt der Gesetzgeber im Rahmen der EnWG-​Novellen 1998 und 2005 fest (vgl. Höch, in: RdE, 2013, 62). Nichts anderes gilt heute im Bereich der Netze: Wenn aber de lege lata nach wie vor die Kommune anstelle des Kunden über den Netzbetreiber zu entscheiden hat, so spricht dies dafür, dass die Kommune ihre Vergabekriterien und ihre Entscheidung allgemeinwohlbezogen nach der objektiven Interessenlage eines typisierten Netzkunden festlegen und treffen muss und nicht unter Berücksichtigung eigener fiskalischer Interessen (vgl. Höch, in: RdE, 2013, 62).

Außerdem ergibt sich ein weiteres entstehungsgeschichtliches Argument für die hier vertretene Auffassung aus dem Gesetzgebungsverfahren, das letztlich zu § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG geführt hat: Diskutiert wurde nämlich eine Neuformulierung des § 46 Abs. 3 EnWG, wonach die Ziele des § 1 EnWG in die Entscheidung der Kommune lediglich „miteinzubeziehen“ gewesen wären (vgl. BR-​Drucks. 520/12, Seite 11; ferner BT-​Drucks. 17/11269, S. 35). Diese Formulierung „miteinzubeziehen“ hätte eine untergeordnete oder sogar gleichrangige Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG neben anderen Zielen zugelassen; sie wurde indes nicht Gesetz. Auch dieser Aspekt verdeutlicht, dass de lege lata die Ziele des § 1 EnWG im Rahmen der Entscheidung der Kommune ausschließlich oder jedenfalls deutlich vorrangig zu berücksichtigen sind.

Weiter stützt eine systematische Auslegung das hier vertretene Ergebnis: In der Zusammenschau des § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG und der §§ 46 Abs. 1 Satz 2, 48 Abs. 1 Satz 1 EnWG, §§ 2, 3 der Konzessionsabgabenverordnung (KAV) wird einerseits zwar deutlich, dass im Rahmen der Konzessionsvergabeentscheidung fiskalische Interessen einer Gemeinde nicht unberücksichtigt zu bleiben haben, andererseits aber auch, dass deren Berücksichtigung nur in engen Grenzen erfolgen kann. Die §§ 2 und 3 KAV begrenzen nämlich die zulässige Höhe von Konzessionsabgaben für Strom und Gas und die Zulässigkeit von anderen Leistungen als Konzessionsabgaben. Wenn der Gesetzgeber aber den fiskalischen Interessen einer Gemeinde derartig enge Grenzen setzt, so unterstreicht dies einmal mehr, in welch deutlich vorrangigem Maße sich demgegenüber eine Auswahlentscheidung an den in § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG einschränkungslos genannten Zielen des § 1 EnWG zu orientieren hat.

Zudem streitet für eine entsprechende Auslegung des § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG dessen Telos: § 46 Abs. 3 EnWG führt einen Wettbewerb um die Netze ein, der dazu dient, die in § 1 EnWG normierten grundsätzlichen Ziele des Gesetzes zu erreichen. Bewusst hat der Gesetzgeber einen Wettbewerb unterbunden, in dem derjenige Bieter obsiegt, der für die Konzession am meisten bezahlt. Stattdessen legt § 1 EnWG im Einzelnen netzwirtschaftliche Anforderungen fest, neben denen eine kommunale Parallel-​Energiepolitik nicht vorgesehen ist. Dem hat die Kommune im Rahmen des Konzessionierungsverfahrens Rechnung zu tragen (vgl. Höch, in: RdE, 2013, 63).

Schließlich lassen sich der hier vertretenen Auslegung keine gegenläufigen, verfassungsrechtlichen Aspekte entgegen halten: Eine jedenfalls deutlich vorrangige Berücksichtigung der im Interesse der Allgemeinheit in § 1 EnWG festgeschriebenen Ziele im Rahmen der Konzessionsvergabe berührt den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 71 LV BW) nicht.

γ)

Die aufgestellten Kriterien des Kriterienkataloges Strom und Gas der Beschwerdeführerin berücksichtigen die Ziele des § 1 EnWG weder ausschließlich noch deutlich vorrangig und damit nicht in ausreichendem Maß gemäß § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG.

Am 16. Mai 2011 hat der Gemeinderat der Beschwerdeführerin einen zwölf Kriterien umfassenden Kriterienkatalog für die Auswahlentscheidung über die Strom- und Gaskonzession mit einer entsprechenden Gewichtung der einzelnen Kriterien beschlossen (Anlage Bf. 6). Die Beschwerdebegründung selbst geht davon aus, dass lediglich die Hälfte, also sechs der dort genannten Kriterien, einen direkten Bezug zu den Zielen des § 1 EnWG haben, nämlich die Kriterien „energiepolitische Leistungen“, „Vereinbarung über konkurrierende Direktleitungsbauten“, „Telekommunikation/Erschließung DSL“, „Verkabelung“, „günstige Netzentgelte“ und „Netzerneuerung mit Blick auf intelligente Netze (smart grid)“. Keinen Bezug zu den Zielen des § 1 EnWG haben demgegenüber die im Katalog ebenfalls aufgeführten Kriterien „max. Konzessionsabgabe“, „Kommunalrabatt 10% auf Nutzungsentgelte“, „Folgekostenübernahme minimieren“, „Verwaltungskostenerstattung für gemeindliche Gegenleistungen“, „Endschaftsbestimmung Eigentum“ und „Endschaftsbestimmung Auskünfte“.

Ob tatsächlich die seitens der Beschwerdeführerin genannten ersten sechs Kriterien einen Bezug zu den Zielen des § 1 EnWG haben, was die Beschwerdegegnerin etwa für das Kriterium „Vereinbarung über konkurrierende Direktleitungsbauten“ bezweifelt, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn nämlich sechs der zwölf Kriterien einen Bezug zu § 1 EnWG aufwiesen, genügte dies nicht, um von einer zumindest deutlich vorrangigen Berücksichtigung dieser Ziele gem. § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG ausgehen zu können.

Berücksichtigt man zudem die Gewichtung der einzelnen Kriterien, so ergibt sich, dass für diejenigen sechs Kriterien, die nach der Ansicht der Beschwerdeführerin einen Bezug zu § 1 EnWG aufweisen, nach ihren Vorgaben maximal 380 von insgesamt bis zu 840 Punkten vergeben werden können. Die Kriterien mit Bezug zu den Zielen des § 1 EnWG erreichen also insgesamt lediglich ein Entscheidungsgewicht von maximal 45% (380/840 = 45,24%).

Einer Entscheidung, ab wann von einer zumindest deutlich vorrangigen Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG neben anderen Zielen im Rahmen des § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG ausgegangen werden kann, bedarf es hier nicht. Jedenfalls genügen der streitgegenständliche Kriterienkatalog und die vorgesehene Gewichtung der Kriterien dem Erfordernis einer deutlich vorrangigen Berücksichtigung nicht. Anschaulich hat die Beschwerdegegnerin zudem aufgezeigt, in welcher Weise weitere Kriterien hätten gewählt werden können, die einen klaren Bezug zu den Zielen des § 1 EnWG aufweisen (GA 64).

δ)

Zutreffend hat die Beschwerdegegnerin zudem weitere Argumente aufgeführt, die eine sachfremde, weil nicht bzw. jedenfalls nicht deutlich vorrangig an den Zielen des § 1 EnWG orientierte Vergabe der Konzessionen an einen Bewerber belegen:

Tatsächlich wurden die Konzessionen an die Stadtwerke der Beschwerdeführerin und damit an einen Bewerber vergeben, der beim Kriterium Netzentgelte null Punkte erhielt. Auch nach dem eigenen Vortrag der Beschwerdeführerin verfügen ihre Stadtwerke weder über Fachpersonal noch über Erfahrung im Strom- bzw. Gasnetzbetrieb.

Auf der Checkliste für die Gemeinderatssitzung am 18. Juli 2011 (Anl. Bf. 4) ist mit dem „Gewerbesteueraufkommen“ ein weiteres Kriterium genannt, das keinen Bezug zu den Zielen des § 1 EnWG aufweist. Unabhängig davon, dass dieses Kriterium nicht in der Bewertungsmatrix für die Gemeinderatssitzung am 21. November 2011 (Anl. Bf. 9) auftaucht, liefert die Nennung des Kriteriums in der Checkliste für den 18. Juli 2011 ein weiteres Argument für die unzureichende Ausrichtung der Konzessionsvergabe an den Zielen des § 1 EnWG.

Der chronologische Ablauf der Konzessionsvergabeverfahren Strom und Gas belegt, dass die Beschwerdeführerin – entgegen der Darstellung in der Beschwerdebegründung – von vornherein nicht zwei voneinander unabhängige und vollständig getrennte Verfahren der eigentlichen Konzessionsvergabe und der Suche nach einem Kooperationspartner durchgeführt hat. Vielmehr wurde die Grenze zwischen diesen beiden Verfahren verwischt, was wiederum belegt, dass ein transparentes und diskriminierungsfreies Konzessionsvergabeverfahren nicht durchgeführt wurde.

Schließlich hätte der Umstand nicht berücksichtigt werden dürfen, dass nur die E. mit Blick auf die Stromversorgung in der Lage war, bereits ab dem 1. Januar 2012 eine gemeinsame Gesellschaft zum Betrieb des Stromnetzes anzubieten. Dies verdeutlicht, dass zum Zeitpunkt der Konzessionsvergaben faktisch schon feststand, dass eine Kooperation mit der E. eingegangen werden soll.

In dem aus den genannten Gründen sachwidrigen Kriterienkatalog ist sowohl eine missbräuchliche Ausnutzung i.S.d. § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB als auch ein Verstoß gegen das § 46 Abs. 1 EnWG zu entnehmende Diskriminierungsverbot zu sehen.

dd)

Die in der Missbrauchsverfügung ausgesprochene Sanktion ist verhältnismäßig.

Nach § 32 GWB kann die Kartellbehörde Unternehmen verpflichten, eine Zuwiderhandlung gegen das GWB abzustellen. Hierzu kann sie alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben, die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung verhältnismäßig und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich sind.

Mit Recht hat die Beschwerdegegnerin berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin vorliegend gegen zentrale Grundgedanken der Missbrauchsvorschriften des GWB verstoßen hat. In fehlerfreier Weise hat sie das ihr eingeräumte Ermessen ausgeübt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das öffentliche Interesse an einer Sicherstellung, dass Konzessionen kartellrechtskonform vergeben werden, gegenüber den Interessen und Belangen der Beschwerdeführerin überwiegt.

Die Verpflichtung, die eingeleiteten Verfahren zum Abschluss der Konzessionsverträge Strom und Gas zu wiederholen, ist mithin verhältnismäßig.

Die weiter getroffene Anordnung, bei der Wiederholung dieser Verfahren sicherzustellen, dass die Konzessionen in einem transparenten und diskriminierungsfreien Auswahlverfahren vergeben und dass dabei maßgeblich die Zielvorgaben des § 1 EnWG berücksichtigt werden (vgl. Ziff. 3 des Tenors der Missbrauchsverfügung vom 28. Februar 2013), ist weder zu weit noch zu unbestimmt. Vielmehr ist diese Anordnung gerade auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten (Art. 28 Abs. 2 GG) mit Blick auf das Recht der kommunalen Selbstverwaltung geboten, um der Gemeinde bei der Wiederholung einen ausreichend großen Spielraum innerhalb der gesetzlich gesetzten Grenzen zu belassen.

ee)

Soweit in der Missbrauchsverfügung vom 28. Februar 2013 weitere Gründe für ein missbräuchliches Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung seitens der Beschwerdeführerin genannt sind, bedarf es keiner Entscheidung, ob auch diese einen Missbrauchsvorwurf stützen. Bereits aus den vorstehenden Ausführungen zur nicht ausreichenden Ausrichtung an den Zielvorgaben des § 1 EnWG folgt ein Verstoß der Beschwerdeführerin gegen § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB.

3.

Schließlich steht die Kostenentscheidung der Missbrauchsverfügung vom 28. Februar 2013 im Einklang mit § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GWB.

Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung des Verfahrens und vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Wertes der Konzessionsverträge erscheint dem Senat der seitens der Beschwerdegegnerin gewählte Gebührenansatz als eher am unteren Rand des Angemessenen. Zu berücksichtigen ist, dass es sich vorliegend um zwei Konzessionen (Strom und Gas) handelt, dass die Verträge eine lange Laufzeit haben und dass auf Seiten der Beschwerdegegnerin ein nicht unerheblicher Verwaltungsaufwand entstanden ist. Eine Gebühr i.H.v. 14.000,00 Euro, also etwa i.H.v. 50% des Maximalbetrag i.H.v. 25.000,00 Euro erscheint daher jedenfalls angemessen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Satz 2 GWB. Da sich das Bundeskartellamt und die Beigeladenen nicht am Verfahren beteiligt haben, sind Kostenerstattungsansprüche von ihnen nicht gegeben.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 GWB nicht vorliegen. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abstrakt geklärt und die Auswirkungen dieser Grundsätze betreffen nur den jeweiligen Einzelfall.

In ihrer Beschwerdebegründung (GA 109) hat die Beschwerdeführerin den Beschwerdewert mit 271.290,00 Euro angegeben. Dieser Betrag entspricht der Summe der im Jahr 2012 von der Beschwerdeführerin vereinnahmten Konzessionsabgaben aus den Konzessionsverträgen für das Strom- und das Gasnetz der Gemeinde. Die Beschwerdegegnerin ist dem nicht entgegengetreten. Der Beschwerdewert war damit entsprechend festzusetzen.

Der Beschluss ist mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen (§ 71 Abs. 6 GWB). Sie hat Bedeutung für die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde (§ 74 Abs. 4 GWB) sowie die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 75 GWB.