LG Mannheim: Wirksamkeit einer Endschaftsbestimmung in einem Konzessionsvertrag zwischen einer Gemeinde und einem Energieversorgungsunternehmen unter Vereinbarung eines Vorbehaltskaufpreises

LG Mannheim: Wirksamkeit einer Endschaftsbestimmung in einem Konzessionsvertrag zwischen einer Gemeinde und einem Energieversorgungsunternehmen unter Vereinbarung eines Vorbehaltskaufpreises

LG Mannheim: Wirksamkeit einer Endschaftsbestimmung in einem Konzessionsvertrag zwischen einer Gemeinde und einem Energieversorgungsunternehmen unter Vereinbarung eines Vorbehaltskaufpreises 150 150 Dr. Sven Höhne (kbk Rechtsanwälte)

LG Mannheim, Urteil vom 08.10.2010, Az.: 7 O 20/10

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

1 Die Parteien streiten über die kartellrechtliche Wirksamkeit einer Endschaftsregelung, auf deren Grundlage die Gemeinde [A.] nach Auslaufen eines Konzessionsvertrages mit der Beklagten, der den Betrieb des örtlichen Erdgasverteilnetzes betraf, die Übertragung des Eigentums an den Gasversorgungseinrichtungen an sich selbst oder einen neuen Betreiber zum Sachzeitwert verlangen konnte. Die Klägerin, die die Erdgasversorgungsanlagen als neue Betreiberin von der Beklagten erwarb, macht mit der vorliegenden Klage die Rückzahlung eines Teilbetrages der an die Beklagte gezahlten Geldsumme geltend. Die Anteile der im Oktober 2008 gegründeten Klägerin werden vollständig von der [B.] GmbH gehalten, deren Anteile wiederum ausschließlich von der Stadt [B.] gehalten werden. Die Klägerin betreibt das örtliche Erdgasverteilnetz in [A.] und versorgt die Letztverbraucher mit Erdgas. Die Beklagte ist ein börsennotiertes Energieversorgungsunternehmen und war bis zum 30.11.2008 Eigentümerin des Erdgasverteilnetzes in [A.], das bis zu diesem Datum durch die [C.] GmbH betrieben wurde, deren Anteile zu 70 % von der Beklagten gehalten werden. Die Beklagte war vom 20.11.1999 bis zum 30.09.2008 mit der Gemeinde [A.] durch einen Konzessionsvertrag (Konzessionsvertrag vom 20.10.1999, Anlage K1) verbunden. Der Vertrag enthält in §§ 14 und 15 nachfolgende, in Auszügen wiedergegebene Regelungen:

2 § 14 Übernahmepflicht für die Versorgungseinrichtungen, Entgelt und Kontrollrechte

3 1. Die Gemeinde ist berechtigt, die Versorgungseinrichtungen, soweit diese ausschließlich der Versorgung von Kunden im Gemeindegebiet dienen, bei Ablauf des Vertrages zum Sachzeitwert zu übernehmen. […]

4 Die Gemeinde ist verpflichtet, die in Satz 1 genannten Versorgungseinrichtungen zum Sachzeitwert zu übernehmen, wenn sie selbst die Versorgung übernimmt. Überträgt sie die Versorgung einem Dritten, wird sie dafür Sorge tragen, daß dieser Dritte die Versorgungseinrichtungen zum Sachzeitwert übernimmt. […]

5 § 15 Loyalitäts- und Unwirksamkeitsklausel, Schiedsgutachterverfahren, Gerichtsstand

6 2. Besteht Streit zwischen den Parteien darüber, in welcher Höhe der Sachzeitwert im Sinne des § 14 festzusetzen ist, so entscheidet hierüber ein Sachverständiger für beide Parteien […].

7 Können die Parteien keine Verständigung über das Gutachten des Sachverständigen erzielen, so hat jeder Beteiligte das Recht, eine Entscheidung durch das ordentliche Gericht zu verlangen. […]

8 Die Gemeinde [A.] verlängerte den Konzessionsvertrag mit der Beklagten am Ende seiner Laufzeit nicht, sondern schloss mit der Klägerin einen neuen Konzessionsvertrag (Konzessionsvertrag vom 25.09.2008, Anlage K 2). Die Klägerin erwarb sodann die Versorgungsanlagen in Ausführung der oben wiedergegebenen Endschaftsregelung durch Kaufvertrag vom 26.11.2008 (Anlage K 4) von der Beklagten zu einem „vorläufigen Kaufpreis“ von € 5.355.000,– (Anlage K 4, § 2 (3)). Die Gemeinde [A.] hatte ihr zuvor das der Gemeinde in § 14 des Konzessionsvertrages eingeräumte Recht, die Versorgungsanlagen erwerben zu können, abgetreten (Abtretungserklärung v. 10.07.2008, Anlage K 3). Die Klägerin entrichtete den Betrag mit Wertstellung zum 01.12.2008 vollständig (Anlage K 5). Der Sachzeitwert des Gasversorgungsnetzes beträgt – unstreitig – € 4.649.449 (netto).

9 Die Klägerin trägt vor, sie schulde lediglich einen Betrag in Höhe von € 3.136.000 (netto) bzw. € 3.731.840 (brutto), der dem Ertragswert des Erdgasverteilnetzes in [A.] entspreche. Die gegen die Ertragswertberechnung der Klägerin vorgebrachten Einwände der Beklagten verfingen nicht. Daher könne sie den überzahlten Betrag, den sie mit der Klage geltend macht, von der Beklagten zurückverlangen. Die Zahlung sei insoweit ohne rechtlichen Grund erfolgt, weil die in § 14 des Konzessionsvertrages zwischen der Gemeinde [A.] und der Beklagten enthaltene Endschaftsregelung kartellrechtlich zu beanstanden und deshalb verboten sei. Die Bestimmung sei nach der „Kaufering-Entscheidung“ des Bundesgerichtshofs (BGHZ 143, 128, Anlage K 7) unwirksam. Die Grundsätze der Entscheidung beanspruchten auch für den vorliegenden Sachverhalt Geltung. Nach Auffassung der Klägerin ist der Entscheidung zu entnehmen, dass eine Klausel, die die Verpflichtung der Erwerberin zur Entrichtung eines Kaufpreises in Höhe des Sachzeitwertes vorsieht, jedenfalls dann aus kartellrechtlichen Gründen unwirksam ist, Sachzeitwert den Ertragswert des Netzes nicht unerheblich übersteigt. In diesem Fall sei nämlich die Übernahme der Stromversorgung durch einen neuen Versorger aus Rentabilitätsgründen ausgeschlossen und die Kommune bliebe als Konsequenz faktisch an den bisherigen Versorger gebunden.

10 Im vorliegenden Fall liege eine erhebliche Differenz zwischen dem Sachzeitwert und dem Ertragswert vor, da der Sachzeitwert den Ertragswert um 55,26 % übersteige. Somit sei die Endschaftsbestimmung in § 14 des Konzessionsvertrages nach § 1 GWB i.V.m. § 134 BGB unwirksam, sodass der geltende gemachte Betrag mangels Rechtsgrundes nach §§ 812 Abs. 1 S.1, Alt. 1, 818 ff. BGB zurückzuzahlen sei.

11 Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs behalte auch nach der Einführung des Wettbewerbes in den Energieversorgungsnetzen durch das Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 24.04.1998 (BGBl. I S. 730) ihre Gültigkeit und sei auf die vorliegend in Rede stehende Übertragung von Gasversorgungsnetzen übertragbar.

12 Überdies könne die Klägerin aus § 33 Abs. 1 S. 1 GWB die Beseitigung des kartellrechtswidrigen Zustandes verlangen, die vorliegend auf Rückzahlung des überzahlten Betrages gerichtet sei. Die Weigerung der Beklagten, einen Kaufpreis auf Ertragswertbasis zu akzeptieren, stelle eine wettbewerbswidrige Behinderung der Wettbewerbsmöglichkeiten der Klägerin i.S.d. § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB dar. Die Beklagte nutze ihre marktbeherrschende Stellung ohne sachliche Rechtfertigung aus. Überdies begründe auch § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG, demzufolge der bisherige Nutzungsberechtigte verpflichtet sei, seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu überlassen, lediglich einen Anspruch der Beklagten auf Zahlung eines Kaufpreises in Höhe des Ertragswertes des Netzes.

13 Die Klägerin habe sich lediglich deshalb zur Übernahme des Netzes und zur Entrichtung des vorläufigen Kaufpreises bereit erklärt, um den Übertragungsvorgang nicht um Jahre zu verzögern.

14 Weil die Klägerin den vorläufigen Kaufpreis nach § 2 Abs. 5 des Kaufvertrages nur unter Vorbehalt und nur unter der Voraussetzung, dass die Schuld bestehe, an die Beklagte gezahlt habe, sei es an dieser zu beweisen, dass ihr der Anspruch auf den gezahlten Kaufpreis zustehe (AS 37).

15 Soweit in § 15 Nr. 2 des zwischen der Gemeinde [A.] und der Beklagten geschlossenen Konzessionsvertrages eine Schiedsgutachtenklausel enthalten sei, hindere dieser Umstand vorliegend nicht die unmittelbare Anrufung des Gerichts. Zum einen stehe nicht erst die Höhe des Ertragswertes in Streit, sondern die vorgelagerte Rechtsfrage, ob die Endschaftsbestimmung kartellrechtlich wirksam sei. Zum anderen hätten die Parteien die Schiedsgutachtenabrede durch § 2 des zwischen ihnen geschlossenen Vertrags (Anlage K 4) abbedungen. Überdies gelte die Schiedsgutachtenabrede ohnehin nicht für den gesetzlichen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung für die Überlassung des Netzes aus § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG.

16 Die Klägerin b e a n t r a g t ,

17 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 1.623.160,– nebst Zinsen in Höhe von 6% / Jahr seit dem 01.12.2008 zu bezahlen.

18 Die Beklagte b e a n t r a g t ,

19 die Klage abzuweisen.

20 Die Beklagte trägt vor, die gutachterliche Berechnung des Ertragswertes durch die Klägerin sei von Fehlern behaftet. Maßgeblich sei der subjektivierte und nicht der von der Klägerin zugrundegelegte objektivierte Ertragswert. Selbst der niedrigere, objektivierte Ertragswert belaufe sich bei richtiger Berechnung auf € 4.342.000 (netto). Somit liege der vorläufige Kaufpreis in Höhe von € 4.500.000 (netto) nur um 3,64% über dem Ertragswert. Selbst wenn man die vom Bundesgerichtshof in der Kaufering-Entscheidung aufgestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall anwende, liege daher jedenfalls keine erhebliche Differenz zwischen dem Sachzeitwert und dem Ertragswert der Gasversorgungsanlagen vor, die zu einer kartellrechtlichen Unwirksamkeit der Endschaftsbestimmung führen könnte. Die Klägerin stelle zudem die Verdienstmöglichkeiten, die sie mit dem erworbenen Gasnetz habe, unzutreffend dar. Insbesondere seien die übertragenen Gasverteilungsanlagen noch nicht abgeschrieben, da es sich um ein junges Netz handele. Daher sei zum Bewertungsstichtag die in der GasNEV vorgesehene kalkulatorische Nutzungsdauer noch nicht erreicht.

21 Die Klägerin übersehe, dass der Bundesgerichtshof die Vereinbarung eines Kaufpreises in Höhe des Sachzeitwertes nicht für grundsätzlich unzulässig halte. Der Sachzeitwert stelle im Übrigen die i.S.v. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG wirtschaftlich angemessene Vergütung dar. Wie eine Heranziehung der Gesetzesmaterialien zum EnWG (Anlage B 15) und zu § 3 Abs. 2 Nr. 2 KAV ergebe (Anlage B 13), solle lediglich sichergestellt werden, dass ein Wechsel des Versorgers nicht an prohibitiv wirkenden Kaufpreisen für das Netz scheitere. Daraus folge indes nicht, dass die Vereinbarung der Übernahme des Netzes zum Sachzeitwert per se unzulässig sei.

22 Die Kaufering-Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei zudem auf Gasnetzübernahmen nicht übertragbar. Die Entscheidung beschäftige sich mit der Übertragung von Elektrizitätsversorgungsnetzen, die die steuer- und handelsrechtliche Nutzungsdauer anders als Gasversorgungsnetze bereits überschritten hätten. Die GasNEV sehe für die in [A.] verlegten Rohr- bzw. Hausanschlussleitungen einen Abschreibungszeitraum von 45 bis 55 Jahren vor, wobei das Netz erst seit dem Jahr 1980 schrittweise aufgebaut worden sei und somit noch lange Zeit abgeschrieben werden könne. Weil der Aufbau von Gasversorgungsnetzen in den Anfangsjahren durch hohe Investitionen und geringe Erträge gekennzeichnet sei, sei es für den Betreiber zwingend erforderlich, einem drohenden Verlustgeschäft durch eine Übernahmeregelung zum Sachzeitwert vorbeugen zu können, falls der Gaskonzessionsvertrag nicht über die Erstlaufzeit hinaus verlängert werde. Zudem seien das Netz und der Netzzugang inzwischen streng reguliert und zum Wohle des Verbrauchers wettbewerblich neutralisiert, weshalb ein so massiver Eingriff in die vertragliche Kaufpreisgestaltung, wie sie die in der Kaufering/-Entscheidung aufgestellten Grundsätze darstellten, nicht mehr gerechtfertigt sei.

23 Der Klägerin stehe auch kein Beseitigungsanspruch nach § 33 Abs. 1 GWB zu, da es bereits an einem missbräuchlichen Verhalten der Beklagten fehle.

24 Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 02.07.2010 verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

25 Entscheidungszuständigkeit

26 Das erkennende Gericht ist nach §§ 87 Abs. 1 S. 1, 89 Abs. 1 GWB i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 ZuVOJu zur Entscheidung berufen. Der vorliegende bürgerlichrechtliche Rechtsstreit betrifft das Kartellrecht i.S.d. § 87 Abs. 1 S. 1 GWB, weil das Kartellrecht integraler Bestandteil der Klagebegründung ist und der geltend gemachte Anspruch neben § 812 Abs. 1 S.1, 1. Alt. BGB auch auf § 33 Abs. 1 GWB gestützt wird (vgl. Bechtold, GWB, 5. Aufl. 2008, § 87 Rn. 5 f.; Dicks, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Bd. 2, GWB, § 87 Rn. 16).

B.

27 Klage

28 Die Klage war als unbegründet abzuweisen, da die Klägerin nicht aufgezeigt hat, dass die von ihr angegriffene Endschaftsregelung nach § 14 des Konzessionsvertrages vom 20.10.1999 (Anlage K1) prohibitive Wirkung hat, daher nach § 1 GWB verboten ist und zur Nichtigkeit des Vertrages nach § 134 BGB führt. Somit kann die Klägerin den Betrag in Höhe von € 1.623.160,– weder nach §§ 812 Abs. 1 S.1, 1. Alt, 818 ff. BGB (dazu I.) noch nach § 33 Abs. 1 S.1 i.V.m. § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB (dazu II.) zurückfordern. Die Klage war schließlich auch nicht aufgrund der in § 15 Nr. 2 des Konzessionsvertrages enthaltenen Schiedsgutachtenabrede nur als derzeit unbegründet abzuweisen (dazu III.).

I.

29 Endschaftsregelung verstößt nicht gegen § 1 GWB

30 Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von € 1.623.160,– aus §§ 812 Abs. 1 S.1, 1. Alt, 818 ff. BGB.

31 Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, dass die von ihr angegriffene Endschaftsregelung eine prohibitive Wirkung in dem Sinne entfaltet, dass die Übernahme der Stromversorgung durch einen nach den Maßstäben wirtschaftlicher Vernunft handelnden anderen Versorger ausgeschlossen war und die Gemeinde [A.] daher faktisch an die Beklagte als bisherigen Versorger gebunden blieb. Vielmehr demonstriert der Erwerb des Gasverteilnetzes durch die Klägerin gerade das Gegenteil.

32 1. Nach § 1 GWB ist eine Vereinbarung, ein Beschluss oder eine abgestimmte Verhaltensweise dann verboten, wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder jedenfalls bewirkt. Entscheidend ist, dass die wettbewerbliche Handlungsfreiheit als Anbieter oder Nachfrager beschränkt wird (Bechtold, GWB, 5. Aufl. 2008, § 1 Rn. 24; Nordemann, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Bd. 2, GWB, § 1 Rn. 98). Ausreichend ist die Beeinflussung der materialen Entschließungsfreiheit in dem Sinne, dass es der gemeinsamen Zielvorstellung und kaufmännischen Vernunft widerspricht, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten (BGH WuW/E 2313 ff. (2317)). Die Bestimmung erfasst dabei auch solche Fälle, in denen der Einzelne zwar im Rechtssinne in seiner Entschließungsfreiheit, eine bestimmte unternehmerische Markthandlung vorzunehmen, frei ist, in denen aber vertragliche Bindungen bestehen, die den Gebrauch dieser Freiheit mit bestimmten wirtschaftlichen Nachteilen verknüpfen (BGH WuW/E 1707 ff. (1708) = GRUR 1980, 940 ff. – Taxi-Besitzer-Vereinigung ).

33 Eine Wettbewerbsbeschränkung im so verstandenen Sinne wird insbesondere dann bewirkt, wenn sie objektive Auswirkungen zeitigt, die bei kaufmännisch rationalem Verhalten zu erwarten und daher der beanstandeten Vereinbarung als Folge gleichsam immanent sind (BKartA WuW/E DE-V 209 ff. (212)).

34 2.a) Eine solche prohibitive Wirkung der vorliegend zu beurteilenden Endschaftsregelung hat die Klägerin nicht ausreichend dargetan. Vielmehr beschränkt sie sich darauf, in rechtlicher Hinsicht zu argumentieren, der Kaufering-Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei zu entnehmen, dass eine Endschaftsbestimmung dann unwirksam sei, wenn für die Übertragung des Versorgungsnetzes ein Entgelt in Höhe des Sachzeitwertes zu entrichten sei, das den Ertragswert des Netzes nicht unerheblich überschreite.

35 Dabei verkennt die Klägerin, dass die von ihr herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs die Unwirksamkeit einer solchen Bestimmung nur dann annimmt, wenn durch die Differenz zwischen Sachzeitwert und Ertragswert eine mit dem Regelungszweck des Kartellgesetzes unvereinbare Folge bewirkt wird (vgl. BGHZ 143, 128, 152 ff., bestätigend BGH, Urt. v. 07.02.2006 – KZR 24/04 bei Rn. 25, vgl. Anlage K 8), nämlich die faktische Bindung der Kommune an den bisherigen Versorger dadurch, dass ein nach den Maßstäben wirtschaftlicher Vernunft handelnder anderer Versorger von der Übernahme des Versorgungsnetzes abstehen wird.

36 Entsprechend war die Klägerin im durch den Bundesgerichtshof entschiedenen Fall eine durch einen Energieversorgungsvertrag gebundene Gemeinde, die beabsichtigte, die Energieversorgung in ihrem Gemeindegebiet selbst zu übernehmen. Hieran sah sich die Gemeinde gehindert, weil eine Stromversorgung mit einem auskömmlichen Ergebnis für sie als Übernehmerin aufgrund des für die Übertragung des Versorgungsnetzes zu entrichtenden Entgelts nicht möglich sei.

37 Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin indes das Gasverteilnetz übernommen und damit die Grundentscheidung getroffen, dass der Erwerb des Netzes bei wirtschaftlich vernünftiger, kaufmännischer Abwägung attraktiv ist. Dieser Umstand spricht bereits für sich genommen gegen die Annahme, die vorliegende Endschaftsbestimmung wirke prohibitiv.

38 b) Eine prohibitive Wirkung der Endschaftsbestimmung ist auch nicht dadurch ausreichend aufgezeigt worden, dass die Klägerin betont, sie habe sich allein deshalb auf die Entrichtung des vorläufigen Kaufpreises „eingelassen“ (AS 115), weil sie allein dadurch habe erreichen können, dass ihr das Eigentum an dem Gasversorgungsnetz von der Beklagten mit nur einem Monat Verzögerung und nicht möglicherweise erst nach einem mehrjährigen Rechtsstreit übertragen wurde.

39 Die von der Klägerin dargetane Motivation demonstriert wiederum, dass sie nicht nur ein grundsätzliches Interesses am Erwerb der Gasversorgungsanlagen hatte, sondern aus wirtschaftlichen Erwägungen sogar dazu bereit war, wie geschehen zu verfahren, um sich den alsbaldigen Erwerb des Netzes zu sichern. Wenn die Klägerin betont, sie habe den Kaufpreis zu keinem Zeitpunkt akzeptiert, was auch in der Formulierung des Kaufvertrages in § 2 Niederschlag gefunden habe, so ist diese Argumentation ebenfalls nicht geeignet, darzutun, dass die Endschaftsbestimmung eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfaltet. Zwar macht die Klägerin die Zahlung des vorläufigen Kaufpreises vom Bestehen der Schuld abhängig und stellt die Zahlung unter den Vorbehalt der Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen (§ 2 (5), Anlage K 4). Indes änderte selbst die ebenfalls im Vertragswortlaut bereits thematisierte Möglichkeit einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die angemessene Höhe des Kaufpreises (vgl. § 2 (6), Anlage K 4) nichts am grundsätzlichen Bindungswillen der Klägerin.

40 Vielmehr zeigt die in § 2 (5) des Vertrages enthaltene Klausel, nach der sich die Beklagte gar die Einforderung eines noch höheren Kaufpreises vorbehält, dass die Klägerin auch dieses mögliche Szenario im Blick hatte, ohne von ihrer grundsätzlichen Entscheidung, das Versorgungsnetz erwerben zu wollen, abzustehen.

41 Unter diesen Umständen hätte die Klägerin besondere Umstände aufzeigen müssen, warum die von ihr beanstandete Klausel dennoch prohibitive Wirkung haben soll.

42 c) Entsprechend geht auch die Argumentation der Klägerin fehl, die Beklagte trage die Beweislast dafür, dass sie einen Anspruch auf den vorläufigen Kaufpreis habe, weil die Klägerin den Kaufpreis nur unter der Voraussetzung gezahlt habe, dass die Schuld bestehe (AS 37).

43 aa) Zwar kann einer Leistung unter Vorbehalt neben einem Ausschluss der Wirkungen des § 814 BGB auch die Bedeutung zukommen, den Leistungsempfänger solle in einem späteren Rechtsstreit die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs treffen. Indes ist ein Vorbehalt dieser Art vor allem dann anzunehmen, wenn der Schuldner während eines Rechtsstreits leistet und den Rechtsstreit gleichwohl fortsetzt (BGHZ 86, 267 (269), BGHZ 139, 357 (368)). Zwar kann ein solcher, erfüllungshindernder Vorbehalt auch bei einer vorgerichtlichen Leistung anzunehmen sein, wenn der Schuldner beispielsweise nur zur Abwendung eines empfindlichen Übels (BGHZ 152, 233 (244 f.) bzw. unter der Voraussetzung leistet, dass die Forderung zu Recht besteht (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1989, 27 (28), NJW-RR 1996, 1430) oder der Empfänger der Leistung empfangsberechtigt ist (BGH NJW 2007, 1269, (1271)).

44 bb) Der vorliegende Fall unterscheidet sich jedoch nach Auffassung der Kammer von diesen Konstellationen, weshalb dem in § 2 (5) des Kaufvertrages (Anlage K 4) keine solche Wirkung zukommt.

45 Die Klägerin hat die Summe nicht etwa zur Abwendung eines empfindlichen Übels gezahlt, sondern in Verfolgung ihrer wirtschaftlichen Interessen, die darauf gerichtet waren, das Gasverteilnetz als künftige Betreiberin zu erwerben. Hierbei bestand zwischen den Parteien im Grundsatz Einigkeit, dass die Klägerin den Kaufpreis schuldet. Dies findet u.a. Ausdruck darin, dass für die Klägerin eine Aufrechnung gegenüber den Ansprüchen der Beklagten auf Zahlung des Kaufpreises nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen möglich sein sollte (§ 2 (4), Anlage K 4) und die Parteien in § 2 (5) a.E. festgehalten haben, die Klägerin sei der Auffassung, „nur den niedrigeren Wert [zu] schulden“. Lediglich die Höhe des zu entrichtenden Kaufpreises stand somit in Streit. Unter diesen Umständen musste die Beklagte nicht davon ausgehen, dass sie in einem späteren Rückforderungsstreit die (negative) Beweislast dafür treffen solle, die Endschaftsbestimmung entfalte keine prohibitive Wirkung. Im Unterschied zum vorliegenden Sachverhalt, lag in den Sachverhalten, die Gegenstand der sub aa) zitierten Entscheidungen waren, offen zu Tage, welcher Umstand dem Recht zum Behaltendürfen der Zahlung entgegenstehen könnte (vgl. BGH NJW 2007, 1269, (1271), wo die möglicherweise fehlende Empfangsberechtigung vor der Zahlung adressiert worden war; vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 1430, wo eine Hausratsversicherung bei behauptetem Einbruchdiebstahlvorbehaltlich „vorbehaltlich Einsichtnahme in die amtlichen Ermittlungskaten“ leistete; vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 27, wo die Klägerin in Vorkasse verlangte Reparaturkosten vorbehaltlich der Übersendung einer detaillierten Auflistung der aufgewendeten Kosten zahlte, die sodann ausblieb).

46 Vorliegend musste die Beklagte hingegen nicht damit rechnen, dass die Klägerin sich darauf berufen würde, die Endschaftsbestimmung sei kartellrechtlich unwirksam, wenn eine prohibitive Wirkung gerade durch den grundsätzlichen Entschluss der Klägerin widerlegt wird, das Gasverteilnetz – vorbehaltlich einer unter Umständen auch gerichtlichen Klärung des letztlichen Kaufpreises – rechtsverbindlich erwerben zu wollen. In Streit stand allein die Frage, welche Wertbestimmung des Gasverteilnetzes zugrundezulegen ist, nicht aber die Frage, ob die gesamte Endschaftsbestimmung, aus der die Klägerin den ihr von der Gemeinde [A.] abgetretenen Übertragungsanspruch herleitet, wirksam ist.

II.

47 Kein Beseitigungsanspruch nach §§ 33 Abs. 1 S. 1, 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB

48 Da wie sub I. dargestellt kein Verstoß gegen § 1 GWB dargetan ist, fehlt es bereits an der Darlegung eines Verstoßes gegen das Kartellgesetz, der einen Beseitigungsanspruch nach § 33 Abs. 1 S. 1 GWB auslösen könnte. Ebenso wenig ist dargetan, dass die Beklagte vorliegend eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt und insbesondere die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in der in § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB beschriebenen Weise beeinträchtigt hätte.

III.

49 Keine Abweisung als derzeit unbegründet aufgrund der Schiedsgutachterklausel

50 Die Klage war auch nicht aufgrund der in § 15 Nr. 2 des Konzessionsvertrages (vlg. Anlage K 1) enthaltenen Schiedsgutachterklausel nur als derzeit unbegründet abzuweisen.

51 Zwar ist eine Klage, mit der ein Anspruch geltend gemacht wird, dessen Inhalt oder dessen Voraussetzungen durch ein Schiedsgutachten festgestellt werden sollen – ggf. nach Setzung einer Frist zur Beibringung des ausstehenden Schiedsgutachtens entsprechend §§ 356, 431 ZPO – als derzeit unbegründet abzuweisen (BGH NJW-RR 1988, 1405; BGH NJW-RR 2006, 212 (213)).

52 Indes steht vorliegend zwischen den Parteien nicht erst die allein einem Schiedsgutachten zugängliche tatsächliche Feststellung des richtigen, für die Übertragung des Gasversorgungsnetzes zu entrichtenden Preises in Streit, sondern bereits die rechtliche Qualifikation der Klausel selbst, die die Grundlage der Zahlungspflicht bildet.

C.

53 Nebenentscheidungen

54 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre gesetzliche Grundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO, die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.