Die Einordnung von Strom- und Gaskonzessionsverträgen als Dienstleistungskonzessionen, Anmerkung zu EuGH Urteil v. 10.09.2009, C-206/08, WAZV Gotha

Die Einordnung von Strom- und Gaskonzessionsverträgen als Dienstleistungskonzessionen, Anmerkung zu EuGH Urteil v. 10.09.2009, C-206/08, WAZV Gotha

Die Einordnung von Strom- und Gaskonzessionsverträgen als Dienstleistungskonzessionen, Anmerkung zu EuGH Urteil v. 10.09.2009, C-206/08, WAZV Gotha 150 150 Dr. Sven Höhne (kbk Rechtsanwälte)

Der EuGH hat mit seiner Entscheidung vom 10.09.2009 (Az. C-206/08, WAZV Gotha) zu der Frage Stellung genommen, ob auch dann eine Dienstleistungskonzession vorliegen kann, wenn das wirtschaftliche Risiko des Auftragnehmers aufgrund der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung der Dienstleistung von vornherein erheblich eingeschränkt ist. Eine Dienstleistungskonzession liegt nach den Ausführungen des EuGH auch in diesem Fall vor, wenn der Auftragnehmer das verbleibende Risiko in vollem Umfang oder zumindest zu einem erheblichen Teil übernimmt.

Nach Art. 1 Abs. 3 Ziff. b) der Richtlinie 2004/17/EG (Sektorenrichtlinie – SKR) und Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG (Vergabekoordinierungsrichtlinie – VKR) ist eine Dienstleistungskonzession ein Vertrag, der von einem Dienstleistungsauftrag nur insoweit abweicht, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistung ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht. Dienstleistungskonzessionen sind gemäß Art. 18 bzw. Art. 17 vom Anwendungsbereich der jeweiligen Richtlinie ausgeschlossen. Auf Dienstleistungskonzessionen findet somit das Kartellvergaberecht keine Anwendung.

Voraussetzung für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession ist nach der Rechtsprechung des EuGH, dass der Dienstleistungserbringer das Betriebsrisiko der fraglichen Dienstleistungen übernimmt (siehe EuGH Urteil v. 13.08.2005, C-458/03 – Parking Brixen; EuGH Urteil v. 18.07.2007, C-382/05).

Der EuGH befasste sich in dem Urteil vom 10.09.2009 mit einem Auftrag zur Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung. Der Auftragnehmer sollte die Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gegenüber den Nutzern erbringen. Dafür sollte er das Recht erhalten, bei den Nutzern für die Leistungen Entgelte zu erheben. Dem Auftragnehmer oblag auch die Instandhaltung der Anlagen. Eine Zahlung des Auftraggebers an den Auftragnehmer sollte nicht erfolgen. Das wirtschaftliche Risiko war für den Auftragnehmer aufgrund des existierenden rechtlichen Rahmens eingeschränkt. Der EuGH hatte die Frage zu entscheiden, ob es sich bei einem so gestalteten Vertrag um eine Dienstleistungskonzession handeln kann. Er bejahte dies unter der Voraussetzung, dass der Auftragnehmer das verbleibende Risiko in vollem Umfang oder zumindest zu einem erheblichen Teil übernimmt.

Eine vergleichbare Konstellation liegt bei der Vergabe von Wegenutzungsrechten (Konzessionsverträge) für das Strom- und Gasnetz zur allgemeinen Versorgung vor. Dabei erhält der Konzessionsnehmer das Recht, die öffentlichen Wege für die Versorgungsanlagen zu nutzen. Im Gegenzug verpflichtet er sich, Konzessionsabgaben an die Stadt oder Gemeinde zu zahlen. Auch die Instand¬setzung des Netzes gehört zu seinen Aufgaben. Dafür erhebt er bei den Nutzern Netzentgelte, die den Vorgaben der Regulierung unterworfen sind. Auch in diesem Fall ist das wirtschaftliche Risiko für den Konzessionsnehmer eingeschränkt. Das verbleibende Risiko trägt der Konzessionsnehmer bei den Strom- und Gaskonzessionen in vollem Umfang. Er muss seine Betriebskosten aus den Netzentgelten finanzieren. Eine Beteiligung des Auftraggebers an diesen Kosten erfolgt nicht.
Somit ist die Argumentation des EuGH auf die Vergabe von Strom- und Gaskonzessionsverträgen übertragbar. Auch diese sind somit als Dienstleistungskonzessionen einzuordnen.

Strom- und Gaskonzessionsverträge wurden in Deutschland von der Literatur bereits vor dem Urteil des EuGH vom 10.09.2009 durchgängig als Dienstleistungskonzessionen eingeordnet (so u.a. Byok, RdE 2008, 268, 271; Michaels, IR 2009, 246, 249; Ortner, VergabeR 2008, 608, 609 f.; Thomale/Kießling, N&R, 166, 168 f.). Der EuGH hat mit dem nun erlassenen Urteil die Argumentation der Literatur bestätigt.

Die Vergabe von Strom- und Gaskonzessionsverträgen unterliegen als Dienstleistungskonzessionen somit nicht dem Kartellvergaberecht. Gleichwohl sind bei der Gestaltung des Verfahrens die Grundsätze des EG-Vertrages zu beachten. Dies sind insbesondere der Transparenzgrundsatz, das Diskriminierungsverbot und der Gleichbehandlungsgrundsatz.

Dr. Sven Höhne

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