LG Dortmund: Zu Auskunftsansprüchen aus ausglaufenem Konzessionsvertrag im einstweiligen Verfügungsverfahren zur Vorbereitung der Netzübernahme

LG Dortmund: Zu Auskunftsansprüchen aus ausglaufenem Konzessionsvertrag im einstweiligen Verfügungsverfahren zur Vorbereitung der Netzübernahme

LG Dortmund: Zu Auskunftsansprüchen aus ausglaufenem Konzessionsvertrag im einstweiligen Verfügungsverfahren zur Vorbereitung der Netzübernahme 150 150 Dr. Sven Höhne (kbk Rechtsanwälte)

LG Dortmund, Urteil v. 04.02.2010, Az. 13 O 5/10 Kart

Orientierungssatz
Die Vorwegnahme der Hauptsache ist bei Auskunftsansprüchen unzulässig, es sei denn, die Realisierung der Hauptpflicht ist zur Vermeidung einer existenziellen Notlage des Gläubigers erforderlich und ohne sofortige Erteilung der Auskunft nicht möglich.(Rn.21)

Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Verfügungsklägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung der Verfügungsbeklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Verfügungsbeklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand
1 Die Stadt Q und die Rechtsvorgängerin der Verfügungsbeklagten schlossen am 31.01./12.02.1990 zur Ablösung von in den Jahren 1974 und 1977 geschlossener Stromkonzessionsverträge einen neuen Stromkonzessionsvertrag. Der Vertrag hat eine Laufzeit vom 01.11.1989 bis zum 31.10.2009. Bestandteil des Vertrages sind unter anderem vertragsergänzende Schreiben der Vertragsparteien vom 09.11.1989. Im September 1994 schlossen die Vertragsparteien eine weitere Zusatzvereinbarung zum Vertrag. Zum Inhalt des Vertrages und der Zusatzvereinbarung wird auf Blatt 56 – 68 und 199 – 204 der Akten Bezug genommen.

2 Im Oktober 2007 machte die Stadt Q im Bundesanzeiger das bevorstehende Ende des Stromkonzessionsvertrages bekannt. Sie suchte im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung Beteiligungspartner für die von ihr im Januar 2009 gegründete, damals als F (F) firmierende Verfügungsklägerin, um mit diesem die Voraussetzung für den Erwerb des Strom- und Gasnetzes von den bisherigen Erwerbern zu schaffen. Die Ausschreibungsinteressenten erhielten ein Informationsmemorandum. Zu dessen Inhalt und zum Inhalt der Bekanntmachung wird auf Blatt 322 – 393 der Akten verwiesen.

3 Gesellschafter der Verfügungsklägerin wurden in der Folge die Stadt Q mit 51 %, die W und die C mit jeweils 24,5 %. Gesellschaftszweck der Verfügungsklägerin ist das Halten des Eigentums und die Verpachtung von Strom- und Gasverteilnetzen in der Stadt Q. Die C gründete die Stadtwerke Q2 und die Stadtwerke Q3, die das Stromversorgungsnetz von der Verfügungsklägerin pachten und Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Netzbetrieb erbringen sollen.

4 Im August 2009 beschloss der Rat der Stadt Q, die Verfügungsklägerin zum Betrieb des Stromund Gasnetzes in Q zu konzessionieren, und machte dies im Bundesanzeiger bekannt. Die Stadt Q schloss mit der Verfügungsklägerin am 07.09.2009 Vertrag zur Übertragung der Rechte aus dem Vertrag mit der Verfügungsbeklagten und einen Konzessionsvertrag vom 23.09.2009. Zum Inhalt der Verträge wird auf Blatt 71 – 85 der Akten Bezug genommen.

5 Die Verfügungsbeklagte, die der Stadt Q auch ein Partnerschaftsangebot gemacht hatte, wurde mit Schreiben vom 09.09.2009 offiziell über die Vergabe der Stromkonzession an die Verfügungsklägerin informiert. Sie erklärte mit Schreiben vom 18.09.2009 Bereitschaft zu Netzabgabeverhandlungen und verlangte ihrerseits von der Stadt Q Übernahme des Netzes. Zum Inhalt dieser Schreiben wird auf Blatt 86 – 88 der Akten verwiesen.

6 Es kam zu einem Treffen von Vertretern der Parteien und der Stadt Q am 29.09.2009. Dabei wurden unterschiedliche Auffassungen über die Bemessung des Kaufpreises und die Abwicklung der Übernahme diskutiert. Es wurden Verhandlungsgruppen zu den Themen Netzübernahme/Entflechtung, Datenmigration/Kundendatenübergabe und Netzübernahme (Wertermittlung/Recht) gebildet, die unter anderem am 16.10.2009, 29.10.2009, 03.12.2009 und 11.12.2009 weiter verhandelten. Es wurden zunächst Protokolle über die Treffen der Arbeitsgruppen gefertigt, zu deren Inhalt auf Blatt 89 – 93, 114 und 112 der Akten Bezug genommen wird. Ein gemeinsames Protokoll für das Treffen vom 11.12.2009 lehnte die Verfügungsbeklagte ab. Sie verlangte mit Schreiben vom 29.12.2009 von der Stadt Q, in Erfüllung der vertraglichen Regelung des Konzessionsvertrages, das Netz zu übernehmen für einen Kaufpreis von 31.333.850,00 € in Höhe des Sachzeitwertes ohne Anhaltung und Unterzeichnung eines beigefügten Kaufvertrages. Die Stadt Q lehnte ab mit Schreiben vom 11.01.2010, in dem sie unter anderem mitteilte, dass weder sie noch die Verfügungsklägerin als Kaufpreis den Sachzeitwert akzeptiere. Zum Inhalt der Schreiben wird auf Blatt 131 – 136 der Akten verwiesen.

7 Die Verfügungsbeklagte reichte unter dem 21.12.2009 Schutzschrift ein, zu deren Inhalt auf Blatt 170 – 253 der Akten Bezug genommen wird.

8 Die Verfügungsklägerin begehrt mit dem am 20.01.2010 eingegangenen Antrag der Verfügungsbeklagten im Wege einstweiligen Rechtsschutzes aufzugeben bezüglich bestimmter Anlagegüter die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie die kalkulatorischen Restwerte mitzuteilen. Hilfsweise sollte das Gericht eine andere einstweilige Verfügung treffen, die ihr eine Übernahme des Stromverteilnetzes in der Stadt Q zum 01.04.2010 ermögliche. Sie begehrt mit geändertem Hilfsantrag nunmehr Überlassung der Anlagegüter zur Nutzung, Übertragung bestehender Vertragsverhältnisse über die Netznutzung, den Netzanschluss und die Anschlussnutzung für die Anlagegüter und ihre messtechnische Entflechtung zum 01.04.2010 gegen Zahlung einer monatlichen vorläufigen Nutzungsentschädigung in Höhe von 102.104,29 €.

9 Die Verfügungsklägerin hält das Verhalten der Verfügungsbeklagten für eine kartellrechtswidrige Behinderung des Wettbewerbs um den Stromnetzbetrieb in Q. Sie behauptet, die Verfügungsbeklagte halte die kalkulatorischen Restwerte gezielt zurück, da sie die Daten erst nach einer verbindlichen vorbehaltlosen Einigung auf einen Kaufpreis mitteilen will. Sie setze dabei die kalkulatorischen Restwerte rechtsmissbräuchlich als Instrument zur Vereinbarung eines weit überhöhten Kaufpreises ein. Nur eine Verfügung zur Mitteilung der Werte könne die Umsetzung dieser rechtsmissbräuchlichen Strategie verhindern und ihr notwendige Informationen zur Fortsetzung der Kaufpreisverhandlungen geben. Sie habe einen vertraglichen und gesetzlichen Anspruch auf alle aufgeführten Stromverteilungsanlagen und hieraus resultierend einen Nebenanspruch auf Mitteilung der kalkulatorischen Restwerte des Stromverteilnetzes. Ohne die beantragte Verfügung würde die Verwirklichung ihres vertraglichen und gesetzlichen Anspruchs auf Übernahme vereitelt, da er auf andere Weise in zumutbarer Zeit nicht durchsetzbar sei. Der in anderen Netzübernahmefällen übliche Kauf unter dem Vorbehalt einer rechtlichen Überprüfung des Kaufpreises sei ihr nicht möglich, weil der von der Verfügungsbeklagten als nicht weiter verhandelbar bezeichnete Preis von 34 Millionen Euro oder 31,33 Millionen € rechtswidrig auf der Basis des Sachzeitwertes errechnet, und völlig überhöht sei und von ihr nicht aufgebracht und auch nicht finanziert werden könne, ohne sich zu überschulden. Dies sei der Verfügungsbeklagten auch bewusst, so dass ihr Verhalten eklatant rechtswidrig sei. Ohne gerichtliche Hilfe durch einstweiligen Rechtsschutz führe dies zur Vereitlung ihres Übernahmeanspruchs und damit zur Gefährdung ihrer Existenz. Das in der Endschaftsbestimmung vorgesehene Gutachterverfahren könne erst durchgeführt werden, wenn die kalkulatorischen Restwerte übermittelt worden seien, da die Gutachter keinen rechtskonformen Kaufpreis für das Stromnetz ohne Kenntnis dieser Werte ermittelt könnten. Regierungsbehördliche Hilfe sei nicht möglich, ebenso nicht die Durchsetzung der Ansprüche oder die Klärung der Bedingung für die Netzübernahme in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren. Dies würde angesichts der Dauer von Netzübernahmeprozessen eine Verzögerung der Netzübernahme um voraussichtlich 5 oder mehr Jahre bedeuten und für mindestens ¼ der Vertragslaufzeit des Konzessionsvertrages einen endgültigen Rechtsverlust darstellen. Da sie bis zur rechtskräftigen Klärung in 5 Jahren die Vorhaltung des Personals und der erforderlichen Dienstleistung für den Betrieb des Stromnetzes in Q keinesfalls aufrechterhalten könne, drohe die Netzübernahme zu scheitern. Sollte der Verfügungsbeklagten die Mitteilung der kalkulatorischen Restwerte nicht aufgegeben werden, müsse auf andere Weise sichergestellt werden, dass der fällige gesetzliche und vertragliche Anspruch auf Übernahme des Stromverteilnetzes durchgesetzt werden kann. Anderenfalls hielte es die Verfügungsbeklagte in der Hand, die Aufnahme des Netzbetriebs auf unbestimmte Zeit weiter zu verzögern, indem sie dafür offenkundig unangemessene und gegen die guten Sitten verstoßende Konditionen verlange. Dieser rechtswidrige mit der Garantie des effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbare Zustand könne durch die vorläufige Übernahme des Netzbetriebes vermieden werden. Die Verfügungsbeklagte könne dann ihre rechtswidrige Verweigerung der Mitteilung der Restwerte und ihre rechtswidrig überhöhte Kaufpreisforderung noch solange aufrechterhalten, bis dieses Verhalten durch eine Entscheidung in der Hauptsache unterbunden werde. Da die Verfügungsbeklagte die Stadt Q auf Übernahme der Anlagen in Anspruch nimmt, habe sie kein rechtlich nennenswertes Interesse am weiteren Besitz der Anlagen. Für den Übergangszeitraum würden ihre Rechte zudem dadurch gewahrt, dass sie eine vorläufige Nutzungsentschädigung auf Basis einer annuitätischen Tilgung eines geschätzten kalkulatorischen Restwertbetrages von 15 Millionen Euro erhalte. Daneben sei außerdem Übergang der Vertragsverhältnisse und eine messtechnische Entflechtung erforderlich, die von der Verfügungsbeklagten für den Übergangszeitraum angeboten und damit offenkundig technisch umsetzbar sei.

10 Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr,

11 der Verfügungsbeklagten im Wege einstweiliger Verfügung aufzugeben, ihr für sämtliche in den als Anlage V 1 und V 2 beigefügten Mengengerüsten des Stromverteilnetzes in der Stadt Q mit Stand vom 31.12.2008 aufgeführten Anlagegüter die im jeweiligen Zeitpunkt ihrer Errichtung erstmals aktivierten Anschaffungsund Herstellungskosten (historische Anschaffungs- und Herstellkosten) sowie die kalkulatorischen Restwerte, unter Berücksichtigt der seit der jeweiligen Inbetriebnahme der kalkulatorischen Abschreibung tatsächlich zugrunde gelegten und von der Regulierungsbehörde genehmigten Nutzungsdauern mitzuteilen, hilfsweise, zum 01.04.2010 (00.00 Uhr) gegen Zahlung einer monatlichen vorläufigen Nutzungsentschädigung in Höhe von 102.104,29 € sämtliche in den Anlagen V 1 und V 2 aufgeführten Anlagegüter zur Nutzung zu überlassen, alle mit ihr bestehenden Vertragsverhältnisse über die Netznutzung, den Netzanschluss und die Anschlussnutzung für die aufgeführten Anlagegüter auf sie zu übertragen, eine messtechnische Entflechtung der in den Anlagen aufgeführten Anlagegüter von ihrem Netz durchzuführen.

12 Die Verfügungsbeklagte beantragt,

13 die Anträge zurückzuweisen, hilfsweise die einstweilige Verfügung gegen Sicherheitsleistung aufzuheben.

14 Die Verfügungsbeklagte hält die Verfügungsklägerin nicht für aktivlegitimiert. Der Abtretungsvertrag und der neue Konzessionsvertrag seien unwirksam nach § 181 BGB, der Konzessionsvertrag zudem nichtig nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das Nebenleistungsverbot des § 3 KAV. Die Verfügungsklägerin habe zudem, ihre Aktivlegitimation unterstellt, nur einen konzessionsvertraglichen Rechtsanspruch auf Abwicklung des Konzessionsvertrages entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen mit der Stadt Q. Die Endschaftsbestimmungen im Konzessionsvertrag mit der Stadt Q seien wirksam und für die Methodik der Kaufpreisfindung allein maßgeblich. Zur Umsetzung der Endschaftsbestimmungen sei die Datenherausgabe nicht erforderlich. Der Verfügungsklägerin sei zuzumuten, die Entscheidung der Gutachter im vertraglich vereinbarten Bewertungsverfahren abzuwarten. Sie habe sich wie andere Bieter auch in Kenntnis der Endschaftsbestimmungen des Alt-Konzessionsvertrages um die Konzession beworben. Sollte sie oder die hinter ihr stehenden Minderheitsgesellschafter ihren Business-Case darauf ausgerichtet haben, dass die konzessionsvertragliche Absprache nicht mehr gilt, wäre dies schlicht ihre Sache. Hieraus resultierende ökonomische Nachteile führten nicht zu einer rechtlich beachtlichen Unzumutbarkeit des Festhaltens am Konzessionsvertrag. Ein Beschleunigungsinteresse der Verfügungsklägerin sei nicht als vorrangig vor allen anderen Interessen anzusehen. Die Datenherausgabe habe zudem keinerlei beschleunigenden Effekt, da der Übernahmekaufpreis zunächst entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen zu ermitteln sei. Verhandlungen über die Übertragung von Erlösübergrenzen, für die nicht sie, sondern die Netzbetreiberin S passivlegitimiert sei, seien zeitlich entkoppelt von den Kaufpreisverhandlungen. Es entspräche ständiger Praxis in vergleichbaren Netzabgabefällen, dass die Frage der anteiligen Übertragung von Erlösübergrenzen erst nach Einigung über die Netzübernahme durch den neuen Netzbetreiber an die Regulierungsbehörde herangetragen werde.

15 Ein vertraglicher Anspruch sei zudem nicht fällig. Eine Nebenpflicht sei erst mit der Hauptpflicht auf Eigentumsübertragung zu erfüllen, die nur Zug um Zug gegen Zahlung eines wie auch immer ermittelten Netzkaufpreises in Betracht komme. Wegen Vorrangs der konzessionsvertraglichen Vereinbarung komme ein gesetzlicher Anspruch auf Datenherausgabe nicht oder allenfalls Zug um Zug gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung in Betracht. Die in Anlage V 2 in Bezug genommenen Netzanlagen seien gar nicht zu übertragen. Sie dienten neben dem Zweck der Versorgung des Stadtgebiets auch anderen weitergehenden Zwecken der Energieversorgung durch sie und verblieben nach dem eindeutigen Wortlaut des Konzessionsvertrages deswegen in ihrem Eigentum. Da ein Teil der Anlagen im Eigentum des Übertragungsnetzbetreibers B stünden, ergeben sich weitere Fragen, die in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren, insbesondere ohne Einbindung des Übertragungsnetzbetreiber, nicht geklärt werden könnten.

16 Mit dem Hilfsantrag versuche die Verfügungsklägerin zudem die Übergabe des Stromnetzes durchzusetzen, obwohl eine vertragliche Vereinbarung über den Netzübergang noch nicht bestehe und die angebotene Gegenleistung bestenfalls den Charakter von Ratenzahlungen habe.

17 Das Begehren der Verfügungsklägerin sei in Bezug auf alle Verfügungsanträge ersichtlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet und komme deswegen nur ausnahmsweise und unter sehr engen, hier nicht vorliegenden Voraussetzungen, in Betracht. Wenn die Verfügungsklägerin, wie dies rechtstaatlichem Regelfall entspräche, auf die Durchsetzung ihrer angeblichen Ansprüche im Hauptsacheverfahren verwiesen werde, habe sie immer noch die Möglichkeit, alsbald Netzbetreiberin zu werden durch Annahme des Angebots auf Abschluss eines Vorbehaltskaufvertrages. Dass dieses Angebot in dem Sinne prohibitiv sei, dass es von jedem denkbaren Erwerber nicht angenommen werden könne, sei nicht glaubhaft gemacht, vor allem im Hinblick auf die fehlende Regelung zur Reduzierung der gesetzlichen komfortablen Rechtshängigkeitszinsen. Die Verfügungsklägerin habe weiterhin jederzeit die zweite Alternative das vertraglich vorgesehene Gutachterverfahren einzuleiten. Da sie ihre Positionierung schon seit dem Jahr 2008 und damit seit über einem Jahr kenne und dennoch zuwarte, könne sie nicht mehr damit gehört werden, dass die Überschreitung des vertraglich vorgesehenen Weges zur Kaufpreisfindung unzumutbar langwierig sei. Die Dringlichkeit der Angelegenheit sei durch die Stadt und die Verfügungsklägerin selbst widerlegt worden.

18 Zur Wahrung ihrer Rechte sei es letztlich geboten, ausnahmsweise analog § 939 ZPO die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gegen Sicherheitsleistung bis zur Entscheidung im Berufungsverfahren anzuordnen, da sie anderenfalls einen endgültigen Rechtsverlust erleiden würde.

19 Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Entscheidungsgründe

20 Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung waren zurückzuweisen. Die Hauptanträge zu 1. und 2. und der Hilfsantrag sind sämtlich unzulässig. Eine Dringlichkeit im Sinne von §§ 940, 935 BGB liegt nicht vor.

21 Die Hauptanträge zu 1. und 2. sind auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet. Dies ist bei Auskunftsansprüchen, gleich ob sie beruhen auf einer vertraglichen oder gesetzlichen Hauptpflicht oder einer Nebenpflicht zur Vorbereitung einer gesetzlichen oder vertraglichen Hauptpflicht unzulässig, es sei denn, die Realisierung der Hauptpflicht sei zur Vermeidung einer existenziellen Notlage des Gläubigers erforderlich und ohne sofortige Erteilung der Auskunft nicht möglich. Beide Voraussetzungen sind nicht gegeben. Es ist nicht ersichtlich, dass der von der Verfügungsklägerin erhoffte Beschleunigungseffekt im Hinblick auf die Durchsetzung eines Anspruchs auf Übertragung der Stromnetzanlagen bei Verurteilung der Verfügungsbeklagten zur sofortigen Datenmitteilung eintreten wird. Es ist nicht zu erwarten, dass die Verfügungsbeklagte allein eine solche Verurteilung zum Anlass nehmen wird, ohne vorausgegangenes Gutachterverfahren oder ohne insoweit gerichtlich in Anspruch genommen zu sein mit der Verfügungsbeklagten einen Kaufpreis auf der Basis kalkulatorischer Restwerte zu vereinbaren. Eine rechtliche Verpflichtung der Verfügungsbeklagten hierzu besteht nicht. Diese kann, ohne sich dem Vorwurf kartellrechtlichen Missbrauchs auszusetzen, Einhaltung der vertraglich vereinbarten Endschaftsregeln verlangen. Diese gelten vorrangig auch im Hinblick auf gesetzliche Übernahmevorschriften und sind durch die Verträge der Verfügungsklägerin mit der Stadt Q, deren Wirksamkeit unterstellt, nicht suspendiert. Da die Endschaftsbestimmungen keine Regelung über die Grundlagen der gutachterlichen Ermittlung enthalten, ist diese den zu bestimmenden Sachverständigen vorbehalten. Ob diese aus rechtlichen Gründen nur die kalkulatorischen Restwerte als Grundlage der Kaufpreisbestimmung wählen können, kann und muss in diesem Verfahren nicht festgestellt werden. Die zwischen den Parteien höchst streitige Frage bedarf, da rechtlich und tatsächlich komplex eingehender Überprüfung, die mit den beschränkten Vortrags- und Erkenntnismitteln des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht zu leisten ist.

22 Auch für den Hilfsantrag ist die besondere Eilbedürftigkeit zu verneinen. Es kann dahinstehen, ob die Verfügungsklägerin mit diesem Antrag ganz oder teilweise eine Vorwegnahme der Hauptsache anstrebt. Auch wenn es sich nur um eine vorläufige Überlassungsregelung handelt, ist eine Notwendigkeit, diese im einstweiligen Rechtsschutzverfahren anzuordnen, nicht gegeben. Der von der Verfügungsklägerin so vehement beklagte Rechtsverlust für den Fall der Verweisung auf Durchführung eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens ist von dieser respektive von der Stadt Q, von der die Verfügungsklägerin vertragliche und gesetzliche Rechte auf Übernahme ableitet, selbst herbeigeführt worden.

23 Die Verfügungsklägerin und ihre Gesellschafter wussten, wie die Ausführungen an verschiedenen Stellen im Informationsmemorandum zeigen, schon seit Anfang 2009, die Mehrheitsgesellschafterin Stadt Q sogar schon zu einem noch früheren Zeitpunkt, dass eine einvernehmliche Regelung hinsichtlich des Kaufpreises für die Stromanlagenübernahme nicht erfolgen wird. Sie wussten auch, dass angesichts der Regelungen in den Endschaftsbestimmungen eine Durchsetzung ihrer Vorstellungen zur Bestimmung des Kaufpreises und damit eine Durchsetzung vertraglicher oder gesetzlicher Übernahmeansprüche nicht ohne gerichtliche Verfahren möglich sein wird. Angesichts dessen wäre es ein Gebot kaufmännischer Vernunft gewesen, die streitigen Fragen weit vor Ablauf der Vertragsfrist im vertraglich vorgesehenen Gutachterverfahren oder durch ein gerichtliches Hauptsacheverfahren klären zu lassen. Die Zusatzvereinbarung von September 1994 zeigt, dass die Parteien des Konzessionsvertrags von 1990 dies auch so gesehen haben, da sie in § 7 Ziffer 3 Informationsrechte der Konzessionsgeberin schon für einen Zeitpunkt von 4 oder 3 Jahren vor Vertragsende begründet haben. Wenn von diesen Rechten nicht Gebrauch gemacht wird und die vorhersehbare streitige Auseinandersetzung auf den Zeitpunkt des Auslaufens des Konzessionsvertrages verschoben wird, müssen die sich hieraus ergebenden Zeitprobleme als selbstverschuldet hingenommen werden.

24 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung vor vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 6, 711 ZPO.

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